Der Euphrat-Limes, die römische Grenzsicherung im Osten
- Geschrieben von Portal Editor
Wenn der Begriff „Limes“ fällt, denkt fast jeder sofort an die römische Verteidigungsanlage, die vom Rhein zur Donau verlief und die Grenze des Römischen Reiches zum „Freien Germanien“ darstellte, vielleicht auch an den Hadrianswall, der England und Schottland trennte.
Dass es auch eine lange Grenzlinie im Osten des Reiches gegen Parther und Sassaniden zu verteidigen galt, eine Grenze, die vielleicht noch wichtiger war als der germanische Limes, kommt uns weniger ins Bewusstsein. Und dennoch: Es bestand ein ausgedehnter und stark gesicherter Limes (Grenzverlauf) vom Trabzon (Trapezunt) am Schwarzen Meer über den Pontischen Taurus (Zigana-Pass) hinweg zum Oberlauf des Euphrat, dann den Flussverlauf weitgehend nutzend bis hinunter in das syrische Tiefland unter Einschluss der wichtigen Oasenstadt und Residenz Palmyra und quer durch die syrische Wüste, bis er schließlich bei Aqaba das Rote Meer erreichte.
Man darf sich diesen Limes allerdings nicht als eine geschlossene Grenzbefestigung wie den Limes in Deutschland vorstellen, war doch der Euphrat streckenweise selbst infolge der auffälligen Topographie als Grenze anzusehen. Andererseits verhinderte das bergige Terrain eine geschlossene Grenzziehung.
Der Euphrat-Limes im Osten des Reiches gegen Parther und Sassaniden
Mit dem Eintritt der Römer in die Geschichte Kleinasiens, besonders durch die Erbschaft des Pergamenischen Reiches nach dem Tod Attalos’ III. im Jahre 133 v.Chr. und die weitere Expansion nach Osten, gewann der Euphratals Grenze eine große Bedeutung, vor allem nach der Einrichtung der Provinz Syria durch Pompeius.
63v.Chr. hatte Pompeius den seleukidischen Diadochenstaat als Provinz Syria unter römische Herrschaft gebracht. Eine Legion wurde nach Zeugma, der Hauptstadt des Klientelstaates Commagene, verlegt. Zur Zeit der spätrömischen Republik wurde das Gebiet des mittleren Euphrat zur Grenze zwischen Rom und seinen östlichen Nachbarn, insbesondere den Parthern, mit denen Rom in steter Feindschaft lebte und gegen die die Römer zahlreiche Kriege, auch verlustreiche, führten. Die Verlegung der Legionen unter Augustus und Tiberius an die Euphratlinie bei Zeugma nach der Wiederherstellung der Provinz Syria diente als Schutz gegen die Parther, man selbst hatte keine weiter führenden Expansionspläne. Unter Nero, der gegen die Armenier im Norden Krieg führte, wurde die Grenzlinie ausgebaut und durch Militärposten und kleinere Kastelle gesichert. Unter dem Kaiser Vespasian schließlich wurde 72 n.Chr. der römische Klientelstaat Commagene endgültig annektiert und der Provinz Syria zugeschlagen. Damit war auch der wichtige Euphratübergang bei Samosata fest in römischer Hand, wo ebenso eine Legion stationiert wurde. Mit dem Bau einer Verbindungsstraße nach Zeugma entstanden weitere Kastelle, die zusammen mit den in Zeugma und Raphanaea lokalisierten Legionslagern eine starke Defensivgrenze bildeten. Die Bedrohung der Ostgrenze durch die Parther erfuhr erst seinen Abschluss durch die Eroberung Mesopotamiens durch den Kaiser Marc Aurel und die damit verbundene Verlegung der römischen Ostgrenze nach Osten. Unter seinen Nachfolgern, vor allem Septimius Severus, wurde dieser Prozess abgeschlossen.
Die Grenzziehung am Euphrat verlor dadurch ihre strategische Bedeutung. Mit dem Erstarken des persischen Sassanidenreiches im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. jedoch gewann die Euphratlinie als Rückzugslinie wieder an Bedeutung.
Die Entwicklung der Grenze in Kappadokien
Bis heute ist keines der in der antiken Literatur genannten Kastelle archäologisch ausgegraben worden. Die Entwicklung der Grenze in Kappadokien ist allein aus historischen Erwägungen und anhand topographischer Gegebenheiten genauer zu erschließen.
Der Verlauf der alten römischen Straße zwischen Samosata und Zeugma und hinüber nach Melitene, dem heutigenMalatya, ist vor allem durch die erhaltenen oder in Resten zu erahnenden Brücken und Straßenabschnitte nachvollziehbar. Die Straße von Samosata nach Süden war aus logistischen Gründen ganz nahe am Ufer desEuphrat angelegt worden, so dass z.B. am Steilhang vor Zeugma ein Tunnel durch den Fels geschlagen werden musste, der heute noch zu sehen ist. Antike Meilensteine datieren den Baubeginn in die Zeit vor den flavischen Kaisern, entscheidend ausgebaut wurde das Straßennetz dann aber unter den Severern im 2. Jahrhundert n.Chr.
Neben der militärisch-strategischen Bedeutung der Euphratlinie war diese Region als Durchgangsland zwischen den gebirgigen Landschaften Armeniens bis hin zum Kaukasus im Norden und den Wüstengebieten bis hinunter nach Arabien im Süden geradezu prädestiniert für einen regen Waren- und kulturellen Austausch zwischen Ost und West.
Zeugma (heute: Belkis) war in der römischen Kaiserzeit offensichtlich der wichtigste Übergang über den Fluss
So entwickelt sich zu Beginn des 3. Jahrhunderts die Grenze von Euphrat und Tigris zu einer Kulturgrenze. Aus westlicher Sicht behielt der Euphrat mit seinen Furten im Mittellauf weiterhin eine zentrale
Funktion als Vermittler zwischen dem romanisierten Westen und den anders gearteten östlichen Kulturen, da hier auch der direkte Zugang zu den Mittelmeerhäfen gegeben war.
Zeugma am Euphrat (heute: Belkis) war in der römischen Kaiserzeit offensichtlich der wichtigste Übergang über den Fluss. Hier und bei Samosata im Norden lagen die zentralen Legionslager, von denen aus die Vormärsche gegen die Parther und Sassaniden vorbereitet wurden. So konnte sich unter dem Schutz des römischen Militärs der Handel geographisch breit gefächert entfalten. Hinter den Grenzbefestigungen entstanden Karawanenzentren, so in Antiochia am Orontes, in Palmyra, in Damaskus und Gerasa. Die zentrale Nord-Süd-Achse lief über die nabatäische Hauptstadt Petra bis nach Südarabien.
Samosata und Zeugma - leider von dem gestauten Euphrat überfluteten Legionslager
„Über Jahrhunderte hinweg ist das Gebiet des mittleren Euphrat in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht von eminenter Bedeutung für Orient und Okzident. Ja, man kann sagen, dass diese Region mit ihren zahlreichen Flussübergängen nicht nur die zugänglichste, sondern auch die einzige wirkliche Zone des Kontakts zwischen der römisch-byzantinischen und der parthisch-sassanidischen Welt war.“
(J. Wagner, Die Römer an Euphrat und Tigris, aus: Antike Welt, Sonderheft 1985, S. 14)
Samosata und Zeugma, die beiden auf dem Gebiet der heutigen Türkei liegenden, leider von dem gestauten Euphrat überfluteten Legionslager, haben sehr unterschiedliche historische Hintergründe. Samosata besaß schon vor Einrichtung des Legionslagers eine städtische Siedlung, die durch Inschriften belegt ist. Zeugma war zwar schon in vorrömischer Zeit als Durchgangsstation für militärische Vorstöße bedeutsam wegen der militärisch-strategisch günstigen Lage am wichtigsten Euphratübergang, direkt an der Grenze zwischen Rom und dem parthischen Reich. Der Ort selbst entwickelte sich aber vornehmlich erst in der römischen Kaiserzeit. Er ist für uns heute dadurch bekannt geworden, weil mit dem Bau des Birecik-Staudamms in der römischen Siedlung Notgrabungen durchgeführt wurden und dabei ein unglaublicher Schatz an Mosaiken in den römischen Villen entdeckt worden ist, die in den Jahren nach 1992 geborgen werden konnten und heute in einem eigens dafür gebauten modernen Museum in Gaziantep, das im Jahre 2011eröffnet worden ist, ausgestellt sind. Es ist dies weltweit die zweitgrößte Mosaikensammlung neben der im Museum von Tunis. (s. Artikel über die Mosaiken von Zeugma).
Bitte lesen Sie auch: