Türkei - Ende für Werbung von Bier, Wein und Raki
- Geschrieben von Portal Editor
Schon vor gut einem Jahr waren die Gesetze zum Alkoholkonsum in der Türkei durch die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, massiv eingeschränkt worden, was u. a. auch die Werbung für Alkoholika betraf.
Mit dem Hinweis auf gesundheitliche Schäden durch Alkoholkonsum ist jetzt nochmals eine Verschärfung des Gesetzes in Kraft getreten: generelles Werbeverbot für alle Alkoholika sowie Warnhinweise auf Flaschen und Dosen.
Bereits seit September des vergangenen Jahres ist es verboten, zwischen 22 Uhr und 6 Uhr alkoholische Getränke zu verkaufen. Im Umkreis von Moscheen und Bildungseinrichtungen werden keine neuen Ausschankgenehmigungen mehr erteilt. Das bekannte und beliebte Musikfestival einer großen Brauerei in der Türkei musste gar komplett abgesagt werden, da es der Firma nicht mehr gestattet war, als Sponsor aufzutreten. Mit der neuerlichen Verschärfung des Gesetzes dürfen Ladenbesitzer ebenfalls nicht mehr für alkoholische Getränke werben, was im Klartext bedeutet, das auch alle Werbemittel (Schirme, Tische, Gläser, Aschenbecher, usw., die ein Logo der Getränkehersteller tragen) nicht mehr verwendet werden dürfen.
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Es ist weiterhin verboten, alkoholische Getränke in Schaufenstern zu platzieren. In Filmen, Fernsehserien und Musikvideos, die alkoholische Getränke zeigen, müssen diese verpixelt werden: „Casablanca“ (mit Humphrey Bogart) nur noch ohne Whisky. Bei der berühmten Szene aus „Casablanca“, in der Humphrey Bogart vor einer Flasche Whisky sitzt und „As Time Goes By“ hört, muss ab sofort die Flasche so gerastert werden, dass sie nicht mehr als Schnaps zu erkennen ist. Bereits seit einigen Jahren werden alkoholische Getränke mit einem Satz von 33 Prozent hochgradig besteuert. Die Verschärfung dieses Gesetz ist Teil eines Feldzugs der Regierungspartei gegen den Alkoholkonsum – und stößt vieler Orts auf heftige Kritik.
Ab Mittwoch, den 11. Juni müssen Laden-, Bar- und Cafébesitzer jegliche Werbung für Alkoholika verschwinden lassen, also Werbelogos und -plakate von Brauereien abnehmen sowie Namen alkoholischer Getränke und –hersteller verdecken. Sie dürfen nicht mehr durch Schilder, Embleme oder Slogans von Alkoholmarken auf sich aufmerksam machen. Markisen, Sonnenschirme, Stühle und Tische mit dem Namen von Brauereien oder Whisky-Herstellern sind verboten. Wer gegen das Gesetz verstößt, riskiert Strafen von 5.000 bis zu 20.000 Türkische Lira, umgerechnet etwa 1.700,- € bis 6.800,- €. Die Betroffenen sind entsetzt. „Alkohol ist nicht dein Freund“, steht nun auf jeder Flasche „Efes“.
„Bei einer Moschee steht dran, dass es eine Moschee ist, bei einer Kirche steht drauf, dass sie eine Kirche ist“, sagt Ali Bayram, Besitzer einer Bar im Istanbuler Vergnügungsviertel Beyoglu. „Es muss einfach draufstehen, um was es geht. Aber bei uns geht das nicht mehr.
Schauen Sie sich diesen Tisch an, den hat nicht der Staat bezahlt, sondern Efes.“ „Wo soll denn das Geld dafür in Zukunft herkommen?“, fragt sich Bayram.
Den Hinweis der Erdogan-Regierung auf die Gesundheitsgefahren durch Alkohol hält der Kiosk-Besitzer Nurettin für einen billigen Vorwand. „Die wollen einen neuen Iran aus uns machen“, schimpft er. Das neue Gesetz macht ihm beträchtliche Schwierigkeiten. „Mein Umsatz ist um 90 Prozent gefallen“, sagt er, besonders wegen des Verkaufsverbotes nach 22 Uhr. Vorher verdiente er viel Geld mit Touristen oder Einheimischen, die auf dem Weg zum Hotel oder zu einer Party noch schnell eine Flasche Wein oder Raki mitnahmen. Damit ist Schluss. „Früher habe ich Raki für 3000 Lira am Tag verkauft“, sagt Nurettin. Das waren rund tausend Euro. „Heute sind es noch 300 Lira.“ Auch Ismail Adin, ein anderer Ladeninhaber in Beyoglu, sieht schwierige Zeiten voraus. „Es wird immer schlimmer. Wenn das so weitergeht, dann wird Alkohol irgendwann einmal ganz verboten sein.“
Die Regierung rechtfertigt die verschärften Gesetze damit, dass Alkohol für die Gesundheit und die Gesellschaft gefährlich sei: Mehr als zwei Drittel aller Unfälle ereigneten sich unter Alkoholeinwirkung, sagt der AKP Abgeordnete Cevdet Erdöl. Alkoholkonsum verstärke zudem die Bereitschaft zu Gewalt und sexuellen Übergriffen.
Und obwohl die Türken zu den Trinkfreudigsten in der islamischen Welt zählen, ist der Alkoholkonsum pro Kopf vergleichsweise niedrig. Statistiken zeigen deutlich, dass die Türkei im europäischen Vergleich kein Alkoholproblem zu haben scheint: Gemäss dem jüngsten OECD-Bericht aus dem Jahr 2011 lag der Pro-Kopf-Alkoholkonsum in der türkischen Bevölkerung bei 1,5 Litern und zählt damit zu den niedrigsten unter den OECD-Ländern. Zum Vergleich: In der Schweiz konsumieren über 15-Jährige im Jahr 10,1 Liter reinen Alkohol; im Durchschnitt über alle OECD-Länder trinken Erwachsene im Schnitt 9,1 Liter.
Kritiker der Regierung Erdogan sehen in dem Verbot einen weiteren Schritt der Türkei Richtung Islamisierung, denn der Islam verbietet den Genuss von Alkoholika komplett: In streng muslimischen Ländern wie Saudi-Arabien, Kuwait oder Iran ist der Erwerb von Alkohol illegal, im Iran droht Wiederholungstätern des Alkoholkonsums gar die Todesstrafe. Erdogan, ein frommer Muslim, sieht den Alkohol als große Gefahr für die Gesundheit der Bürger, insbesondere der Jugend. Mit der Beschränkung des Alkoholverkaufs bedient er seine abstinente, konservative Gefolgschaft, die nach staatlichen Angaben klar in der Mehrheit ist. Nach Zahlen des Gesundheitsministeriums trinken nur 23 Prozent der Männer und vier Prozent der Frauen in der überwiegend muslimischen Türkei Alkohol.