Allein am Rhein: Sentimental Journey im Frühjahr
- Geschrieben von Portal Editor
Der Rhein ist für Deutschland der vielleicht wichtigste Fluss, der zudem wie kein zweiter den Wandel vom Nationalstaat zu einem einigen Europa versinnbildlicht.
Und schon lange, bevor auch nur jemand einen Gedanken an ein geeintes Europa hegte, ja sogar bevor es auch nur einen deutschen Staat gab, war der Rhein bereits verbindendendes Symbol – und durch Gründung der europäischen Kommission für die Rheinschifffahrt sogar Anlass für die erste inter-europäische Organisation.
Kein Fluss dieser Größe in Europa hat so viele Facetten wie der Rhein. Schon das prädestiniert ihn für einen Wohnmobil-Trip.
Symbol, Lebensader, Sagengestalt – und auch noch in einer durchgängig reizvollen aber niemals eintönigen Landschaft gelegen. Gibt es noch bessere Gründe, sich Vater Rhein im Frühjahr allein zu erfahren? Sicherlich nicht. Und wir zeigen nun den großen Fluss in einem kleinen Ablaufdiagramm.
Der Weg ist das Ziel
1232 Kilometer misst der Rhein. Das mag keine große Reisedistanz sein. Aber gerade für einen Trip ist es ideal.
Denn als Zeitraum kann man ungefähr zwei Wochen anpeilen. Loslegen sollte man allerdings erst ab Ende April.
- Erst dann ist das Wetter auf seiner Gesamtlänge halbwegs beständig
- Viele Touristenattraktionen öffnen erst im (späten) Frühjahr.
Mittel der Wahl für Alleinreisende ist das Wohnmobil. Das spart nicht nur Übernachtungsgeld (zumal viele Pensionen gar keine Einzelzimmer haben), sondern gibt einem die Freiheit, die es braucht, um diesen Fluss wirklich zu erfahren – in beiderlei Wortsinn.
Tatsächlich hat diese Urlaubsform auch noch eine Menge weiterer Vorteile, von denen das Abschalten und Herunterkommen nur einer ist. Zudem ist der Rhein, was Stell- und Campingplätze usw. anbelangt, vorbildlich erschlossen, sodass die notwendige Vorplanung ein Klacks ist.
1. Der Tomasee
Der Rhein beginnt mit einer Vielzahl von Rinnsalen, Bächlein und tröpfelnden Gletschern. Erst am Tomasee im Schweizer Kanton Graubünden laufen diese Ströme zusammen.
Natürlich könnte man den Rhein auch umgekehrt erfahren. Doch um wirklich zu erleben, wie er sich wandelt, vom beschaulichen Bergstrom zur gewaltigen Wasserautobahn wird, ist es besser, seinem Lauf zu folgen.
Wer den Fußmarsch zum See scheut, kann auch in Reichenau starten. Hier fließen die Einzelflüsse Vorder- und Hinterrhein zusammen.
Kaum zu glauben, aber dieses Gebirgsbächlein ist einer der Ausgangspunkte für Europas wichtigste Wasserstraße.
2. Vom Alpenrhein bis zum Bodensee
Besonders im späteren Verlauf der Reise wird man sich an diesen Moment zurückerinnern. Denn bis der Alpenrhein die Distanz zwischen Reichenau und Bodensee absolviert hat, fällt er um über 200 Höhenmeter.
Wild ist er hier, recht schmal und zudem in ein teils schroffes Tal eingebettet. Erst, wenn der Bodensee in Sicht kommt, wird es wieder ruhiger – und schon diese Ecke ist ein geschichtsträchtiges Schmuckstück für sich.
Doch wir können nicht verweilen, auch wenn der See noch so sehr lockt, der große Fluss zieht einen weiter.
3. Der weite Weg nach Basel – der Hochrhein
b dem Bodensee wird der größtenteils nordwärts strebende Fluss zum Westläufer. Die ganze Strecke bis nach Basel wird als Hochrhein bezeichnet und ist von einer ganz eigenen Schönheit und mit zahlreichen Flecken versehen, die zum Verweilen einladen.
Darunter natürlich, gleich am Anfang, der Rheinfall von Schaffhausen. Sicherlich zwar ein Beispiel für den Tourismus am Rhein, aber zu sehenswert, um einfach sein Wohnmobil vorbei zu lenken.
4. Wo die Grenze verwischt – der Oberrhein
Von Basel bildet er bis nach Au am Rhein, südlich von Karlsruhe, die lebende, fließende Grenze zwischen beiden Nationen. Nein, es war nicht immer so. Zwischen 1871 und 1918, als Deutschland auch Herrscher über Elsass-Lothringen war, war er zum Hinterland-Fluss geworden.
Doch hier und heute spürt man an keiner anderen Stelle im Verlauf so sehr, wie deutsche und französische Kultur sich vermengen können – und Kenner behaupten, dass man am ganzen Rhein nirgendwo besser schlemmen könne.
Ab Karlsruhe bis Mainz merkt man dem Rhein auch seinen Zwiespalt an. Hier, wo er an zahlreichen Industrien vorbeifließt, sieht man überdeutlich, welch immense Bedeutung er als Lebensader hat.
5. Eine Romanze für die Seele – der Mittelrhein
Einige Kilometer westlich von Mainz ändert sich die Landschaft für den großen Fluss schlagartig. Nach dem Binger Loch werden die ausladenden Auen eng, die Berge ziehen sich hoch und kommen näher.
Hier beginnt der mit Sicherheit romantischste Teil des Flusses und zudem der, der wie kein anderer die Poeten in Verzückung brachte.
Zudem gibt es hier keine einzelnen Sehenswürdigkeiten. Bis hinauf ins alte Koblenz, wo sich Rhein und Mosel verbinden, ist der Fluss eine einzige, langgestreckte Augenweide, bei der man nicht scheuen sollte, öfters zu verweilen.
6. Der Fluss, das Arbeitstier – der Niederrhein
Manche sagen, dass ihm ein Teil seines malerischen Touchs verlorenginge. Doch tatsächlich wandelt sich die Schönheit nur. Sie wird herber, weniger verspielt.
Ab Bonn wird der Rhein einem satt und breit fließenden Stück Industriekultur. Köln, Düsseldorf und vor allem Duisburg zeigen dem, der ihm folgt, dass der Rhein mehr ist, als schön.
Er wird gebraucht. Ist ein treuer Helfer, der immer da ist – und der bei Niedrigwasser hier besonders eindrucksvoll zeigt, wie wichtig er für unser heutiges Leben ist, wenn kein Schiff mehr fahren kann.
Doch auf seinen finalen Kilometern durch Deutschland zeigt er noch ein letztes Mal, fast schon entschuldigend, eine andere, herbere Schönheit, wenn er sich durch die flachen Landschaften zwischen Wesel und Emmerich schlängelt.
7. Niederländische Delta-Gefühle
Folgt er dem (südlich verlaufenden) Hauptarm, folgt er von nun an der Waal, nicht mehr dem Rhein. Dafür bekommt er eine ruhige, flache Landschaft, der er gemächlich bis zur Nordsee folgen kann.
Folgt er dem nördlichen Arm, folgt er dem Nderrijn. Ähnliche Landschaft, dafür aber ungleich industrialisierter. Denn hier ist Europas größter Hafen angesiedelt – Rotterdam. Und so wenig malerisch dessen Umgebung sein mag, sie ist für die Liebe zum Rhein enorm wichtig.
Egal, für welche Route man sich entscheidet. Nach den zurückliegenden Tagen wird man definitiv melancholisch werden – weiter unterstützt durch das auch im Frühjahr noch oft meerestrübneblige niederländische Wetter.
Doch empfehlen kann man diesen Trip jedem. Andere Flüsse mögen durchgängig schöner sein. Aber der Rhein ist ein Unikat, im ewigen Wechsel und doch immer gleich.
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