Aus den öffentlichen Medien wohl jedem Leser und Hörer bekannt, soll entsprechend dem Kalender der Maya am kommenden 21. Dezember 2012 der Erde ein jähes Ende drohen.
Ob nun in Form einer Apokalypse unvorhersehbaren Ausmaßes oder gravierender Naturereignisse, hier gehen die Prognosen der Verschwörungstheorien und Esoteriker allerdings weit auseinander. Und all das, weil der Maya –Kalender an diesem Tag endet?
Das türkische Dorf Şirince nahe Izmir
Eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Menschen glaubt an diese Theorien und folgt den Botschaften, dass nicht jeder Ort dieser Erde vom Untergang bedroht ist. Was liegt also näher, als die Flucht in einen dieser vom Weltuntergang verschonten Orte zu vollziehen. In dem jetzt aktuellen Untergangs-Szenario (im Laufe der Geschichte hat es mehrfach solche Prognosen gegeben), sind es zwei kleine, bisher fast unbekannte Orte, die aufgrund bestimmter Phänomene verschont bleiben sollen: das Dorf Bugarach in den französischen Pyrenäen und das türkische Dorf Şirince nahe Izmir. Dem französischen Dorf Bugarach sagt man unter anderem nach, das im Berg nahe dem Dorf ein UFO von Außerirdischen versteckt sei, das zur Rettung der dortigen Menschen genutzt werden wird.
Dem nur 570 Einwohner zählendem Dorf Şirince sagt man nach, das „Die Energie von Şirince sehr mächtig sei. Diese Energie wird die anwesenden Menschen an einen anderen Bestimmungsort im Kosmos bringen“. Angeblich sollen diese Energien darauf zurück zu führen sein, dass hier die Jungfrau Maria gen Himmel gefahren sei. Die Nähe zum nur wenige Kilometer entfernten angeblichen Sterbehaus der Mutter Maria auf dem Bülbül Dağı und nach Selcuk und Ephesus bilden die Basis dieser Theorien.
Das Dorf verfügt mittlerweile über 400 Gästebetten
Besonders Şirince trifft der Boom der Touristen des Weltuntergangsszenarios mit aller Macht, sind doch bereits seit Wochen alle Unterkünfte komplett ausgebucht. Dabei ist das kleine, erst seit wenigen Jahren vom Tourismus entdeckte Şirince eigentlich als urtümliches Weindorf bekannt geworden. Insbesondere für seine schmackhaften Frucht- und Dessertweine berühmt, nahm die Zahl der anreisenden Gäste stetig zu, so dass auch eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden konnte. Immerhin verfügt das Dorf mittlerweile über 400 Gästebetten. Erste mahnende Worte aus den Tourismusbehörden, die Gäste nicht übermäßig auszunutzen, zeigen deutlich von der Größenordnung dieses Szenarios. Mit der zunehmenden Bettenkapazität sind allerdings keine Preisnachlässe sondern erhebliche Preissteigerungen zu verzeichnen. So schlagen momentan die Hoteliers und Gastronomen inŞirince kräftig Kapital aus der Apokalypse-Hysterie, selbst ein „Weltuntergangswein“ wird im örtlichen Handel bereits angeboten.
Günay sieht allerdings nicht den Hintergrund
War es zunächst das Amt für Religiöse Angelegenheiten, das sich zu den Vorgängen in Şirince in Form von Ablehnung gegenüber global beschworenen Weltuntergangstheorien äußerte, schaltete sich nun auch Kulturminister Ertuğrul Günay in das Geschehen ein: „Nach unseren Überzeugungen und wissenschaftlichen Daten gibt es am 21. Dezember keinen Weltuntergang. Doch Leute, die aus dem Grund diese schöne Region besuchen wollen, sind herzlich willkommen.“ Günay sieht allerdings nicht den Hintergrund der Verschwörungstheorien als maßgeblich an, sondern eher die förderlichen Aspekte zum Ausbau des Tourismus: „Grundsätzlich stehe er solchen Verschwörungstheorien nicht im Wege, wenn sie denn auch förderlich für die Wirtschaft seien. Immerhin sei Şirince so nun auch weit außerhalb der Türkei bekannt geworden. Diejenigen, die es nun geschafft hätten, ein Zimmer zu ergattern, würden am 22. Dezember dort sicherlich ein vortreffliches Frühstück zubereitet bekommen“.
Günay weiter: „Ich werde meine Freunde und Kunsthandwerker in Şirince bitten, die Preise nicht anzuheben und keine schlechten Produkte an die Touristen zu verkaufen. Das könnte die Chance sein, denn die Leute könnten die Gegend noch einmal besuchen, wenn sie einen guten Eindruck hinterlassen hat.“ Auch weltbekannte Künstler und Stars mischen sich unter die Weltuntergangstheoretiker, so auch der Schauspieler und Mitglied von Scientology Tom Cruise. Laut der Tageszeitung Sabah wird er den „Jüngsten Tag“ ebenfalls in Şirince verbringen.
Auf Basis des Maya-Kalenders völlig falsch interpretiert
Dabei sei doch die häufig genannte Ursache dieser Weltuntergangsgeschichte auf Basis des Maya-Kalenders völlig falsch interpretiert. So warnen zumindest viele Wissenschaftler vor dem Szenario. Die Mayas hatten eine völlig andere Weltansicht, denn für sie endet mit dem 21.12.2012 nur ein bedeutender Zeitabschnitt, der mit astronomischen Vorgängen unseres Sonnensystems zu tun hat.
Und wie in jedem Szenario von Apokalypsen und Weltuntergangsphantasien gibt es auch hier ein Quäntchen archäologischer Grundlage. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte man bei Bauarbeiten einer Autobahn in Südmexiko das sogenannte „Monument SIX“ der Maya gefunden. In dem noch lesbaren Teil spielt der mysteriöse Maya-Gott Bolon Yokte eine entscheidende Rolle, da er sowohl mit Krieg als auch mit der Schöpfungsgeschichte in Verbindung gebracht wird, denn er spricht von einem erwarteten Großereignis 2012. Leider ist danach die Botschaft kaum noch lesbar, so dass man wiederum über den weiteren Inhalt nur Vermutungen anstellen kann. Der Archäologe Guillermo Bernal von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko tut dies mit den folgenden Worten: „Er wird vom Himmel heruntersteigen“. Gleichzeitig betont Bernal jedoch auch, dass es weitere Aufzeichnungen der Maya gäbe, die weit über 2012 hinaus sogar bis in das Jahr 4772 Bezug nehmen würden. Seiner Auffassung nach werden „westlich, christliche Konzepte“ auf die Aussagen der Maya projiziert.
Der 13. Baktun endet am 21. Dezember 2012
Die Maya waren bekannt für ihre Leistungen im Bereich der Astronomie, ihre Glanzzeit und Hochkultur erstreckte sich zwischen dem dritten und neunten Jahrhundert nach Christus. Die Astronomie war auch Basis ihres Langzeitkalenders, der auf 394-Jahr-Zyklen basierte, die von den Maya mit Baktuns bezeichnet wurden. Da auch die Zahl 13 für die Maya als heilige Zahl galt, ihr Langzeitkalender, der am 11. oder 13. August 3114 vor Christus beginnt, lag es auf der Hand, diese Daten zu verknüpfen: Der 13. Baktun endet am 21. Dezember 2012.
David Stuart von der Universität Texas, ein Experte für Maya-Inschriften, sagt klar: „Das ist ein spezieller Jahrestag der Schöpfung". Es sei aber nirgendwo zu lesen, dass die Welt zu Ende gehen würde, dass gar eine Apokalypse drohen könnte. Auf dem Monument SIX sei lediglich dieser Jahrestag festgelegt. Das Datum 11. oder 13. August 3114 vor Christus beruht tatsächlich auf Vergleichen von Kalenderangaben aus dem Maya-Kalender mit der christlichen Zeitrechnung, wie sie unter anderem auf kolonialzeitlichen Dokumenten zu finden sind. Ist dieses Startdatum korrekt, endet der Maya-Zyklus tatsächlich am 21. oder 23. Dezember 2012.
Maya-Chronologie muss um 208 Jahre verschoben werden
Gemeinsam mit dem kanadischen Archäologen Bryan Wells kommt der deutsche Vermessungsingenieur Andreas Fuls allerdings zu einem anderen Ergebnis. „Ich habe alte astronomische Daten mit modernen Berechnungen verglichen“, erläutert Fuls im Gespräch und begründet wie folgt: Er wählte 4 unterschiedliche astronomische Ereignisse, die von den Maya in ihrem Kalender aufgezeichnet sind und somit einem Maya-Datum exakt zuzuordnen sind, worunter sich auch eine Venus Finsternis befindet. Mit Hilfe moderner Computertechnik rechnete Fuls die Abfolge dieser Himmelsphänomene der Vergangenheit nach und kam zu dem Entschluss, das nur eine einzige Lösung möglich sei: „Die bisherige Maya-Chronologie muss um 208 Jahre verschoben werden“. Das heißt, die klassische Maya-Kultur datiert nicht von 300 bis 900 nach Christus, wie bislang angenommen wurde, sondern von 500 bis 1100 nach Christus. „Das Jahr 2012 als Apokalypse verschiebt sich folglich ins Jahr 2220“, so Fuls.
Der Weltuntergang lässt also weiterhin auf sich warten.
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