Türkei will Berliner Sphinx zurück
Im Berliner Pergamon-Museum lagern Kunstschätze, die die Türkei für sich beansprucht. Das Berliner Pergamon-Museum soll eine hethitische Sphinx zurückgeben - sonst dürfen deutsche Archäologen in der Türkei nicht mehr graben.
Das Ultimatum markiert eine neue Eskalation im seit Jahrzehnten schwelenden Streit.
Im Streit um die Rückgabe von archäologischen Kunstschätzen aus europäischen Museen zieht die Türkei die Daumenschrauben an – und beginnt dabei mit Deutschland. Wenn das Pergamon-Museum in Berlin nicht die hethitische Sphinx von Hattuscha herausgebe, dann werde dem Deutschen Archäologischen Institut die Grabungslizenz für Hattuscha entzogen, kündigte der türkische Kulturminister Ertugrul Günay jetzt an. Das Ultimatum markiert eine neue Eskalation im seit Jahrzehnten schwelenden Streit um zahlreiche anatolische Kunstschätze in europäischen Museen, bis hin zum Pergamon-Altar selbst. Dabei könnten außer der Ausgrabung in Hattuscha auch andere deutsche Grabungen in Gefahr sein; das DAI gräbt in der Türkei unter anderem in Pergamon und in Milet.
Seit mehr als hundert Jahren forschen deutschen Archäologen in Hattuscha, der einstigen Hauptstadt des Hethiterreiches in Zentralanatolien - es ist die bedeutendste deutsche Ausgrabung der Bronzezeit im Vorderen Orient. Zwischen 1915 und 1917 brachten die deutschen Forscher dort zwei besonderes prächtige Fundstücke – zwei mächtige steinerne Sphingen von einem Tor in der Stadtmauer – nach Berlin, um sie dort zu restaurieren. Nach der Restaurierung wurde nur eine der beiden Figuren in die Türkei zurückgebracht; die andere Sphinx nahmen die Deutschen gewissermaßen für ihre Arbeit in Zahlung und behielten sie in Berlin. Der Streit darüber, ob das rechtens war, tobt nach fast einem Jahrhundert noch immer – und erreicht mit dem türkischen Ultimatum nun eine neue Qualität.
Die Sphinx von Hattuscha führt eine lange Liste von anatolischen Kunstschätzen aus mehreren Jahrtausenden an, die in europäischen Museen und amerikanischen Sammlungen verstreut sind – darunter der trojanische Priamus-Schatz in Moskau, das Markttor von Milet in Berlin, die Jupiter-Statue von Smyrna in Paris, der Löwe von Knidos in London und tausende weitere Schätze. Viele dieser Fundstücke wurden mit Genehmigung der osmanischen Behörden ausgeführt; umstritten ist in diesen Fällen, ob Kulturschätze aufgrund solcher – teils unter zweifelhaften Bedingungen erteilten – Genehmigungen für immer von ihrem Herkunftsort getrennt werden dürfen. Der Fall der Sphinx ist aber besonders kontrovers, weil für sie keine Ausfuhrgenehmigung vorlag.
Der türkische Kulturminister Günay hatte wegen der Sphinx in diesem Frühjahr wieder in Berlin vorgesprochen und dabei offenbar schon angedeutet, dass er sonst zu Konsequenzen für die deutschen Grabungen entschlossen sei – doch erneut vergebens. Nun macht der Minister ernst. Wenn Deutschland die Sphinx nicht zurückgebe, dann werde er die Grabungslizenz für Hattuscha annullieren, zitierte ihn die Zeitung „Aksam“ am Montag. Die Einwände der Berliner Museumsleitung, dass die Sphinx in der Türkei nicht fachgerecht erhalten werden könne, wies Günay kürzlich in einem türkischen Interview zurück. „Wir haben ein schönes neues Museum in Corum“, wo Hattuscha liegt, sagte Günay der Zeitung „Habertürk“. „Und wir renovieren gerade das Museum von Hattuscha, damit wir der Welt sagen können: ‚Wir können unsere Kunstgegenstände ebenso gut erhalten wie ihr.’“
Türkei untersagte deutsche Ausgrabungen (02.08.2007)
Deutsche Archäologen durften kurzzeitig keine Grabungen in der Türkei durchführen. So sollte die Übergabe eines Ausstellungsstücks des Berliner Pergamon-Museums an die Türkei bewirkt werden. Die Sphinx war nach einer Restauration in Deutschland verblieben.
Das türkische Kulturministerium hat nach Angaben von Deutschlandradio Kultur deutschen Archäologen kurzzeitig ein Grabungsverbot in der Türkei erteilt. Damit habe die Türkei die Herausgabe der Sphinx von Bogazköy erzwingen wollen, die im Berliner Pergamon-Museum ausgestellt ist, berichtete der Sender am Donnerstag. Nach intensiven diplomatischen Bemühungen sei 28 von 30 Teams die Grabungs-Erlaubnis inzwischen wieder erteilt worden.
Seit mehr als 20 Jahren gebe es von türkischer Seite Anfragen zu diesem Fall, sagte der stellvertretende Leiter des Vorderasiatischen Museums in Berlin, Ralf-Bernhard Wartke, dem Sender. Deutschland habe dazu ein Kompromissangebot vorgelegt, das aber von der Türkei nicht beantwortet worden sei.
Restaurierte Sphinx verblieb in Deutschland
Hintergrund sei, dass 1917 schwer beschädigte Funde eines Sphinxen-Paares aus Bogazköy nach Deutschlandgebracht und dort restauriert wurden. Wie damals üblich sei ein Teil der Funde - eine der Sphinxen – an die Türkeizurückgegeben worden. Die andere Sphinx sei als Ausstellungsstück in Berlin geblieben.
Das Kompromissangebot von deutscher Seite besteht nach Angaben von Wartke darin, eine Kopie der Berliner Sphinx an die Türkei zu geben. Der Archäologe kritisierte, die Sphinx in der Türkei sei in einem schlechten Zustand und werde nicht so ausgestellt, dass ein ästhetisches Erleben möglich sei. Auch hier könne Deutschland Hilfe leisten. „Wir verstehen eigentlich gar nicht diese Aufgeregtheit um einen Sachverhalt, der relativ leicht mit so einer Kompromissformel zu lösen ist“, meinte der Archäologe.
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