Auf Bildern oder Fotografien des Orients und des Balkans im frühen 19. Jahrhunderts sieht man die Männer in der Regel mit einer speziellen Kopfbedeckung, die mit Fes / Fez oder auch Tarbusch bezeichnet wird.
Diese überwiegend aus rotem Filzstoff hergestellte Kopfbedeckung, die in Form eines Kegelstumpfes ausgeformt und mit schwarzer, blauer oder goldener Quaste ausgestattet ist, beruht auf einer langen Historie, die auf das Jahr 930 zurück geht. (eine arabisch-türkische Kopfbedeckung in der Form eines stumpfen Kegels aus rotem Filz mit Quaste)
Aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen wurde im Jahr 930 der Haddsch für annähernd zwei Jahrzehnte für alle Pilger westlich des Nils nach Fes umgeleitet, womit die Stadt Fes an Bedeutung für die Gläubigen zunahm. Ein Hutmacher aus eben diesem Fes hatte diese neuartige Kopfbedeckung erfunden und kurz darauf wurde sie von Schülern einer Eliteschule als modisches „Outfit“ genutzt. Ab jetzt hatte der Hut auch die Bedeutung von etwas Herausragendem, ja er galt gar als Zeichen von Intelligenz. Nun ging es mit der Ausbreitung dieser neuen Hutform rasant schnell voran. Zunächst Tunesien und Marokko, wurde der Hut wenig später an der gesamten afrikanischen und kleinasiatischen Küste getragen.
Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen gelangte die Kopfbedeckung Fez erstmalig im Jahr 1453 durch Handlungsreisende über Venedig nach Europa, wo sie von Bediensteten schnell als Dienertracht in Mode kam.
Kopfbekleidung im Wandel der Zeit - vom Dreispitz zum Fes zum Hut
Als um 1826 der osmanische Sultan Mahmud II die offizielle Traditionskleidung zu reformieren suchte, war sein ursprünglicher Gedanke den europäischen Dreispitz dieser Zeit als „Dienstbekleidung“ im Osmanischen Reich einzuführen. Seine Berater wiesen ihn jedoch darauf hin, dass wohl eine gewisse Symbolik in dieser Hutform auf die christliche Dreieinigkeit vorhanden sei, weshalb der Dreispitz nicht zu akzeptieren ist. Die Legende besagt, dass in etwa zu dem Zeitpunkt auch eine Schiffsladung Fes-Hüte aus Tunesien eingetroffen war. So war es denn auch nur eine kurze Überlegung und Sultan Mahmud II entschloss sich, ab sofort den Fes für alle Bediensteten als verbindliche Dienstkleidung einzuführen. Die bisher üblicherweise alttürkisch, orientalische Tracht mit Pluderhose und Turban wurde damit, bei Strafe, untersagt. Die neue Kleiderordnung, die zunächst verbindlich für Staatsbedienstete eingeführt wurde, sah somit „Röhrenhosen“ vor, mit dem Fes als passender Kopfbedeckung. Zunächst nur recht widerwillig von der Bevölkerung angenommen, wurde alsbald dem Fes eine Art Rangordnungssystem zu eigen, so dass der Träger anhand der Farbe der Quaste in seiner Bedeutung eingestuft werden konnte. Jetzt hatten alle Bürger, auch die Frauen, den Fes zu tragen. Diese Anordnung galt selbst für nichtmuslimische Bürger. Langsam wurde der Fes damit auch zu einem patriotischen Symbol.
Mustafa Kemal Atatürk bringt die Kopfbedeckung zurück auf die politische Tagesordnung
Fast exakt 100 Jahre später war es Kemal Atatürk, der das Thema „Kopfbedeckung“ wieder auf die politische Tagesordnung brachte. In seinen Augen ein Symbol anachronistischer Rückständigkeit, ließ er im Zuge weiterer Reformen in dem am 30. August 1925 verabschiedeten Hutgesetz, das Tragen des Fes verbieten. In der modernen Welt, der auch die Türkei nun betreten würde, war kein Platz mehr für die orientalische Vergangenheit. Er selbst trug immer einen sogenannten „Panamahut“ kombiniert mit Anzug und Krawatte nach westlichem Vorbild.
Für viele Türken zu dieser Zeit war es eine klare Provokation, als der Hut staatlich verordnet 1925, für jeden verpflichtend, als Kopfbedeckung eingeführt wurde. So wurde Atatürk mit eisigem Schweigen begrüßt, wenn er sich durch Kastamonu amSchwarzen Meer bewegte. Ein heller Sommeranzug, die oberen Knöpfe am Hemd geöffnet, dazu der Panamahut, all die westlichen Utensilien, die in dem erzkonservativen Städtchen Kastamonu auf Unverständnis und Missbilligung stießen. So jemanden muss man nicht noch begrüßen.
"Meine Herren", begann der erste Präsident der Türkei, der gern mit Atatürk, Vater der Türken, bezeichnet wurde. "Das", sagte er, "das nennt man einen Hut", womit er auf seine Kopfbedeckung hinwies. Und ab sofort ist der Hut die vorgeschriebene Kopfbedeckung der Türken. Also erließ er das Gesetz mit der Nummer 671, Paragraf 1 und läutete damit die Hutrevolution ein: "Die Mitglieder des türkischen Parlaments sowie alle staatlichen und regionalen Beamten und Angestellten müssen einen Hut tragen, wie er auch vom türkischen Volk getragen wird. Die allgemeine Kopfbedeckung des türkischen Volkes ist der Hut."
Modernisierung unter Strafandrohung
Neben diesem Gesetz, das Atatürk als Modernisierung des Landes und seiner Bürger bezeichnete, führte er die metrischen Maße und die lateinische Schrift ein, um nur zwei weitere Beispiele der Modernisierung zu nennen. Fes und Turban waren für Atatürk Symbole der Rückständigkeit, der Verhinderung des Fortschritts. Nur wenige Tage nach dem Erlass dieses Gesetzes waren alle Bestände an Hüten in der Türkei ausverkauft. Die seiner Zeit aktuellen Kalabreser und Bowler wurden zwar umgehend nachbestellt, jedoch war der Transport aus Europa zeitaufwendig. Da das Gesetz verabschiedet war und Strafe drohte, behalfen sich vieleTürken mit selbstgebastelten Hüten aus Pappe und Papier. Aufgrund ihrer Tradition gab es allerdings auch zahlreiche Türken, die sich weigerten, ihren Turban abzunehmen und durch einen Hut zu ersetzen. Hier ging das Militär sehr brutal vor und so waren nur wenig später bereits mehr als 80 Hutverweigerer hingerichtet worden. Unter den Anhängern Atatürks kursierte sogar das Gerücht, das Atatürk die Dörfer renitenter Hutverweigerer am liebsten hätte bombardieren lassen. Schon im Jahr 1930 war der Fes fast komplett von der Straße verschwunden.
EU mahnt Gesetzgebungsänderung an
Wiederum fast einhundert Jahre später wird die Diskussion um das Hutgesetz wieder laut, denn es ist Recip Tayyip Erdogan, der dieses Gesetz, das mittlerweile wirklich absurd und als überholt betrachtet werden sollte, endgültig abschaffen möchte. Betrachtet man die Passanten in den Straßen, so ist der Fes fast nur noch als Touristenattraktion im Souvenirhandel erhältlich, der Turban ist, bis auf in einigen Regionen im Osten, fast komplett verschwunden, allerdings findet man auch den Hut zur Kopfbedeckung kaum. Warum also sollte das Gesetz beibehalten werden.
Bereits im Jahr 2004 hatte die Europäische Union einige Gesetzestexte zur Veränderung angemahnt, so auch für das umstrittene Hutgesetz. Damals hatte die Reform dieses Gesetzes dazu geführt, das Hutverweigerer und renitente Turban oder Fes-Träger nur noch mit bis zu 6 Monaten Haft bedroht sind. In der Realität gab es allerdings schon seit Jahren keine Verhaftungen aufgrund eines Verstoßes gegen dieses überholte Gesetz mehr.
Ganz im Gegensatz zu den eingefleischten Kemalisten will die AKP von Tayyip Erdogan dieses Gesetz jetzt endgültig streichen. Neben der Begründung, dass ein Gesetz nicht für alle Ewigkeit Bestand haben muss, ist es die alltägliche Praxis, der man auf der Straße begegnet: Wer trägt überhaupt noch eine Kopfbedeckung? Und wenn, sollte es nicht jedem selbst überlassen sein, womit er sich bedeckt?
Das Gesetz ist weit mehr als nur „ein alter Hut“, es ist rückständig und sollte aus den Gesetzestexten verschwinden.
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