Der sagenumwobene Xerxes-Kanal von Chalkidiki
- Geschrieben von Portal Editor
Unsere Erkundungen auf der Halbinsel von Chalkidiki hatten uns zwangsläufig auch zu den geschichtlichen Hintergründen der Feldzügen des Xerxes geführt, der als achämenidischer Großkönig und ägyptischer Pharao von 486 bis 465 v. Chr. das riesige Perserreich regierte.
Herodot bereits schilderte in seinen Historien über die Perserkriege, dass der unter Dareios I. dienende persische Feldherr Mardonios bei seinem Feldzug gegen Thrakien und Makedonien im Jahr 492 v. Chr. einen großen Teil seiner Flotte bei der Umrundung des Berges Athos in einem Sturm verloren hatte. Nachdem die Strafexpedition des Dareios gegen Griechenland 490 v. Chr. in der Schlacht bei Marathon gescheitert war, verwirklichte Xerxes später dessen Vorstellungen von einem weiteren Feldzug gegen die Griechen.
Xerxes war um 519 v. Chr. als Sohn ebendiesen persischen Großkönigs Dareios I. und der Atossa, einer Tochter Kyros’ II., geboren. 486 v. Chr. trat er als Großkönig die Nachfolge seines Vaters an, obwohl er drei ältere Brüder aus der Ehe des Dareios mit einer Tochter des Gobryas hatte. Zu Beginn seiner Herrschaft bekämpfte Xerxes erfolgreich Aufstände in Ägypten, das sich unter Psammetich IV. vom Perserreich gelöst hatte, und Babylonien, bevor er sich dann 483 v. Chr. Griechenland zuwandte.
Bei der Vorbereitung seines Feldzuges gegen die Griechen veranlasste Xerxes I. deshalb den Bau eines Kanals durch den Isthmus von Athos, um eine Wiederholung dieser Katastrophe seines Vater bzw. des Feldherrn zu vermeiden. Die Bauarbeiten unter Bubares und Artachaies dauerten fast drei Jahre. Die Arbeitskräfte wurden aus den verschiedensten Völkern und aus der Umgebung des Berges Athos zwangsrekrutiert. Zunächst begann man mit den Kanalarbeiten entlang einer über den Isthmus gezogenen Linie, indem der Aushub von den Arbeitern an der Grabensohle in einer Art Eimerkette zu anderen Arbeitern nach oben befördert wurde. Da dabei zunächst fast senkrechte Böschungen gebaut wurden, rutschte die Erde häufig nach, so dass der Aushub wieder von vorn beginnen musste. Erst die am Bau eingesetzten Phönizier fanden die richtige Methode, indem sie den Aushub auf der doppelten Breite des Kanals begannen und mit zunehmender Tiefe enger werden ließen. Die Breite von 30 m wurde gewählt, um die Fahrt von zwei Triremen nebeneinander zu ermöglichen.
Der Kanal führte am Isthmus der Halbinsel Athos unmittelbar östlich der heutigen Ortschaft Nea Roda vom Golf von Ierissos im Norden zum Singitischen Golf im Süden unmittelbar westlich der Ortschaft Trypiti. Er trennte damit die Halbinsel Athos (den 3. „Finger“) von der übrigen Halbinsel Chalkidiki ab. Der Kanal hatte eine Länge von etwa 2.200 Metern und eine Breite von ungefähr 30 Metern. Herodot meinte später dazu, dass Xerxes mit dem Kanalbau eher seine Macht und Größe demonstrieren und sich ein Denkmal setzen wollte, da man die Schiffe ebenso gut über Land hätte ziehen können. Aber wie so oft in der Geschichte, gab es wohl Ambitionen aus beiden Richtungen. Und vergleichbare Unternehmungen anderer Herrscher sollten folgen: der Plinius Kanal.
Ein weiteres Großprojekt im Rahmen des Feldzugs gegen die Griechen waren die Schiffbrücken über den Hellespont. Eine Anekdote berichtet davon, dass Xerxes bei dem fehlgeschlagenen Brückenbau über die Dardanellen die Meeresenge mit 300 Peitschenhieben bestrafen ließ. Damit wollte er Poseidon dafür bestrafen, dass seine Brücken kurz nach dem Bau durch ein Unwetter zerstört wurden.
Nach anfänglichen Erfolgen bei den Thermopylen im Kampf gegen Leonidas erlitt sein Vielvölkerheer, das von Historikern auf maximal 100.000 Soldaten geschätzt wird, in der Seeschlacht von Salamis gegen die von Themistokles geführte griechische Flotte eine entscheidende Niederlage. Die Annahme von 100.000 Soldaten als Heeresstärke ist wahrscheinlich ein Überlieferungsfehler, da in die Kontingente auch Hilfskräfte, Arbeiter, andere Personen und sogar ganze Bevölkerungsgruppen einberechnet wurden.
Xerxes zog sich nach der Niederlage von Salamis in seine Hauptstadt Susa zurück und verfolgte die Niederlage seines Landheers bei Plataiai nur noch aus der Ferne, griff aber selbst nicht mehr ins Geschehen ein. Da Xerxes – im Gegensatz zu seinen Vorfahren – nie im Kampf ein Schwert führte, beauftragte er mit der Kriegsführung fähige Strategen, die mit genügend Erfahrung ausgestattet waren, wie beispielsweise Mardonios, dem er das Landheer beim Zug gegen Griechenland anvertraute, oder seinen Halbbruder Achaimenes, der für ihn 484 v. Chr. den Aufstand in Ägypten niederschlug.
Zeitgenössische Geschichtsschreiber und Autoren, so zum Beispiel der griechische Dichter Aischylos, führten die Misserfolge des Xerxes unter anderem auf seine mangelnde Besonnenheit und fehlende religiöse Toleranz zurück, deren Ursachen nach heutiger Einschätzung vermutlich die Einflussnahme seiner Mutter Atossa und die Erstarkung der Magier waren. Auf seinem Zug nach Griechenland ließ Xerxes I. in Troja haltmachen und sich vom Trojanischen Krieg berichten. Daraufhin sollen – im strengen Gegensatz zur Lehre Zarathustras – 1000 Rinderopfer dargebracht worden sein.
Bei der Plünderung Athens 480 v. Chr. ließ Xerxes die schönsten Exponate nach Persepolis und Susa überführen und dort aufstellen, darunter die Skulpturen der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton. Xerxes widmete sich der Errichtung von Kolossalbauten in Persepolis und Susa. In Persepolis vollendete er die von seinem Vater begonnene Apadana und errichtete für sich selbst einen großen Palast, zudem begann er mit dem Bau des Hundertsäulensaals.
Heute ist der Kanal verlandet, seine Lage am Boden ist kaum noch, auf Satellitenaufnahmen aber noch gut zu erkennen. Untersuchungen durch britische und griechische Archäologen und Geophysiker in den Jahren 1991 bis 2001 erbrachten den Nachweis der tatsächlichen Existenz des Kanals, die lange angezweifelt worden war. Der Kanal wurde demnach fertig gestellt, aber nach dem Feldzug wohl nicht mehr benutzt und verfiel deshalb bald danach.
Bitte lesen Sie auch:
Auf Römer Spurensuche in Thessaloniki
Die imposante Rotunda von Thessaloniki
Wir empfehlen den Reiseführer Chalkidiki, bitte folgen Sie dem Link!
Hier direkt zur Bestellseite: Reiseführer Chalkidiki
Doch auch die Ausflüge in die Unterwelt bei Petralona sowie die besten Beispiele antiken Städtebaus in Olimbiada haben ihren besonderen Reiz.
Autor Andreas Neumeier ist seit Jahrzehnten in Griechenland unterwegs. Unser Chalkidikí-Reiseführer in der neunten Auflage versammelt seine Erfahrungen auf 296 Seiten, illustriert mit 159 Farbfotos. Alles akribisch vor Ort recherchiert und für Sie ausprobiert. Dank 39 Karten inklusive Karte der Innenstadt und Metro in Thessaloníki sind Sie optimal orientiert. Neun Wanderungen und Touren führen Sie auf Ihrer Reise auf eindrucksvollen Routen in fast jeden Winkel der Halbinsel Chalkidikí.
Andreas Neumeier, 296 Seiten, farbig, 9. Auflage 2022, 18,90 EUR (D), 19,50 EUR (A), 27,90 CHF ISBN 978-3-95654-924-3