Turkmenen - Minderheiten-Volksgruppe im Machtpoker
- Geschrieben von Portal Editor
Nicht erst seit dem Abschuss des russischen Kampfbombers ist die Volksgruppe der Turkmenen in aller Munde, für die Türkei ist es eine Volksgruppe, die unter ihrem besonderen Schutz steht (wohl vorrangig, weil sie sich in den Kampf gegen das Assad-Regime einbinden lässt) und für die Russen sind es Terroristen, die gegen das bestehende alawitische Assad-Regime kämpfen, das religiös den Schiiten zugerechnet werden kann.
Dabei scheuen sich beide Seiten allerdings davor, klar ihre wirklichen Interessen zu definieren, nur langsam sickern Details an die Öffentlichkeit.
Klar ist, die Turkmenen sind eine Minderheiten-Volksgruppe, die in Syrien hauptsächlich in den Städten Aleppo, Damaskus, Hama, Homs und Latakia sowie im Gebiet al-Dschasira lebte, ihre Zahl wird mit 100.000 bis 200.000 Bewohnern angegeben, die allerdings kaum noch Verbindungen zum modernen, namensgleichen Staat Turkmenistan haben. Klar ist aber auch, das die vorherrschende Religion der Turkmenen der sunnitische Islam ist, was die Türkei als Schutzmacht auftreten lässt. Die heute noch in Syrien lebenden Turkmenen sind die Reste der osmanisch-türkischen Bevölkerung, die nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches in Syrien verblieben sind.
Bereits seit dem 11. Jahrhundert wurde der Nahe Osten und somit auch Syrien vermehrt von türkischen Stämmen besiedelt. Schon vorher dienten Türken oft als Soldaten in den Armeen arabischer Kalifen und waren in verschiedenen Garnisonen in Syrien stationiert. Im 12. Jahrhundert gerieten der Irak und Syrien unter die Herrschaft der türkischen Zengiden, die nach dem Zusammenbruch des seldschukischen Reiches an die Macht kamen. Die Zengiden wurden von den Ayyubiden und diese zunächst von den Mameluken dann von den Osmanen abgelöst.
Im Laufe der Expansion des Osmanischen Reiches wurde Syrien 1516 unter Sultan Selim I., der die Mameluken in der Schlacht von Marj Dabiq nahe Aleppo besiegte, Teil des Reiches. Während dieser osmanischen Herrschaft wurden weitere türkische Stämme im heutigen Syrien angesiedelt. Gemäß der Siedlungspolitik besetzten die türkischen Siedler wichtige Punkte (Latakia, Aleppo, Homs, Hama) und sollten auf diese Weise unter anderem auch den Pilgerweg nach Mekka beschützen.
Nach dem Russisch-Osmanischen Krieg zwischen 1877 und 1878 und dem Verlust der turkmenischen Gebiete am Kaukasus, siedelten die Osmanen einen Teil der Kriegsflüchtlinge in Syrien unter anderem im Gebiet der Golanhöhen an. Als die Osmanen 1918 im Ersten Weltkrieg unterlagen, wurden ihre arabischen Provinzen vom Reich abgetrennt und Syrien zunächst französisches Mandatsgebiet und später ein unabhängiger Staat.
Die syrische Regierungen verfolgte über Jahre eine Politik der Arabisierung gegen ihre ethnischen Minderheiten, die unter anderem im Norden an der türkischen Grenze einen "Arabischen Gürtel" etablieren wollte. Turkmenen und Kurden in diesem Gebiet wurden umgesiedelt und sollten so von ihren Verwandten in der Türkei abgeschnitten werden. Ihre Besitzungen gingen auf arabische Siedler über. Neben dieser Politik wurden auch nicht-arabische Ortsnamen umbenannt.
Die turkmenische und die türkische Bevölkerung nahm nach dem Ersten Weltkrieg ab, als die Türken begannen in die neu gegründete Türkei auszuwandern. Türkische Quellen schätzen die Gemeinschaft auf zwischen 750.000 und 1.500.000 Mitglieder. Türkische Medien gingen 2012 sogar von 1,5 Millionen türkisch-sprachigen Turkmenen und 2 Millionen weiteren assimilierten Turkmenen aus.
Die Turkmenen des Iraks bilden eine nah verwandte Gruppe. Umgekehrt leben viele syrische Araber in der Türkei. Bereits während des Beginns des syrischen Bürgerkrieges (ab 2011) baten viele Turkmenen in Syrien die Türkei um Schutz und Hilfe. Wie andere Volksgruppen auch, bildeten die Turkmenen eigene Kampfverbände. Ein Beispiel dafür sind die Brigaden die sich als Syrisch Turkmenisches Heer (türkisch: Suriye Türkmen Ordusu) bezeichnen und Teil der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte gegen das Assad-Regime sind.
Dr. Ali Akram, Vorsitzender der Turkmenischen Rettungsstiftung (Turkmen Rescue Foundation) vertritt die Meinung, die Türkei benutze die Turkmenen in Syrien und im Irak nur zur Durchsetzung eigener nationaler Interessen und Machtspiele. So habe sich bis 2011 weder die Türkei noch ein anderes Land für die Situation der Turkmenen in Syrien interessiert.
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