Der Nichtmehr-Raucher - Werner Koschan
Es war zu der Zeit, als ich Lehrling war mit 230 Mark netto im Monat, das sind etwa 125 Euro. Mit eigener Wohnung und Auto war das immer knapp, sehr knapp.
Nun hatte ich mir während der zwei Jahre "Dummer-August-Spielen", sprich Militärzeit, das Rauchen angewöhnt. Man hatte ja den ganzen Tag nichts zu tun.
Aber von 230 Mark war nicht eine für Tabak drin. Ich erinnerte mich an einen Onkel, der erzählt hatte, nach dem Krieg auch kein Geld für Tabak gehabt zu haben und deswegen Kräutertee rauchte. Tee gab es anscheinend genug. Also kaufte ich bei Aldi für ein paar Pfennige Kräutertee und habe den in der Pfeife geraucht, das ging so einigermaßen.
Ein Freund, Philosophiestudent im X-ten Semester und von den Eltern reichlich gesponsert, lud mich gelegentlich zum Abendbrot ein. Da er den Gestank meiner Kräuterteepfeife nicht ertrug, durfte ich seinen Scottish-Sailor-Tabak genießen. Ich besuchte ihn oft und gern.
Nach der Lehre verdiente ich zwar besser, aber durch die Schnapsidee zu heiraten war jede Mark nur noch die Hälfte wert und für guten Tabak wieder nicht eine vorhanden, so dass ich wie früher zum Aldi-Kräutertee griff. Mein Freund grinste und lud mich weiterhin ein.
Eines Abends, nach vier oder fünf Pfeifen bei ihm, fuhr ich mit dem Bus nach Hause. Da ich in der Wohnung nicht rauchen durfte, wollte ich meine Pfeife im Bus stopfen, um sie vor dem Haus zu rauchen. Als ich den Tabaksbeutel öffnete, fielen mir beinahe die Augen aus dem Kopf, denn mein Freund hatte mir mit seinem guten Scottish-Sailor den Beutel gefüllt. Allerdings hatte er nicht bedacht, zwischen meinen Tee und seinem Tabak ein Blatt Papier zu legen, um die beiden nicht zu vermischen. Im wackelnden Bus konnte ich unmöglich das Gute vom Schlechten trennen, das würde ich zu Hause in aller Ruhe und sorgfältig erledigen. Ich steckte den Beutel zurück in die Manteltasche und freute mich auf den unerwarteten Genuss. Eine größere Freude hätte er mir nicht machen können.
Zu Hause wusch ich mir zunächst die Haare, da meine Frau den Geruch der Raucherei nicht leiden konnte. Und da es schon sehr spät war, gingen wir ins Bett.
Am nächsten Morgen wollte ich nach dem Frühstück den Inhalt des Tabaksbeutels sorgfältig trennen.
»Du, das ist aber ein merkwürdiger Tee. Der schmeckt eigenartig und seltsam dunkel ist er auch«, sagte meine Frau am Tisch.
Ich probierte. »Pfui Teufel, was ist das denn für ein Zeug?«
»Ich hatte keinen Tee mehr hier und da habe ich den Kräutertee aus deinem Beutel genommen. Sonst war der immer in Ordnung. Aber diesmal ist er ekelhaft!«
Mein Tabak! Meinen erstklassigen Scottish Sailor hatte sie verdorben. Wie üblich hatte sie die Zweiliterkanne gefüllt, allerdings diesmal mit dem unbezahlbaren Tabak Tee. Kein Krümel war mehr übrig.
Ich habe die Mischung mit dem Mut der Verzweiflung getrunken und wundere mich heute noch, dass ich die Pferdekur überlebt habe. Allerdings hat mein Herz den ganzen Tag Purzelbäume geschlagen.
Das Rauchen habe ich aufgegeben – soll ja auch gesünder sein. Meinem Freund habe ich kein Sterbenswörtchen gesagt.