Das Buchenwald-Mahnmal wurde vor 65 Jahren am 14. September 1958 als erstes, großes Nationaldenkmal der DDR eingeweiht. Seine Gestaltung interpretiert die Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald ausschließlich als Sieg des kommunistischen Widerstandes über den Faschismus.
Selbst der Holocaust blieb unerwähnt. Das Mahnmal hatte den Zweck, den demokratisch nicht legitimierten Führungsanspruch der SED historisch zu begründen. Dazu musste die Geschichte entsprechend verzerrt werden. Ein bedeutendes Zeugnis der politischen Funktionalisierung von Erinnerung und Gedenken in der DDR.
Leitmotiv: „Durch Sterben und Kämpfen zum Sieg.“
Hatte es 1945 in Weimar und Thüringen noch verschiedene, pluralistisch orientierte Initiativen überlebender Häftlinge für ein Denkmal gegeben, so wurden Anfang der 1950er Jahre alle Planungen von der SED-Führung in Ost-Berlin zentral gesteuert: Den größten Teil des ehemaligen Lagers mit seinen mehrdeutigen Baulichkeiten ließ das Politbüro der SED abtragen, damit diese die politisch gewollte, viel zu enge und den meisten Opfergruppen nicht gerecht werdende Interpretation nicht störten.
Am Südhang des Ettersberges entstand bei den Massengräbern aus der Zeit des Konzentrationslagers ein weithin sichtbares Monumentaldenkmal. Seine Gestaltung folgte der Ideologie entsprechend dem Leitmotiv: „Durch Sterben und Kämpfen zum Sieg.“ In dieser Erzählung hatte der Holocaust ebenso wenig Platz, wie die Verfolgung von Sinti und Roma, Homosexuellen oder Zeugen Jehovas.
In der 1958 eingeweihten Anlage wird der Besucher entlang von Reliefstelen hinab in die „Nacht des Faschismus geführt, die durch die in das Denkmal integrierten Massengräber symbolisiert wird. Dass in diesen Gräbern vor allem jüdische Menschen verscharrt wurden, die mit Todesmärschen noch kurz vor der Befreiung Buchenwalds dort eintrafen, verschwiegen die Mahnmals Erbauer. Ein „Turm der Freiheit“ mit Glocke beschließt die Denkmalanlage.
Fritz Cremers bekannte Figurengruppe befreiter Häftlinge, aufgestellt vor dem Glockenturm, soll den Sieg über die SS unter Führung der kommunistischen Partei symbolisieren. Es handelt sich dabei um die dritte Fassung der Figurenplastik. Die ersten beiden Entwürfe waren von der SED-Führung abgelehnt und Cremer zur Abänderung genötigt worden. Der tatsächlichen Geschichte entsprechend, hatte Cremer zunächst Häftlinge gezeigt, deren Willen die SS nicht hatte brechen, die aber angesichts der überlegenen Zahl an SS-Männern, diese nicht hätten besiegen können. Diese Darstellung entsprach nicht den ideologischen Bedürfnissen der SED und auch nicht der Kunstdoktrin des „Sozialistischen Realismus“. Sie galt als zu unheroisch. Die Gestaltung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald wurde prägend für die anderen KZ-Gedenkstätten der DDR.
Das Buchenwalddenkmal ist eines der bedeutendsten Zeugnisse für die politische Funktionalisierung von Erinnerung und Gedenken in der DDR. Besonders aufschlussreich ist aber auch die mit ihm verbundene, letztlich gescheiterte Geschichte der Gegenwehr gegen politischen Druck und für künstlerische Qualität. Ein 1999 beim Mahnmal eingerichtetes Museum erzählt davon. Es warnt beispielhaft vor der politischen Instrumentalisierung von Geschichte und deren Missbrauch.
Die Geschichte der Gedenkstätte Buchenwald in unmittelbarer Nachbarschaft Weimars ist geprägt von drei Phasen:
Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945
Im Juli 1937 lässt die SS auf dem Ettersberg bei Weimar den Wald roden und errichtet ein neues KZ. Mit dem Lager sollen politische Gegner bekämpft, Juden, Sinti und Roma verfolgt sowie „Gemeinschaftsfremde“, unter ihnen Homosexuelle, Wohnungslose, Zeugen Jehovas und Vorbestrafte, dauerhaft aus dem deutschen „Volkskörper“ ausgeschlossen werden. Schon bald wird Buchenwald zum Synonym für das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Nach Kriegsbeginn werden Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald verschleppt. Im KZ auf dem Ettersberg und seinen 139 Außenlagern sind insgesamt fast 280.000 Menschen inhaftiert.
Die SS zwingt sie zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Am Ende des Krieges ist Buchenwald das größte KZ im Deutschen Reich. Über 56.000 Menschen sterben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung. In einer eigens errichteten Tötungsanlage werden über 8000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen. Widerstandskämpfer bilden im Lager eine Untergrundorganisation, um das Wüten der SS nach besten Kräften einzudämmen. Gleichwohl wird das „Kleine Lager“ zur Hölle von Buchenwald. Noch kurz vor der Befreiung sterben Tausende der entkräfteten Häftlinge.
Sowjetisches Speziallager Nr. 2 Buchenwald 1945–1950
Das sogenannte Speziallager Nr. 2 Buchenwald ist eines der insgesamt 10 Lager und drei Gefängnisse in der sowjetischen Besatzungszone, die von der Besatzungsmacht zur Internierung von Deutschen benutzt werden. Seit August 1945 führt der sowjetische Sicherheitsdienst die vorhandenen Baulichkeiten des Konzentrationslagers Buchenwald weiter. Vorrangig werden dort lokale Funktionsträger der NSDAP, aber auch Jugendliche und Denunzierte interniert. Jeglicher Kontakt nach außen wird unterbunden, ein auch nur im Ansatz rechtsförmiges Verfahren findet nicht statt. Von den 28.000 Insassen sterben vor allem im Winter 1946/47 über 7000 an den Folgen von Hungerkrankheiten. Im Februar 1950, kurz nach der Gründung der DDR, wird das Lager von den Sowjets aufgelöst.
Jüdisches Mahnmal
Auf der Grundfläche der Baracke 22, eines sogenannten jüdischen Blocks, wurde am 9. November 1993 das „Jüdische Mahnmal“ eingeweiht. Es erinnert an die 75.000 jüdischen Männer und Frauen, die im KZ Buchenwald und seinen Außenlagern inhaftiert waren, an die 11.800 dort ermordeten Jüdinnen und Juden und an die sechs Millionen Toten des Holocaust. Schriftzug: "Auf dass erkenne das künftige Geschlecht, die Kinder die geboren werden, dass sie aufstehen und erzählen ihren Kindern." vor dem jüdischen Mahnmal, 2022.
Um das heutige Erscheinungsbild der Gedenkstätte nicht zu überformen, wurde im realisierten Wettbewerbsentwurf die Grundfläche des Blocks 22 ausgegraben und die Absenkung mit Steinen aufgefüllt. Die Steine stammen aus dem Buchenwalder Steinbruch, in dem die jüdischen Gefangenen Zwangsarbeit verrichten mussten.
Die Absenkung legt eine Wand frei, in die Ölbaumholz aus Israel eingegossen ist. Die Inschrift besteht aus Buchstabenblöcken, die über die gesamte Länge in den Boden eingelassen sind. Sie ist, wie das Mahnmal, nur durch Umrunden und Abschreiten zu erfassen.
Die Inschrift (Psalm 78,6) in Englisch, Hebräisch und Deutsch lautet: „Auf daß erkenne das künftige Geschlecht, die Kinder, die geboren werden, daß sie aufstehen und erzählen ihren Kindern“. Der Entwurf stammt von der Künstlerin Tine Steen und dem Architekten Klaus Schlosser (© Gedenkstätte Buchenwald).
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