Tagesausflug - Von Marseille nach Glanum
- Geschrieben von Portal Editor
Unser Interesse an der Römerzeit in Marseille hatte ja zu ersten Erkenntnissen insbesondere durch das Museum im Centre de la Vieille Charité geführt, obwohl die Recherche nicht ganz einfach war.
Am heutigen Tag wollen wir zu einer kleinen Exkursion nach Saint-Rémy-de-Provence aufbrechen, einem Ort etwa 85 Kilometer von Marseille entfernt, wo uns die Ruinen der antiken Stadt Glanum erwarten, die erst im Jahr 1921 durch Ausgrabungen wieder in das öffentliche Bewusstsein vordringen konnten.
Gründung des Ortes als Oppidum durch Salluvier
Die spätere Stadt Glanum wurde von den Salluviern zunächst noch als Oppidum oder Festung auf dem Mont Gaussier gegründet. Eine Trockenmauer umgab einst das zwanzig Hektar große Gelände und sperrte den Pass durch die Alpilles.
Glanum hatte also schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel, als im 1. Jahrhundert v. Chr. nachweislich die Römer dort die Herrschaft übernahmen. Die griechische Agora wurde in zwei Bauphasen zum römischen Forum umgewandelt, es entstanden Thermen, Triumphbogen und Tempel.
All das geschah nicht zuletzt deshalb, weil Kaiser Augustus die Stadt in den Rang einer römischen Kolonie erhob. Sein Schwiegersohn Agrippa soll sogar in Glanum geweilt haben und ließ dort einen Tempel errichten.
Monumente und Zweckbauten durch die Römer
Die Römer übernahmen Schrein und Heiligtum und ebenso eine Dreiheit lokaler Müttergöttinnen, denen sie die Bezeichnung Glanicae gaben. Sie wurden mit den Matronen identifiziert. Die Göttinnen Epona und Rosmerta und der Gott Merkur waren ebenfalls präsent. Die einst griechische Agora machte in zwei Phasen einem römischen Forum Platz.
Der eindrucksvolle Torbogen von Glanum (12,50 m lang, 5,50 m breit, 8,60 m hoch) stammt aus der späten Regierungszeit des Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) und macht ihn damit zu einem der ältesten in Gallien. Er zeigt gallische Gefangene, die von den siegreichen Römern in Ketten abgeführt werden. Sein oberer Teil wurde im 18. Jahrhundert in Form eines Giebeldaches umgestaltet und mit Steinplatten abgedeckt, um ihn gegen Regen zu schützen. Dies gab ihm seine etwas merkwürdige Form.
Die Form des Monuments ist ungewöhnlich. Das Piedestal ist an allen vier Seiten mit Reliefs geschmückt, die historische und mythische Motive wiedergeben. Die Darstellungen zeigen die folgenden Szenen:
Nord: Eine Kavallerieschlacht (unbekannten Datums und Ortes, möglicherweise mythisch)
Ost: Inspiriert durch den mythischen Krieg zwischen den Griechen und den Amazonen zeigt es einen Krieger, der Trophäen seines toten Feindes nimmt.
West: Eine Szene aus dem Trojanischen Krieg mit dem Kampf um den Leichnam des Patroklos.
Über dem Piedestal befindet sich ein vierfacher Torbogen, der an einen Triumphbogen erinnert. Ort und Gestaltung haben vermuten lassen, dass das Monument auf die möglicherweise militärischen Verdienste des Vaters der Julier Bezug nimmt, derentwegen er das römische Bürgerrecht erhalten haben könnte. Das Kenotaph wird von einer Struktur bekrönt, die an einen Rundtempel oder eine Tholos erinnert und in der zwei Togastatuen aufgestellt sind (heute Kopien), möglicherweise Vater und Großvater der Stifter.
Systematische Ausgrabungen in Glanum ab 1921
Die Funde der Grabungen in Glanum befinden sich zum großen Teil in Saint-Rémy im Hôtel de Sade, das im 15. Jahrhundert von einer reichen Färberfamilie aus Avignon anstelle eines älteren Herrschaftshauses errichtet wurde und in dem sich heute ein Archäologisches Museum befindet. Vor Ort gibt es ein Besucherzentrum, in dem die Grabungsstelle auch didaktisch aufbereitet ist.
Die Ausgrabungen haben ein Wohnviertel mit Häusern mit zentralen, von Säulen umgebenden Höfen zutage gefördert, sowie Straßen mit Abwasserkanalisation, Mosaiken, Thermen und das Forum.
1564 besichtigte der französische König Karl IX. Triumphbogen und Mausoleum. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden in diesem Bereich Münzen und Skulpturen gefunden, im 19. Jahrhundert begann der Marquis de Largoy, die Talmulde zu erforschen.
Ein absolut lohnendes Ziel, wenn man sich für die Stätten der antiken, städtebaulich und infrastrukturell, so begabten und ihrer Zeit weit voraus agierenden Römer mit ihrer Vielzahl an Göttern interessiert. Kein Vergleich zu den erbärmlichen, von Seuchen heimgesuchten Städten des europäischen Mittelalters. So kommt immer wieder die Frage auf: Wie kann es sein, dass bereits vorhandene Kultur und Infrastrukturwissen aus dem Leben der Menschen und besonders aus den Ideen der Architekten und Bauingenieure verschwinden und die Menschen erbärmliche Lebensumstände im Glauben an nur einen Gott tolerieren.
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