Unerwartet - Gericht kippt Internet-Zensur
- Geschrieben von Portal Editor
Gerade noch waren bei einem Treffen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdogan und Vertretern des Committee to Protect Journalists, das sich für Presse- und Meinungsfreiheit stark macht, umfängliche Zusagen hinsichtlich von Reformen gemacht worden, in denen die Regierung Besserung bei der Pressefreiheit gelobt.
Noch immer sitzen mindestens 7 Journalisten ohne Anklage im Gefängnis, weitere Journalisten sind nur unter Auflagen frei. War zu dem Zeitpunkt vielleicht schon bekannt, was wenig später an die Öffentlichkeit drang?
Die islamisch-konservative türkische Regierung musste durch das Verfassungsgericht bei ihrem Versuch das Internet stärker unter staatliche Kontrolle zu bekommen, einen herben Rückschlag hinnehmen: Das Verfassungsgericht in Ankara beanstandete das im September vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur Internetzensur in den wichtigsten Punkten als verfassungswidrig!
Das im September erlassene Gesetz sollte die staatliche Telekom-Aufsichtsbehörde TIB ermächtigen, auch ohne Gerichtsbeschluss die Sperrung von Internetseiten zu veranlassen, um „die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung“ zu wahren oder um „Straftaten zu verhindern“. Auch waren Internet-Provider verpflichtet worden, die von der Behörde angeordneten Sperren innerhalb von vier Stunden umzusetzen. Außerdem wurde die Aufsichtsbehörde ermächtigt, alle Verbindungsdaten und den gesamten E-Mail-Verkehr der Internetnutzer in der Türkei zu speichern und auszuwerten.
Die besondere Brisanz dieses Gesetzes, das von der AKP-Regierungspartei in einer Nachtsitzung durchgebracht wurde, lag auch in der Zielsetzung der Regierung, die Befugnisse der Telekom-Behörde TIB schon bald auf den Geheimdienst MIT übergehen zu lassen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vorab angekündigt, die Telekom-Behörde TIB sei „überflüssig“ und werde dem Geheimdienst zugeordnet.
Das Verfassungsgericht hat diese Bestimmungen nun als verfassungswidrig aufgehoben. Internetseiten dürfen ab sofort nur gesperrt werden, wenn ein entsprechender Gerichtsbeschluss vorliegt.
Bereits im Februar hatten verschärfte Regelungen zur türkischen Internetzensur im In- und Ausland großen Widerspruch ausgelöst. Die EU-Kommission meldete ernsthafte Bedenken an, die sich auch in den Berichten zu den Beitrittsverhandlungen der EU widerspiegeln. Auch die USA bezeichneten die Zensurbestimmungen als „unvereinbar mit der Meinungsfreiheit“. Erdogan hat vor allem persönliche Aversionen gegen den Online-Dienst Twitter, seit regierungskritische Demonstranten im Sommer 2013 ihre landesweiten Proteste auf Twitter koordinierten. Er werde Twitter „ausmerzen“, so seine damalige Ankündigung.