Karneval Köln 2013 von oben betrachtet – Werner Koschan
- Geschrieben von Portal Editor
„Ich möchte zum Zug“, sagt meine Frau Rita. Sie meint den Karnevalszug in unserem Stadtteil. Das ist einer der kleinen Vereine, die mit wenig Geld aber um so viel mehr Liebe zum Detail ihre Festwagen schmücken und durch die Straßen ihres Stadtteils von Köln ziehen.
Dem Rosenmontagszug der kapitalkräftigen Großvereine gehen wir seit Jahren aus dem Weg. Warum? Weil uns militärisch uniformierte Deppen, die zu Marschmusik ihre als Brauchtum verkleideten Minderwertigkeitskomplexe durch die Kölner Innenstadt an Fernsehkameras vorbei schieben, anwidern.
Noch dazu, wenn sie massenhaft dünnen Bierersatzstoff konsumieren, wie es in Köln ebenfalls Brauch ist. Hinzu kommt, dass meine Frau bei unserem allerletzten Besuch des Rosenmontagszuges eine Pralinenschachtel ganz bewusst von einem Prunkwagenmitfahrer an den Kopf geworfen bekam. Solche Späße amüsieren manche dieser Uniformträger ganz besonders – eben typisch Kölscher Humor – Nein Danke! Einzige Ausnahme stellen manche junge Frauen dar, die sich offenherzig bis zum Nabel dekolletiert zeigen samt nackter Beinchen bis zu den Ohren.
Aber 2013 ist es draußen kalt, um nicht zu sagen saukalt. Und stundenlang in der Kälte zu stehen, schlägt mir aufs Gemüt. Wie nun meiner Frau den Wunsch zuzuschauen erfüllen ohne zu frieren? Halt – ich weiß!
„Was hältst du davon, wenn wir uns ein paar Umzüge mal aus einer anderen Perspektive anschauen“? frage ich.
Sie wirkt nachdenklich. „Wie, eine andere Perspektive“?
„Na, aus der Luft“.
„Mit dem Flugzeug“? fragt sie.
„Selbstverständlich, ohne kann ich auch nicht fliegen“.
„Komische Idee. Ist denn eine Maschine frei? Heute ist doch Sonntag“.
„Werden wir sehen“, sage ich, setze mich an den Computer und rufe die Seite des Flugzeugvercharterers auf, bei dem wir Maschinen mieten. „Eine Cessna ist frei und die Ultraleicht auch. Hast die freie Auswahl. Die Wetterseite der Deutschen Flugsicherung zeigt noch einige Zeit beste Flugsicht an“.
„Cessna“, sagt Rita. „Da ist die Heizung besser. Hm, verrückte Idee. Aber lustig“.
Flugplanung, -vorbereitung und Self Briefing per Computer sind schnell erledigt und wir befinden uns bald auf dem Weg zum Flugplatz Aachen Merzbrück (internationales Kennzeichen EDKA). Deren Maschinen sind sehr gut gewartet und sehr preisgünstig noch dazu.
Die Vorflugkontrolle nehmen wir peinlich genau vor, denn wenn am Auto etwas nicht stimmt, fährt man rechts ran – das ist mit einem Flugzeug nicht möglich. Nach dem Einsteigen folgt der Check aller Systeme und ich melde mich am Kontrollturm an.
„Aachen Merzbrück Info von der Delta, Echo ...“ Im internationalen Alphabet steht Delta für den Buchstaben ›D‹ (in diesem Fall Deutschland) und Echo für ›E‹ (Einmotorig bis zwei Tonnen Abfluggewicht). Ist alles genauestens geregelt. „Cessna 150, zwei Personen VFR (Sichtflugregeln) nach Köln, erbitte Startinformation“.
Die Luftaufsicht im Turm meldet uns die Startpiste sowie Windrichtung und -stärke zu. Die großen Headsets sind wichtige Ausrüstung.
Nach etwa zwanzig Minuten drehen wir über Leverkusen in Richtung Köln Innenstadt ein. Köln liegt in der Kontrollzone desFlughafens Köln-Bonn (EDDK). Wir dürfen nur noch in 1.500 Fuß (500 Meter) Höhe fliegen wegen der Einflugschneise der ›großen‹ Kollegen.
Ich melde uns bei der Luftaufsicht EDDK an und bitte um Erlaubnis, in die Kontrollzone einzufliegen und ein paar Vollkreise über rechtsrheinische Stadtteile durchführen zu dürfen, um Fotos zu schießen.
„Halten Sie diese Höhe und bleiben Sie östlich des Rheins“, funkt der Lotse. Genau das hatte ich mir gewünscht.
„Da unten ist der Dünnwalder Zug“, ruft Rita und ich lege die Maschine in eine mittlere Rechtskurve, damit sie den Zug gut beobachten kann. Ich bin mit Luftraumbeobachtung und Kontrolle der Fluglage beschäftigt, so dass mir kaum Zeit zur Betrachtung des tollen Treibens am Boden bleibt. Nach einigen Vollkreisen steuere ich den nächsten Stadtteil an und fliege das gleiche Manöver. So klappern wir noch zwei Umzüge ab und die Zeit vergeht buchstäblich wie im Flug.
„Magst du auch noch sehen, was rund um den Dom los ist“? frage ich.
„Ja, wieso nicht“.
„Delta, Echo ... wir würden jetzt gerne einmal um den Dom rum und dann die Kontrollzone nach Süden verlassen“, melde ich dem Turm.
„Das ist verstanden, melden Sie Sierra“.
›Sierra‹ ist ein Pflichtmeldepunkt südlich Kölns, wo die Sieg in den Rhein mündet. Wenn man den passiert hat, darf man wieder schalten und walten wie man möchte – im Rahmen der Vorschriften.
Der Dom ist schnell erreicht und ich denke wieder, dass Köln eigentlich nur ein ›Domfortsatz‹ ist.
Nach Überfliegen von Sierra drehen wir Richtung Westen, zurück nach Aachen. Am Horizont steht eine gewaltige Wolkenwand. Nachdem wir auf Reisehöhe (3.000 Fuß) gestiegen sind, steht fest, dass wir kaum bis nach Aachen kommen werden. Ich habe bei den Vollkreisen zu lange getrödelt – das kurze Zeitfenster mit idealen Sichtbedingungen ist fast schon geschlossen. Was nun? Zurück nach Köln-Bonn mag ich nicht, da die Landegebühren dort zu teuer sind. Auf unserem Weg nach EDKA liegt noch der Militärflugplatz Nörvenich. Ich drehe dessen Frequenz im Funkgerät ein und frage an, ob ich dort landen darf, um die Schlechtwetterfront abzuwarten.
Wer ist nun schneller? Wir oder die Wetterfront? Beim Landeanflug rumpelt es schon bedenklich und kaum haben wir die Maschine abgestellt, braust die Bodenwelle (Wind), die das nahende Gewitter ankündigt, schon über den Platz. Wir parken die Cessna direkt neben der Bahn, da auf den Taxiways von Privatfliegern nicht gerollt werden darf. Wir huschen ins Luftkontrollrevier und bekommen direkt einen Schlag Erbsensuppe aus dem Riesentopf angeboten.
„Die sind hier nicht mal halb so militärisch wie die Uniformdeppen im Kölner Karneval“, sagt Rita, und ich muss ihr zustimmen.
„Wollt ihr ein Bier“? fragt ein Mann in blauer Uniform, weiß der Himmel welchen Dienstrang er bekleidet.
„Ich muss doch noch nach Hause fliegen, nein danke“.
Er klopft mir auf die Schulter. „Richtige Antwort“.
Nach einer Weile kommt ein Anruf der Luftaufsicht, dass die Wetterfront nun vorübergezogen sei und wir weiter können. Schließlich kündigt sich die Dämmerung an.
Wir machen unsere Cessna wieder startklar, rollen zum Take off und heben ab Richtung Aachen. „Vielen Dank für die freundliche Unterstützung“, funke ich nach unten.
„Many happy landings“, kommt zurück.
Über Eschweiler melden wir uns zurück zur Landung in EDKA. Noch kurz die Platzrunde zum Landeanflug eingehalten und wir schweben die Piste an.
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