Es gibt zahlreiche Gründe einen Besuch in Naumburg einzuplanen, denn da ist nicht nur eine imposante Altstadt mit zahlreichen historischen Gebäuden wie dem Naumburger Dom, das Nietzsche-Haus, das Marientor als seltene Barbakane und die Stadtkirche St. Wenzel, wir sehen an dieser Stelle von den Weinbergen und dem Probieren der daraus gewonnenen, erlesenen Weine einmal ab.
Klein in der noch bestehenden Anlage aber doch recht imposant gibt es ein weiteres Highlight mit der „Wilden Zicke“, der historischen Straßenbahn.
Etwas mehr als die Hälfte der Strecke in Betrieb
Die heute noch betriebene Strecke mit einer Länge von derzeit nur noch etwa 2,9 Kilometer verläuft vom Hauptbahnhof zur nordwestlichen Ecke der historischen Altstadt, umrundet sie entlang des ehemaligen Mauerrings nördlich und östlich und endet an dessen Südwest-Ecke. Die zentralen touristischen Attraktionen der Stadt Markt, Altstadt und Dom werden somit nur umfahren, was einen bedeutenden Nachteil in der Netzstruktur darstellt. Einst war der gesamte Ring rund 5,4 Kilometer lang. Aktuell ist mit dem Abschnitt Hauptbahnhof–Salztor nur noch etwas mehr als die Hälfte der ehemaligen Ringstrecke in Betrieb. Auf einem Teil des vormaligen äußeren Rings zwischen den früheren Haltestellen Salztor und Moritzplatz sind die Schienen noch unter den Asphaltdecken der Straßen erhalten und könnten so Gegenstand späterer Gleisarchäologie werden, was eigentlich schade ist.
Kaum noch sichtbar ist der aufgegebene innere Ringabschnitt durch die Innenstadt über Postring, Lindenring, Herrenstraße, Markt, Jakobstraße zum Theaterplatz (heute Curt-Becker-Platz), welcher bis April 1976 befahren wurde. An einigen Stellen in der Stadt findet man noch Gleisreste, so unter anderem am Postring und auf dem Markt. Im Jahr 2006 fuhr die Straßenbahn erstmals wieder an jedem Wochenende von Ostern bis Oktober, am 31. März 2007 wurde der tägliche Verkehr wieder aufgenommen. Der Betrieb wurde unter dem Namen Naumburger Touristen Bahn zunehmend erfolgreich vermarktet, obwohl auch von den Einheimischen zunehmend stark genutzt.
Konzepte zur Wiederherstellung der Ringstrecke
Im Zuge von Straßenbauarbeiten zwischen Michaelisstraße und Moritzplatz 2007/2008 wurde auch hier zwischenzeitlich alles demontiert und bei der Neugestaltung der Straßen kein Ersatz mehr vorgesehen. Somit enden die noch vorhandenen Gleise unter der Bitumendecke am Othmarsfriedhof.
Auf dem Hauptbahnhofsvorplatz wurde bei dessen Umbau die zweigleisige Haltestelle zunächst entfernt und vor das benachbarte „Hotel Kaiserhof“ verlegt. 2018 wurde eine neue eingleisige Haltestelle vor dem Bahnhof errichtet.
Eine Überprüfung durch die Verkehrsbehörden in den Jahren 2003 bis 2006 ergab, dass die noch vorhandenen und außer Betrieb gesetzten Gleise aus der Zeit vor 1990 nicht mehr den aktuellen Sicherheitsrichtlinien entsprechen und getauscht werden müssten.
Nachdem zwischen März 2007 und März 2008 mehr als 73.400 Fahrgäste die Straßenbahn im Linienverkehr nutzten, wurde dann der tägliche Betrieb verlängert. Durchschnittlich beförderte die Straßenbahn damit über 200 Personen pro Betriebstag. Ab dem Jahresende 2009 fuhr die Bahn innerhalb eines vom Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützten Modellversuchs, nachdem die Kundenzahl auf über 120.000 gestiegen war. Die Förderung lief allerdings zum 30. April 2010 aus.
Im Oktober 2020 wurde eine vom Burgenlandkreis bei der TU Braunschweig in Auftrag gegebene Studie vorgestellt. Darin wurden drei Varianten geprüft, wie die Straßenbahn Naumburg wieder zu einer Ringbahn aufgewertet werden kann. Eine Variante der Untersuchung führte vom Salztor über die Weimarer Straße, Moritzberg und Markgrafenweg zum Hauptbahnhof und entspräche damit etwa der alten Ringstrecke. Die zweite Variante führt über Kramerplatz, Freyburger Straße, Moritzplatz und dann weiter wie Variante 1 zum Hauptbahnhof. Die dritte Variante führt recht kurz vom Salztor über Kramerplatz, Lindenring und Postring zum Depot und entspräche damit ab Lindenring der Strecke, die bereits 1976 eingestellt wurde. Die TU Braunschweig befürwortet die zweite Variante, durch die auch der Dom unmittelbar angebunden werden würde. Noch Jahre danach standen die verschiedenen Varianten in den Gremien der Stadt zur Diskussion.
Diskussion um Höhe eines Kauf-Übernahmepreises
Jetzt steht der Weiterbetrieb der Naumburger Straßenbahn auf der Kippe und der Burgenlandkreis will die Landesregierung um Hilfe bitten. Hintergrund ist die mögliche Übernahme der Bahnen durch den Landkreis. Demnach will der Burgenlandkreis Anteile des privaten Betreibers, der Naumburger Straßenbahn GmbH (NSB), übernehmen. Dafür verlangt die NSB bis zu 1,1 Millionen Euro, was der Kreistag zuletzt ablehnte. Die Straßenbahn GmbH spricht in einer Presseerklärung davon, der Landkreis würde das Unternehmen zum Verkauf drängen. Gleichzeitig sei der angebotene Kaufpreis zu gering. Der Burgenlandkreis bestätigte, dass man sich während der Verhandlungen auf keinen Kaufpreis einigen konnte, der den privaten Gesellschaftern zugutegekommen wäre.
Der Burgenlandkreis hatte sich laut eigener Erklärung zunächst bereit erklärt, die jährlichen Defizite der Straßenbahn in sechsstelliger Höhe zu tragen. Die Stadt Naumburg wollte zudem die Infrastruktur (Schienennetz und Depot) weiter finanzieren. Am Ende habe man aber mit den privaten Gesellschaftern noch keine Lösung finden können.
Im Interesse der Allgemeinheit der Nutzer, aber auch des Tourismus als Wirtschaftsfaktor und insbesondere für eine funktionierende, attraktive Infrastruktur sollte es doch möglich sein, hier eine einvernehmliche Lösung zu finden, zumal über viele Jahre bereits ein Lastenausgleich stattgefunden hat.
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