Der “Goldene Apfel” Wien - Türkenbelagerung
Der Begriff „Goldener Apfel“ taucht in einigen mythologischen Erzählungen des Altertums immer wieder einmal auf, so auch in der griechischen Mythologie als ewige Jugend spendende Frucht.
Nirgendwo allerdings war dieser Begriff von so immenser Bedeutung wie in der osmanischen Tradition, stand „Goldener Apfel“ doch als Synonym für die vier christlichen Hauptstädte, die bis zu dem Zeitpunkt noch nicht von den Osmanen erobert werden konnten: Konstantinopel, Buda, Wien und Rom. Alle diese genannten Städte galten als von der goldenen Weltkugel bekrönt.
Zunächst wurde nur Konstantinopel mit dem Synonym „Der Goldene Apfel“ bezeichnet. Mit der Eroberung Konstantinopels durch den osmanischen Sultan Mehmed II an der Spitze eines 50.000 – 100.000 Mann starken Belagerungsheeres, dem nur etwa 6.000 – 10.000 Verteidiger unter Kaiser Konstantin XI entgegenstanden, war das Ende des Byzantinischen Reiches im Jahr 1453 eingeläutet. Mit der Umbenennung Konstantinopels zu Istanbul fiel das Attribut „Der Goldene Apfel“ dann natürlich weg. Als zu osmanischer Zeit nächste bedeutende Machtzentren galten von nun an Buda, Wien und Rom, die es als primäre Ziele im expandierenden Reich der Osmanen zu erobern galt. Schnell erhielt jetzt Wien das Attribut „Der Goldene Apfel“ und behielt es bis zur zweiten gescheiterten Belagerung.
Im Jahr 1361 hatte das Osmanische Heer Adrianopolis einnehmen können und die Schlachten an der Mariza im Jahr 1371 und auf dem Amselfeld im Jahr 1389 gewonnen. Auch eine zweite Schlacht auf dem Amselfeld bei Nikopolis im Jahr 1396 gewannen die Osmanen, womit sie sich als bedeutende Militärmacht auf dem europäischen Boden etablieren konnten. Mit diesen Siegen wuchs der Expansionsdrang stetig weiter an und wurde somit zur dauerhaften Gefahr für die abendländischen Staaten, was mit dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453, der letzten verbliebenen Machtposition in Kleinasien und dem Zerfall des Byzantinischen Reiches noch verstärkt wurde. Unter der Führung Sultan Süleyman, der seit 1520 regierte, wurde dann Ungarn Ziel der Expansionspolitik. Bereits 1521 gelang Sultan Süleyman die Eroberung Belgrads, 1526 ein entscheidender Sieg über den ungarischen König Ludwig II bei Mohács. Mitte 1529 rückte ein großes Heer unter Leitung von Sultan Süleyman nach Ungarn ein und installierte König Johann im besetzten Buda als Thronfolger, womit Ungarn zum Vasallenstaat des Osmanischen Reiches wurde.
Mit diesen erfolgreichen Siegen zog es Sultan Süleyman und sein Heer weiter nach Nordwesten und er drang über Komorn und Preßburg nach Wien vor, was er im September erreicht hatte. Ob Süleymans Bestreben tatsächlich die Eroberung des „Goldenen Apfels“ Wien war oder er mit der späteren Belagerung nur seinen Machtanspruch auf Ungarn festigen wollte, ist in der Wissenschaft umstritten. Unumstritten ist jedoch die erste erfolglose Belagerung Wiens vom 27. September bis zum 14. Oktober 1529.
Während der Reisen des Evliya Çelebi, der im 16. Jahrhundert im Auftrag des Sultans durch viele Länder reiste und seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Entdeckungen in seinen Reisebüchern festhielt, war auch Wien, dem „Kizil Elmar“ (Goldener Apfel) ein bedeutsames Ziel für Evliya Çelebi. In seinem VII. Buch beschreibt er seine Erkenntnisse sehr umfassend und ausschmückend, was auch unter Einbindung und Nutzung fremder Geschichten oder Erzählungen als für ihn typisch anzusehen war. Vor diesem Hintergrund sind viele Geschichten in seinen Büchern bei Historikern nicht unumstritten. Als im Jahr 1975 der Historiker Karl Teply im kaiserlichen Hofkammerarchiv eine Spesenrechnung mit namentlicher Erwähnung von Evliya Çelebi gefunden hatte, wurden die Erzählungen des Reisenden zumindest teilweise nachvollziehbar. Er war tatsächlich als Begleiter des Osmanischen Großbotschafters Kara Mehmed Pascha im Jahr 1665 in Wien gewesen. Die Reisegesellschaft des Großbotschafters war entlang der Donau über die Orte Ofen, Komorn, Raab, Bruck an der Leitha und Schwechat bis nach Wien gereist.
Evliya Çelebi berichtet von 360 Kirchen und von 470 Türmen in der Stadt Wien, schildert phantasievoll weitere Gebäude und beschreibt vor allem auch die Festungsanlagen in der Stadt. Man könnte ihn also auch als Spion bezeichnen. Ausführlich berichtet Evliya Çelebi über die Streitigkeiten zwischen dem Großbotschafter und dem Kaiserhof hinsichtlich des amtlichen Protokolls. Auch von der Schönheit der Knaben und Mädchen berichtet er sehr umfassend und begeistert. Mit besonderer Verwunderung registriert Evliya Çelebi den höflichen Umgang mit den Frauen, den er wie folgt beschreibt:
“Eine ganz seltsame Sache ist das. In diesem Land und überhaupt im ganzen Giaurenreiche führen die Weiber das große Wort und man ehrt sie und achtet sie um der Mutter Maria willen.”
Auch die Zweite Wiener Türkenbelagerung blieb erfolglos. Während der Zeit vom 14. Juli bis zum 12. September des Jahres 1683 belagerte das Osmanische Reich die Stadt Wien erneut. Mit dem Eintreffen eines Ersatzheeres und der sich anschließenden Schlacht am Kahlenberg zogen sich die Osmanischen Truppen weit zurück, so das die Residenzstadt des römisch-deutschen Kaisers unbesetzt blieb und das Synonym „Goldener Apfel“ erhalten blieb.
Mythologie oder Geschichte?
„Als Sultan Süleyman die Festung Wien belagerte, tat es ihm leid, den herrlichen Turm der Stephanskirche, der doch einmal ein Minarett sein würde, zu beschießen. Aber er sollte bis dahin sein Wahrzeichen tragen. Er ließ eine massive Kugel aus zwei Zentnern puren Goldes anfertigen und sandte sie mit dem Befehl in die Stadt, sie auf die Spitze des Turmes zu setzen. Noch in der nämlichen Nacht vollzog der irrgläubige König das Gebot, und seither heißt Wien der Goldene Apfel der Deutschen und Ungarn. Als der Sultan wegen plötzlichen Einbruchs des Winters die Belagerung aufheben musste, ließ König Ferdinand sofort über dem Apfel einen goldenen Mond und eine Sonne aus Silber aufpflanzen. Der Sultan erfuhr davon und zwang durch einen Feldzug, in dem er dem anmaßenden Giauren König 176 Burgen entriss und seine Länder schrecklich verheerte, Sonne und Mond wieder herab zunehmen. Später brachen die Giauren erneut den Vertrag, indem sie unter dem Vorwand, nur eine Windfahne aufzusetzen, ein goldenes Kreuz anbrachten. Aber gewiss wird sich noch einmal dereinst ein kriegerischer und hochmögender Großherr wie Sultan Süleyman finden, der auch dieses Kreuzrad von der Kugel herabholt.“
Quelle: Kreutel, Richard F., Im Reiche des goldenen Apfels (Osmanische Geschichtsschreiber, Bd. 2), Graz 2. A. 1963, S. 122 ff.
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