Gerade erst hatten wir in Wuppertal die Möglichkeit, den Ausspruch eines Kenners der klassischen Musik, Sir Simon Rattle, auf seinen so bedeutenden Satz hin zu „überprüfen“: „Wuppertal hat akustisch einen der besten Konzertsäle in der Welt.“
Auch wenn das dabei genossene Konzert eher eine Mischung aus Klassik und Rock, mit dem Schwerpunkt auf Rock der frühen Genesis-Zeit basierte: Steve Hackett live mit Band, Chor „Amici del Canto“ und dem Wuppertaler Sinfonieorchester, wobei es immer schwierig ist, das richtige Set-Up für die Akustik zu finden. Aber es war gelungen. Ein wundervoller Musikabend zum 50-jährigen Geburtstag von „Selling England by the pound“ im wundervollen Großen Saal der Historischen Stadthalle.
Ein Konzert- und Versammlungshaus auf dem Johannisberg
Schon der erste Blick in den Vorraum versetzte uns in Erstaunen, keine Frage. Der Große Saal war ja verständlicherweise noch geschlossen. Zeit genug, sich auch ein wenig mit der Historie zu befassen. Bis 1894 war das Gelände, auf dem sich heute die so genannte Historische Stadthalle befindet, Privatbesitz der Familie Küpper. 1831 hatte Abraham Küpper das alte Wirtshaus auf dem Johannisberg übernommen, in dessen „Festsaal“ ca. 1.000 Personen Platz fanden. Die dort stattfindenden Konzertabende können also als ein Grundstein der musikalischen Tradition auf dem Johannisberg von Wuppertal gelten.
Die dann getroffene Entscheidung, an diesem Ort ein seiner Zeit entsprechendes Konzert- und Versammlungshaus zu errichten, mündete 1895 in der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs. Das Bürgertum seiner Zeit war stolz auf sein historisches Kulturgut und begeisterte sich für die deutsche Renaissance. Möbel, Tapeten, Einrichtungen und Bauwerke wurden "auf Renaissance getrimmt". Diese sogenannte Neo-Renaissance wurde zum deutschen Nationalstil, später bekannt als Stil der "Gründerzeit". Es war aber auch die Zeit der wachsenden Industrialisierung, in der immer mehr neue Unternehmen gegründet wurden. Repräsentative Formen mit viel Zierrat waren beliebt und galten damals traditionsgemäß als wertvoll. Dies zur Entstehung einmal vorausgeschickt, wurde der Bau der Stadthalle Wuppertal in den Jahren 1896 bis 1900 ausgeführt.
Das Herzstück – der Große Saal
Er ist das Herzstück der Historischen Stadthalle: der Große Saal. Seine eindrucksvolle Höhe erstreckt sich über die beiden Hauptgeschosse des Hauses. Durch seine Luftigkeit und das Zusammenspiel von opulenten Verzierungen an Decken, Wänden und Galerien entsteht ein unvergleichliches Raumerlebnis. Neben seiner atmosphärischen Wandelbarkeit besticht der Große Saal durch technische Multifunktionalität und eine brillante Akustik, die in musikali-schen Fachkreisen als eine der besten der Welt gilt. Dieses Ambiente schafft den glanzvollen Rahmen für große Konzertereignisse, Shows, hochwertige Präsentationen und Tagungen ebenso wie für märchenhafte Galas, Bälle und Feste.
Sir Simon Rattle: „Wuppertal hat akustisch einen der besten Konzertsäle in der Welt.“
Was in der internationalen Musikwelt längst bekannt ist, wurde durch ein finnisches Forscherteam sogar wissenschaftlich bestätigt: Der Große Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal gehört zu den akustisch besten Konzertsälen Europas.
Die Wiener Philharmoniker fühlten sich hier „wie zu Hause“, die große Pianistin Hélène Gri-maud nannte ihn einen „fast magischen Ort für Musik“ und Sir Simon Rattle riet den Münch-nern, sie sollten „nach Wuppertal schauen“. Kurz nach dem SZ-Interview mit Rattle im No-vember 2012 meldete sich Professor Tapio Lokki von der Aalto Universität Finnland mit sei-nem Team in Wuppertal an, um den Großen Saal wissenschaftlich zu vermessen.
Professor Tapio Lokki von der Aalto Universität Finnland
Der preisgekrönte Forscher hat eine neuartige Methode entwickelt, die den präzisen Vergleich der Akustik von Konzertsälen ermöglicht. Dabei fließen neben rein physikalischen Messungen auch sensorische Bewertungen des Raumklangs mit ein. Lokkis Fazit: „Stadthalle Wuppertal is not very well known among acousticians worldwide. However, the hall has very nice acoustics and it should be much better known. We really liked the Stadthalle and it definitely supports to full dynamics that an orchestra can play. It is one of the best concert halls in Europe.“
Die finnischen Akustiker haben einen Sinfonieorchester-Simulator, das sogenannte „loudspeaker ¬orchestra“, entwickelt und damit den Raumklang von 19 europäischen Konzertsälen ein-gefangen. Der Aufbau war überall exakt gleich, so dass der Saal als einzig veränderlicher Fak-tor den Klang der Aufnahmen beeinflusste. Dies ermöglichte später im Labor einen sehr präzisen Vergleich der Akustikeigenschaften.
Beim Anhören der Musik aus den einzelnen Sälen mit der räumlichen Klangwiedergabe im Labor wurden alle subjektiven Hörtests auch mit sensorischen Prüfmethoden durchgeführt, die die unterschiedlichen Wahrnehmungsfaktoren zwischen den Konzertsälen offenbaren.
Mit dieser Kombination aus objektiven und subjektiven sensorischen Daten konnte Professor Lokkis Team die Bevorzugung bestimmter Konzertsäle erklären.
Dabei hat die traditionelle „Schuhkarton“-Architektur eindeutig die Nase vorn: Die akustisch besten Konzertsäle Europas – Concertgebouw Amsterdam, Wiener Musikverein, Historische Stadthalle Wuppertal, Konzerthaus Berlin – sind alle ähnlich gebaut.
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