Am Abend nach dem ersten Seminartag in Adrasan gab es nicht nur ein vorzügliches Abendessen, sondern auch noch einen musikalischen Ausklang mit traditioneller Musik auf dem ebenfalls mit traditionell zu bezeichnendem Instrument „Saz“, dargeboten vom Leiter des AKVAM Herrn Prof. Erol Esen höchstpersönlich.
Die Seminarteilnehmer hatten sich nach einer ersten Ankündigung in der Cafebar eingefunden, um dann den Klängen dieser speziellen Langhalslaute zu lauschen, die vom Balkan bis nach Afghanistan verbreitet, den doch so typischen Klang orientalischer Weisen wiederspiegelt.
Kurzhalsige Version, die im Alevitentum eine entscheidende Rolle spielt.
In der Türkei wird hauptsächlich die mittelgroße Version dieses Zupfinstruments zum Einsatz gebracht, die auch mit Bağlama bezeichnet wird. So gibt es allerdings auch die kurzhalsige Version, die im Alevitentum eine entscheidende Rolle spielt. Die kurzhalsige Bağlama ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Versammlungsrituals der Aleviten, das mit Cem bezeichnet wird und währenddessen zu den Klängen des Instruments Gedichte (Deyis) vorgetragen oder gesungen werden. Fast immer wird zu diesen religiösen Versammlungen auch getanzt. Dieser religiöse, fast mythische Tanz wird mit Semah bezeichnet. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass im alevitischen Glaubensritual fast jeder Geistliche die Bağlama spielen können muss.
Verbreitung der Bağlama weit über das Osmanische Reich hinaus
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Saz dann auch in der kurdischen, der iranischen, der armenischen, der aserbaidschanischen, der türkischen und der afghanischen Musik weiter ausbreiten können. Heute ist die Bağlama das am häufigsten genutzte, traditionelle Instrument der türkischen Barden, die man sowohl in Anatolien als auch im Kaukasus mit Aşık bezeichnet werden, was so viel wie „der Liebende“ bedeutet. Vergleichbar der Nutzung einer Laute oder einer Gitarre, hat auch der Hals der Saz Bünde, die durch den Anpressdruck der Finger und der Höhe am Hals der Saz den Ton bestimmen. Allerdings weist die Saz zusätzliche Makams auf, die für die Vierteltöne notwendig sind. Neben der alten „Şelpe-Technik“, was mit streichen oder zupfen zu übersetzen ist, wird heute oftmals ein Plektrum verwendet, das entweder aus einer länglichen Gummi-Plastikmischung besteht oder etwas edler, aus Kirschholz, gefertigt ist. Das Plektrum wird im Türkischen mit Mızrap oder Tezene bezeichnet. Die etwas traditionell verhafteten Barden nutzen allerdings auch weiterhin die Zupftechnik, bei der die Saiten mit den Fingerspitzen zum Klingen gebracht werden. Oftmals gehört zur Technik auch das den Rhythmus angebende Klopfen auf den Klangkörper der Saz dazu. Dies ist bei vielen Musikern, die neben dem Instrument auch noch den Gesang beherrschen, ein wichtiges Merkmal in der Rythmusgebung. Heute verbreitet sich auch das Streichen der Saz mehr und mehr.
Unterschiedliche Ausführungen bestimmen das Bild der Bağlama
Je nach Halslänge unterscheidet man in Cura, Tambur, Bozuk, Kurzhals- (kısa sap) sowie Langhals- (uzun sap) Bağlama, Divan Sazı und Meydan Sazı. Die kleinste Laute mit dem höchsten Ton und einer Korpus Länge von 15 bis 25 cm ist die Cura, die größte mit einer Korpus Länge von 52,5 cm ist die, fälschlicherweise oft mit der Divan Sazı gleichgesetzte, Meydan Sazı. Das geläufigste Instrument ist allerdings die Bağlama. Der Begriff Saz stammt ursprünglich aus dem Persischen, wo er eigentlich „nur“ Musikinstrument bedeutet. Im Türkischen wird der Begriff etwas einschränkender benutzt, denn hier sind in der Regel Saiteninstrumente (telli sazlar) oder Streichinstrumente (yaylı sazlar) gemeint. Selten taucht der Begriff Saz in Verbindung zu Blasinstrumenten (üflemeli oder nefesli sazlar) oder in Verbindung zu Schlaginstrumenten (vurmalı sazlar) auf.
Allerdings sind für die Saz eine Vielzahl weiterer Begriffe im Umlauf, die in Abhängigkeit zur Region mehr oder weniger verbreitet sind: Baz, Berene, Bozuk, Bulgarı, Çağur, Çöğür, Çeşte, Destek, Dıngıra, Dıngırdak, Dombra, Dutar, Harek, Irızva, Komuz, Kopuz, Ruzba, Sazılak, Tar.
In der Regel verfügt die Saz über 6–7 Saiten, die zu drei Chören zusammengefasst sind (selten: vier zweisaitige Chöre bei der sogenannten „dört telli“, zu Deutsch „Viersaitige“). Der obere und der mittlere Chor besteht jeweils aus zwei, der untere aus zwei oder drei Saiten. Im oberen und im unteren Chor gibt es je eine Bass-Saite, die dicker ist als die anderen. Die zwei geläufigsten Stimmungen (düzen) des Instruments sind La-Re-Mi (bağlama düzeni – Bağlamastimmung) und La-Re-Sol (bozuk oder kara düzen – dunkle Stimmung). Letztere wird eher bei langhalsigen Instrumenten verwendet.
Heute erfolgt auch der Einsatz in der Rockmusik
Inzwischen hat sich längst auch der Piezo-Tonabnehmer in der klassischen türkischen Musik durchgesetzt und so verwundert es nicht, dass die Saz auch in der Rock- und Popmusik zum Einsatz kommt. Namhafte internationale Künstler wie Loreena McKennitt verbinden klassische Musikinstrumente und deren Klangfülle auch mit ihren modernen Kompositionen, die wir Ihnen, liebe Leser, nur empfehlen können.
Uns hat sowohl die Beherrschung des Instruments als auch der dazugehörige Gesang von Erol Esen begeistert. Letztendlich traf dies wohl auch auf die anderen Seminarteilnehmer zu, denn schnell war man bereit, auch selbst auf der schnell hergerichteten Tanzfläche zwischen den Tischen und Stühlen der Cafebar, aktiv zu werden. So war denn der Abend auch erst weit nach Mitternacht beendet.
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