Dank unseres aufmerksamen Lesers und Beobachters Buschi aus Alanya sind wir einmal mehr in den Lage, einen denkwürdigen Artikel mit dazugehörigen Bildern im Portal online zu stellen.
Trotz vieler Hinweise, Mahnungen und sogar Spots im Fernsehen, ist die Zahl der im Straßenverkehr verunglückenden Menschen in der Türkei riesig. Und das trotz vielerlei bereits eingerichteter Fußwege, Fußwegübergänge, Ampeln mit Fußgängerschaltung und Straßentunneln oder Fußgängerbrücken. Mittlerweile werden auch fast alle 4-spurigen Straßen mittig mit einem hohen Zaun abgesperrt, so dass ein Übersteigen wirklich kaum mehr möglich ist. Trotz all dieser Maßnahmen nehmen die Unfallzahlen in der Türkei, bei denen Passanten verunglücken, immer noch erheblich zu. Woran liegt das?
Mit heiler Haut die Straße zu überqueren
Zum einen natürlich an den Fußgängern selbst, wie der aufmerksame Beobachter in fast jeder Stadt, in fast jedem Dorf, täglich beobachten kann. Gleichgültig ob nun mit dem Handy telefonierend, zwischen parkenden Autos achtlos hervorkommend oder bei roter Ampel ohne Rechts-links Blick die Straße überquerend, manchmal ist so viel Leichtsinn überhaupt nicht nachvollziehbar. Aber es sind im weitaus schlimmeren Maße die motorisierten Fahrzeugführer für diese Unfallzahlen verantwortlich. Das Überqueren einer Straße in der Türkei ist leider immer noch, und das trotz vieler Sicherheitseinrichtungen wie eingangs erwähnt, mit hohem Gefahrenpotential verbunden. Eine Überquerung am Zebrastreifen ohne den Verkehr zu beachten ist, gelinde gesagt, lebensgefährlich. Kaum ein Auto- oder LKW-Fahrer registriert den Versuch des Passanten, mit heiler Haut die Straße zu überqueren. Und das am Zebrastreifen!
Nichts mit der Erfindung des Zebrastreifens am Hut
Schon die alten Römer waren der Überzeugung, dass Straßen für alle Verkehrsarten bestimmt sind, einschließlich der Fußgänger. Straßen unterliegen einer vielfältigen und vielschichtigen Nutzung unterschiedlichster Verkehrsteilnehmer. Neben dem Transport von Gütern fand auf der Straße auch immer Handel, teilweise Handwerk und im erstaunlichen Umfang eine „Menge“ der täglichen Kommunikation statt – die Straße war zur Erweiterung des Wohn- und Arbeitsraumes geworden. Überall dort, wo es zu Konflikten zwischen Fuhrwerken, Reiterverkehr und Fußgängern kommen konnte, bauten die Römer bereits Fußwege. Die heutigen Bürgersteige entstammen also römischer Straßenbaukultur. Zwar hatten die Römer nichts mit der Erfindung des Zebrastreifens am Hut, doch schon damals wurden Fußgängerüberwege in die Straße eingebaut, wie man noch heute vieler Orts in den antiken Städten gut erkennen kann. Aufgrund gängiger Gespann Breiten im alten Rom, lag es auf der Hand, auch die Straßenbreiten zu normieren. So wurden also auch Normspurbreiten für die Straßen festgelegt. Folglich konnte auch etwas für den Fußgänger getan werden und man baute an bestimmten Stellen sogenannte Trittsteine in die Fahrbahn ein. Dies hatte zwei positive Effekte für den Fußgänger:
- Die Straße wurde meist nur an bestimmten Stellen überquert (vergleiche Zebrastreifen)
- Da die Straße auch für abfließendes Regen- oder Schmutzwasser zuständig war, die Trittsteine aber in der Höhe aus der Fahrbahndecke herausragten, konnte der Fußgänger trockenen Fußes die Straße überqueren.
- Die Straße war eine echte Fahrspur, fast wie eine Schiene. Ein Fuhrwerk konnte folglich nicht einfach ausweichen und weiterfahren! Es musste anhalten, wenn es den Fußgänger nicht überfahren wollte.
Eine interessante Konstellation, so finden wir, betrachtet man das Geschehen auf den hiesigen Straßen.
Goethe beschrieb einst eine Kutschfahrt durch Neapel
Über die Jahrhunderte entwickelte sich der Verkehr kontinuierlich fort und der Straßenraum wurde immer enger. Je enger der Platz auf der Straße für den einzelnen Verkehrsteilnehmer wurde, desto größer und gravierender wurden auch die Konflikte. So bat denn auch das französische Parlament im Jahr 1563 den französischen König, sämtlichen Kutschenverkehr auf den Straßen von Paris zu verbieten. Ein zwar vergeblicher Versuch, aber immerhin.
Goethe beschrieb einst eine Kutschfahrt durch Neapel mit folgenden Worten: „Der Fahrende schreit unaufhörlich „Platz, Platz!“, damit Esel, Holz oder Kehricht tragende, entgegenrollende Kaleschen, lastschleppende oder freiwandelnde Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, ausweichen, ungehindert aber der scharfe Trab fortgesetzt werde.“
So passierten uns auch viele kopfschüttelnde Autofahrer
Und je dichter der Verkehr wurde, desto problematischer wurde auch das Miteinander. Immer stärker wurde allerdings auch die Priorität auf den Kraftfahrzeugverkehr gesetzt, der Fußgänger war egal. Die Straßen wurden breiter, der Verkehr schneller und wenn nicht genügend Platz vorhanden war, lies man den Fußweg einfach weg. Zu gut ist noch eine erste Nacht in Miami des Jahres 1978 in Erinnerung, als wir dort gegen 22.00 Uhr ankommend das damals nur knapp 600 Meter vom Flughafengebäude entfernt liegende Hotel zu Fuß erreichen wollten, nie wären wir auch nur auf den Gedanken gekommen, für diesen Weg ein Taxi zu bestellen. Kurzum, es bestand eigentlich keine andere Möglichkeit. Rechts und links neben dem Flughafengebäude war der Bürgersteig zu Ende und die Straße wurde zur 4-spurigen Autobahn. Lebensgefährlich eigentlich, trotz schon damals herrschender Geschwindigkeitsbegrenzung auf 55 Meilen. So passierten uns auch viele kopfschüttelnde Autofahrer, aber wir waren halt damals die unerfahrenen Neulinge im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und hatten keine Ahnung, dass selbst solch kurze Wegstrecken nicht mehr auf Fußgänger eingerichtet waren.
Glücklicherweise begann dann in der Folge das Umbesinnen und der Fußgänger wurde zum gleichberechtigten Verkehrspartner, ja letztendlich aufgrund seiner Schwäche und des damit einhergehenden Nachteils gegenüber den motorisierten Verkehrsteilnehmern, konnte er gar an bestimmten Einrichtungen Vorrang vor den Autos und LKW erlangen, z.B. dem Zebrastreifen. Eine Entwicklung, die allerdings auch in Europa lange gedauert hat.
Respektieren Sie die Fußgänger!
Und genau hier befindet sich momentan der Entwicklungstand in der Türkei. Der Fußgänger als gleichberechtigter Verkehrspartner wird gerade erst entdeckt. Kein Wunder also, das es noch einige Zeit dauern wird, bis das auch bei allen Auto- und LKW-Fahrern angekommen ist. Dies ist letztendlich auch ein gesellschaftliches Problem. Nicht das Recht des Stärkeren gilt es zu schützen, es ist Rücksicht auf den Schwächeren zu nehmen.
Hier die Übersetzung des neu eingeführten Verkehrszeichens:
Respektieren Sie die Fußgänger!
Stoppen Sie an den Zebrastreifen!
Der Gouverneur von Antalya
Das Fußgänger-Vorrang-Projekt
So sind also die Maßnahmen zum Schutz der Fußgänger, die es mittlerweile vereinzelnd in Alanya oder Antalyagibt, absolut zu begrüßen, als Fußgänger sollte man sich aber noch nicht darauf verlassen, dass dies auch der Autofahrer so sieht und vor allem sich entsprechend verhält.
Ein erster Schritt ist immerhin getan…
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