Vor 11 Jahren: Ereignisse beim Korruptionsskandal!
- Geschrieben von Portal Editor
Es geht in der Causa um dubiose Goldgeschäfte mit dem Iran im Zusammenhang mit der Umgehung des Ölembargos und der Bestechung von Ministern im Zuge von Bauprojekten. Auswirkungen bis heute, auch die Folgen des Erdbebens gehören dazu.
Regierungschef Erdoğan sprach bisher von einer Verschwörung der Justiz und Polizei gegen seine Regierung, die Partei und das Land. Nach den Rücktritten seiner Minister meinte Erdoğan auf einem Parteitreffen inAnkara, seine Partei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) werde Korruption nicht dulden. Sollte dies doch der Fall sein, hätte sie ihre Berechtigung verloren. Erdoğan spricht aber weiterhin von einem "Komplott" und von „dunklen Mächten“ von außen.
17. Dezember: Im Morgengrauen kommt es zu Großrazzien der Polizei in Istanbul und Ankara. Dutzende Menschen werden unter Korruptionsverdacht festgenommen, darunter auch drei Ministersöhne. Die Ermittlungen vor den Razzien dauerten über ein Jahr lang an, ohne dass die Regierung davon Kenntnis hatte. 23 Personen wurde bereits verhaftet. Gegen weitere 30 Personen habe die Staatsanwaltschaft Haftbefehle erlassen.
Die Ministersöhne sollen die Bestechung von Politikern organisiert haben, um unter Anderem illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen. In diesem Zusammenhang sollen auch Bestechungsgelder bei verschiedenen Bauprojekten geflossen sein. Laut "Tagesschau" in der ARD haben Ermittler bei der Hausdurchsuchung eines Direktor der Halkbank über 3,5 Millionen Euro in bar in einem Schuhkarton gefunden.
18. Dezember: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nennt die Ermittlungen eine "sehr dreckige Operation" gegen seine Regierung. Die Regierung beginnt damit, Polizisten zu versetzen, die mit den Ermittlungen befasst sind.
20. Dezember: Der mächtige Prediger Fethullah Gülen weist Verdächtigungen zurück, seine Bewegung könnte hinter den Ermittlungen stecken, um Erdogan zu schaden.
21. Dezember: Ein Gericht verhängt Untersuchungshaft gegen den Sohn von Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, den Sohn von Innenminister Muammer Güler und gegen 22 weitere Verdächtige. Der Sohn von Umweltminister Erdogan Bayraktar wird unter Auflagen freigelassen.
21. Dezember: Der Skandal belastet das Verhältnis mit den USA. Regierungsnahe Zeitungen werfen US-Botschafter Francis Ricciardone vor, EU-Kollegen "den Sturz eines Imperiums" angekündigt zu haben. Ricciardone dementiert. Erdogan droht ungenannten Botschaftern: "Wir sind nicht gezwungen, Sie in unserem Land zu lassen."
Polizisten müssen ab sofort ihre Vorgesetzten über Ermittlungen informieren.
22. Dezember: Journalisten wird landesweit der freie Zutritt zu Polizeidienststellen untersagt.
Umweltminister Bayraktar lässt mit seinem Rücktritt quasi eine Bombe platzen und belastet Ministerpräsident Tayyip Erdogan schwer. Bayraktar sagt: "Ich wurde unter Druck gesetzt zurückzutreten, um mit einer Deklaration zur Entspannung beizutragen. Ich mache diese Deklaration nicht, weil ein Großteil der Bebauungspläne, über die jetzt ermittelt wird, vom Ministerpräsidenten persönlich bewilligt wurden. Ich denke, dass der Ministerpräsident auch zurücktreten sollte."
Innenminister Güler hat noch vor seinem Rücktritt im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hochrangige Polizisten abberufen - darunter auch den Polizeichef von Istanbul und 500 weitere zum Teil höherrangige Polizisten.
"Wenn sie versuchen, Tayyip Erdoğan mit den Korruptionsvorwürfen zu treffen, werden sie nichts erreichen", sprach Tayyip Erdoğan, wie so oft, von sich selbst in der dritten Person. "Und weil sie wissen, dass sie mich nicht treffen, greifen sie meine Minister an."
Der entlassene Europaminister Bagis bekräftige am Donnerstag, die Regierung werde enger zusammenrücken und die Kräfte enttäuschen, die Unruhe stiften wollten. „Wir werden dieses Land gemeinsam mit jenen entwickeln, die uns preisen und nicht verfluchen“, sagte Bagis in Anspielung auf den islamistischen Prediger Fethullah Gülen, dessen Machtkampf mit Erdogan in Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen gebracht wird.
Erdoğan trat die Flucht nach vorn an und tauschte in der Nacht auf Donnerstag handstreichartig die Hälfte seiner Regierung aus, darunter auch Minister die – noch – nicht ins Zwielicht geraten sind. Der neue Justizminister Bekir Bozdağ nahm den Fehdehandschuh der Justiz auf: Am Donnerstag hatte der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte in einem Statement gefordert, dass alle staatlichen Institutionen und Amtsträger die Gleichheit vor dem Gesetz achten müssten. Die Untersuchung illegaler Aktivitäten von Regierenden sei essenziell für Demokratie und Rechtsstaat, das Dekret der Regierung verletzte die Verfassung.
«Je konkreter die Vorwürfe werden und je näher sie an seine Familie kommen, desto aggressiver reagiert Erdogan», sagt SRF-Korrespondent Werner van Gent. Die Gelassenheit und die Selbstsicherheit, die er früher ausgestrahlt habe, habe er verloren. Man werde den Eindruck nicht los, dass Erdogan sich große Sorgen mache, so van Gent. «Und ich glaube, aufgrund der Vorwürfe hat er auch allen Grund sich Sorgen zu machen. Die Währung hat 20 Prozent verloren und die Börse war zeitweise im freien Fall.»
Nun steht auch das Vermögen der Erdoğans im Mittelpunkt. Denn die Familie des Premiers, der aus armen Verhältnissen stammt, ist heute steinreich. So reich, dass ein paar Fragen auf der Hand liegen: Wie kommt Sohn Bilal gemeinsam mit seinem Onkel Mustafa Erdoğan an eine Reederei und ein Bauunternehmen? Wie kommt Sohn Burak an sechs Containerschiffe?
Als der Staatsanwalt Muammer Akkas begann, diese Fragen zu stellen, wurde er gestoppt: Polizisten weigerten sich, Bilal Erdoğan ins Präsidium zu bringen, Finanzbeamte warnten schnell noch die Erdoğans, Akkas selbst bekam Anrufe von ganz oben.
Noch am Donnerstag wurde Staatsanwalt Muammer Akkaş von den Ermittlungen im aktuellen Korruptionsskandal abgezogen. Er hoffe nur, so sein Statement, dass die Justiz für ihre Unabhängigkeit auf die Barrikaden gehe: „Die Justiz wurde ganz offen unter Druck gesetzt“.
Genau das ist am Freitag passiert: Der sogenannte Staatsrat, die oberste Justizbehörde, hat ein Dekret blockiert, mit dem die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdoğan, die von dem Skandal betroffen ist, die Ermittlungen behindern wollte. Stephan Füle hatte am Freitag erklärt, er verfolge die Entwicklung in der Türkei "mit zunehmender Besorgnis". Die von der Regierung in Ankara beschlossenen Änderungen der Polizeiarbeit hätten "die Unabhängigkeit der Justiz und deren Handlungsfähigkeit untergraben".
28. Dezember 2013 EU ist besorgt über Lage in der Türkei. Der türkische Staat stürzt immer tiefer in die Krise. Zu Beginn des Wochenendes wurden Regierungskritiker brutal von der Polizei zurückgedrängt. „Überall ist Widerstand“, skandierten sie und forderten den sofortigen Rücktritt der Regierung. Ihr Protest richtete sich gegen den Korruptionsskandal, der die Türkei derzeit beschäftigt.
Die Polizei fackelte nicht lange, setzte noch vor dem offiziellen Start der Demo Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Die Beamten verfolgten Protestierer in die Seitengassen der innerstädtischen Shoppingmeile.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte, Erdoğan habe sich „offensichtlich für das Modell Putin als Regierungsform entschieden“. Ähnlich wie der russische Präsident setze der türkische Ministerpräsident auf „autoritäre Herrschaft und prall gefüllte Taschen für das unmittelbare Umfeld“, sagte Özdemir dem „Tagesspiegel am Sonntag“.
Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte die Bundesregierung auf, angesichts von Erdoğans Vorgehen gegen die Justiz ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der Türkei zu überprüfen.
Wochenlang redeten sich Außenpolitikexperten die Köpfe heiß über die Ukraine und Russland und Chodorkowski und Putin. Doch dass in einem Nato-Land der Ministerpräsident die Botschafter von Nato-Verbündeten rauszuwerfen droht, dass er von "illegalen Banden" und einer „Verschwörung“ ausländischer Mächte schwadroniert, weil eine ganze Reihe seiner Minister der schweren Korruption und Vetternwirtschaft angeklagt sind, und dass sein mächtigster Widersacher kein demokratischer Gegenkandidat, sondern ein islamistischer Prediger ist, der öffentlich wünscht, "Gott" möge "Feuer über die Heime" seiner Widersacher bringen, all das scheint der deutschen Öffentlichkeit ganz akzeptabel und keine Sorgen wert zu sein. Zumindest keine öffentlich vernehmbaren. Man scheint die Vorgänge so zu betrachten, wie die Spießbürger in Goethes „Faust“, die entspannt am Fenster stehen und ein Glas Wein trinken, „wenn hinten, weit weg, in der Türkei, die Völker auf einander schlagen“, so Ferdinand Knaus von der „Wirtschaftswoche“.
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