Ein trüber, regnerischer Tag hatte uns in den vergangenen Tagen erneut nach Weimar geführt, „bestes“ Wetter, um das noch relativ neue Bauhaus-Museum zu besuchen, das am 5. April 2019 der Öffentlichkeit übergeben wurde.
Schon mehrfach hatten wir den kleinen Shop in der Weimarer Innenstadt aufgesucht und hierbei insbesondere das von der Bauhaus Schülerin Alma Siedhoff-Buscher entworfene und zunächst handwerklich gefertigte „bunte Schiff“ bewundert, das „ein Schiff – auch eine Berg- und Talbahn, ein Tor, ein Tier und vieles sonst noch sein kann.“
Das bunte Schiff von Alma Siedhoff-Buscher
Dieses Schiff, wohl der bekannteste Entwurf einer der so genannten Bauhaus-Schülerinnen, war, zumal auch noch verfilmt, im Bereich des Spielzeugentwurfs wegweisend und hat damit nicht unerheblich zum Wandel im Handwerk- und der Industriegeschichte beigetragen, wie viele andere Entwürfe des Bauhauses auch. Zwar entspricht das Spielzeug nicht mehr den heutigen Standards der Sicherheitsbestimmungen für Kinderspielzeug, doch zeigt es anschaulich, welch ein Wandel durch neues Denken und Schaffen, beginnend bei den Kindern aus der ersten deutschen Demokratie und seinen Denkansätzen hätte wachsen können. Leider und wie hinlänglich bekannt, stoppte die dann entstehende Diktatur des dritten Reiches auch diesen Fortschritt. Hoffentlich passiert so etwas nie wieder.
Über das Modellhaus „Am Horn“ von Georg Muche aus dem Jahr 1923, das im Rahmen der ersten Bauhausausstellung in Weimar errichtet wurde, haben wir ja bereits berichtet. Erstmals wurden hier neue Ideen und Zusammenhänge wie beispielsweise innerhäusliche Tätigkeitswege und Funktionen im modernen Wohnungsbau umgesetzt. Mehr als 100 Jahre sind mittlerweile vergangen, ein Grund mehr das Bauhaus-Museum zu besuchen, denn eine Vielzahl von Artefakten aus der Zeit werden hier ausgestellt.
Ausgangspunkt und Alleinstellungsmerkmal im Bauhaus-Museum sind die historischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar zur Vorgeschichte, Geschichte und Nachwirkung des Staatlichen Bauhauses, das 1919 in Weimar gegründet wurde. Der Sammlungsbestand ist seit 1990 durch Ankäufe und Schenkungen sogar noch stark gewachsen. Mit der Gropius-Sammlung besitzt die Klassik Stiftung zudem den ältesten überhaupt existierenden Bauhaus-Bestand. So wird gleich schon im Eingangsbereich detailliert auf das Modellhaus „Am Horn“ verwiesen, das sich als einziges erhaltene Versuchshaus aus der Zeit Bauhaus in Weimar auch als eigenständiges Museum besichtigen lässt (UNESCO-Weltkulturerbe).
Gropius „Kunst und Technik – eine neue Einheit“
Weiter geht es mit textlichen und bildnerischen Darstellungen aus der Zeit nach dem verlorenen ersten Weltkrieg, der ersten Demokratie auf deutschem Boden, die maßgeblich in Weimar ihren Ursprung hatte. Daraus sich entwickelnd entstehen die pädagogischen, künstlerischen, architektonischen und gestalterischen Ideen des Bauhauses und ihrer Lehrmeister, die bis heute in die ganze Welt ausstrahlen, was allein schon der erste Blick auf anwesende Besucher vermittelt: selten trifft man auf so zahlreiche internationale Gäste an einem Standort. Viele bahnbrechenden Konzepte wurden zunächst für Weimar vorgedacht. Die Präsentation im Bauhaus-Museum Weimar zeigen Arbeiten von Walter Gropius, dem Gründungsdirektor des Bauhauses, sowie von den Bauhaus-Meistern wie Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Johannes Itten oder Paul Klee. Darüber hinaus werden zahlreiche Schülerarbeiten, darunter Werke von Marcel Breuer oder Alma Siedhoff-Buscher, vorgestellt, die die praxisorientierte Ausbildung am Bauhaus belegen. Ausbildungskonzepte, die dann jahrelang nicht mehr praktiziert wurden und teilweise erst Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts neu entdeckt wurden. Um nur den Begriff ganzheitliches, praxisorientiertes Lernen in den Raum zu stellen.
Zahlreiche ausgestellte Objekte veranschaulichen die Vielschichtigkeit, Kreativität und Lebendigkeit des schulischen Wirkens in Weimar. Ausgehend vom Manifest und Programm des Bauhauses entwickelten die Bauhaus-Meister neuartige Lehrprogramme mit den Vorkursen von Itten, der Formen- und Farbenlehre von Klee und Kandinsky und der Ausbildung in verschiedenen Werkstätten. Das Werkstattprinzip, die praxisorientierte handwerklich-künstlerische Ausbildung der durchschnittlich 150 Studierenden, war für das Bauhaus ebenso charakteristisch wie das Teamwork von Lehrenden und Lernenden. Den Übergang vom kunsthandwerklichen Einzelstück zum Prototyp für die Industrie ab 1922, entsprechend dem Motto von Gropius „Kunst und Technik – eine neue Einheit“, dokumentierten im Bauhaus-Museum Weimar die bis heute produzierten Designklassiker, wie das Bauhaus-Schach von Josef Hartwig, die Tischlampe von Carl Jakob Jucker und Wilhelm Wagenfeld oder Metallarbeiten von Marianne Brandt.
Markante Bauhaus-Leuchte – Form folgt Funktion
Das für die damalige Zeit sensationelle Design der Bauhaus-Leuchte besteht aus vernickeltem Metall und Glas und wurde seiner Zeit in verschiedenen Modellen realisiert. Allein der Lampenschirm in Form einer 5/8 Kugel wurde aus Opalglas gefertigt, wodurch das Licht des Leuchtkörpers zerstreut wird. Opalglas wurde bei Leuchtkörpern bis dahin nur im industriellen Bereich eingesetzt, somit war die Bauhaus-Leuchte die erste elektrische Leuchte, die zerstreutes Licht auch im Wohnraum ermöglichte. Die Fassung des Leuchtkörpers wird von einem zylindrischen Schaft getragen, der entweder aus Metall oder aus Klarglas besteht, wobei sich in den Modellen mit Glas ein metallenes Rohr befindet, das das Stromkabel aufnimmt. Im Vorentwurf führte Carl Jacob Jucker das Stromkabel noch direkt durch den Glas Schaft; Wagenfeld fügte 1924 das vernickelte Metallrohr hinzu. Das äußere Stromkabel ist mit Textil verkleidet. Am Schaft befindet sich eine charakteristische Tülle, aus der die Schnur des Zugschalters führt, das Ende der Schnur ist mit einem vernickelten Metallkügelchen versehen. Der runde Fuß der Leuchte besteht ebenfalls entweder aus Metall oder aus grün schimmerndem Klarglas.
Mit dem Einsatz einfacher geometrischer Formen wie dem runden Fuß und dem zylindrischen Schaft erreichten Wagenfeld und Jucker im Sinne des Gestaltungsleitsatzes „Form folgt Funktion“ sowohl „höchste Einfachheit als auch im Rahmen der Zeit und der zur Verfügung stehenden Materialien höchste ökonomische Effizienz“
Die Leuchte wurde ab 1923 in der zum Bauhaus gehörenden Metallwerkstatt entworfen, nachdem László Moholy-Nagy als neuer „Formmeister“ diese reorganisiert hatte. Walter Gropius hatte die Neuorientierung des Bauhauses gegen die künstlerischen Absichten von Johannes Itten durchgesetzt und als Ziel die Herstellung massenproduzierbarer Produkte ausgegeben, die unter Einsatz neuer Materialien kollaborativ entwickelt werden sollten. Jucker griff auf Bauteile von Gyula Pap zurück und zeigte bereits im Herbst bei der Bauhausausstellung von 1923 im Musterhaus „Am Horn“ die noch unfertige Lampe mit Glasfluss und -säule, Wagenfeld stellte 1924 eine Metalllampe daneben.
Bereits 1924 wurde versucht, die Leuchte kommerziell zu vermarkten, was daran scheiterte, dass die meisten ihrer Bauteile in der Bauhaus-Werkstatt handgefertigt werden mussten. Aber auch als die Lampe erstmals 1928 von Schwintzer & Gräff aus industrieller Fertigung angeboten wurde, war die Bauhauslampe mit 55 Reichsmark für weite Bevölkerungskreise unerschwinglich.
Im zugehörigen Werklabor können Besucher experimentell entdecken, wie Gestaltungsprozesse bis heute den Alltag prägen. Ausgangspunkt sind Fragestellungen des historischen Bauhauses zum Zusammenleben, zur Selbstinszenierung und zur Zukunftsgestaltung.
Ein faszinierender erster Rundgang, dem bestimmt weitere folgen werden.
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