Necla Kelek - Die fremde Braut & Bittersüße Heimat
Necla Kelek wurde 1957 in Istanbul geboren und wanderte im Jahr 1966 gemeinsam mit ihren Eltern nach Berlin aus, wo sie noch heute lebt. Sie hat Volkswirtschaft und Soziologie studiert und wurde in Greifswald zum Dr. phil. promoviert.
Ihre Bücher "Die fremde Braut", "Die verlorenen Söhne" und "Bittersüße Heimat" haben in den letzten Jahren die Diskussion um Integration und den Islam in Deutschland nachhaltig mit geprägt. Nach ihren eigenen Angaben hatten ihre Eltern in Istanbul einen westlich-säkularen Lebensstil gepflegt doch in Berlin wandten sie sich mehr und mehr derReligion zu. Ihr Vater habe ihr die Teilnahme am Schulsport zum Schutze ihrer Jungfräulichkeit und zur Wahrung der Familienehre verboten. Ihre beiden älteren Geschwister hätten sich noch den konservativen Ansichten ihrer Eltern gefügt. Als Jugendliche habe sie an Depressionen („Hüzün“) gelitten und eine offene Verweigerung durch Anstrengungen in Schule und Hochschule kompensiert. Es habe eine Entfremdung mit ihrem Vater stattgefunden, der die Familie schließlich verlassen habe. Autobiografische Schilderungen ihrer Familiengeschichte finden sich in ihrem Buch „Die fremde Braut“.
Necla Kelek absolvierte eine Ausbildung als technische Zeichnerin und studierte später Volkswirtschaft und Soziologie in Hamburg. Sie arbeitete in einem türkischen Reisebüro in Hamburg und in einem Ingenieurbüro in Wiesbaden. Mit einer Untersuchung über die Bedeutung islamischer Religiosität für die Lebenswelt türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler wurde sie 2001 promoviert.
Keleks Leitthema ist die „islamisch geprägte Parallelgesellschaft in Deutschland“. Sie lehnt eine Duldung einer nicht-emanzipatorischen Erziehung von Mädchen, aber auch von Jungen, in traditionalistischen islamischen Familien als „falsch verstandene Toleranz“ entschieden ab.
Vor allem aus der türkischen Presse kommen immer wieder Angriffe gegen Kelek: Frauenrechtlerinnen wie Kelek, Seyran Ateş, Sonja Fatma Bläser und Serap Çileli wird „Übertreibung“ vorgeworfen. Die meisten Frauen seien nicht männlicher Gewalt ausgesetzt und würden in Freiheit leben. Bis Mitte 2005 war das auch die Redaktionsrichtlinie des liberal-konservativen Boulevardblatts Hürriyet, das auf die Türken in Deutschland großen Einfluss hat: Vierzig Prozent von ihnen hatten gemäß einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahr 2002 diese Zeitung in den vergangenen zwei Wochen gelesen. Am 22. Mai 2005 startete Hürriyet eine deutschlandweite Kampagne „Gegen häusliche Gewalt“. Die Diskussionsveranstaltungen in den deutschen Großstädten fanden eine große Resonanz, die zuvor attackierten Frauenrechtlerinnen lehnten allerdings eine Beteiligung ab.
Kelek war bis 16. Mai 2007 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Giordano-Bruno-Stiftung, eine „Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus“.
Drei Jahre später kam Kelek zu deutlich anderen Schlussfolgerungen. In ihrem Buch "Die fremde Braut", 2005 erschienen, mischte sie Autobiografie, Lebensgeschichten türkischer Frauen und literarische Formen mit Resultaten wissenschaftlicher Untersuchungen. Nunmehr war ihr Resümee, dass türkische Tradition und islamische Religiosität sehr wohl ein Hindernis für Integration sein könnten. Ihrem Buch zufolge werden viele hier geborene Jugendliche in der Ablösungsphase von ihren Eltern mit einer Braut oder einem Bräutigam im Herkunftsort in der Türkei verheiratet und diese dann nach Deutschland geholt. So werde die Integration in Deutschland bewusst erschwert. Dies macht Kelek am Beispiel der „Gelin“ fest, der aus der Türkei geholten, für eine arrangierte Ehe nach Deutschland gebrachten Braut, die dort keinerlei Chance oder Voraussetzung für eine Einbindung in die deutsche Gesellschaft besitze. Zur Beschreibung dieses Phänomens nutzte sie Gespräche mit Türkinnen, die sie in Moscheen oder privat in Deutschland kennen gelernt hatte.
Die fremde Braut wurde zum Bestseller und im Allgemeinen auch von der Kritik gelobt; die Emotionalität des Buches wurde von vielen Rezensenten als Stärke empfunden, doch wurde auch deutliche Kritik an negativen Pauschalurteilen über die gesamte Bevölkerungsgruppe der türkischen Muslime geäußert. Ein typisches Beispiel für eine Rezension, die Lob und Kritik in dieser Weise mischt, ist die von Alexandra Senfft in der FAZ vom 31. Mai 2005. Für Die fremde Braut erhielt Kelek den renommierten Geschwister-Scholl-Preis, zuletzt den Hildegard-von-Bingen-Preis im Jahr 2009.
Publikationen
• 2010: Über die Freiheit im Islam. (Vontobel-Schriftenreihe. Nr. 1950.) Zürich.
• 2010: Himmelsreise. Mein Streit mit den Wächtern des Islam. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 978-3-462-04197-2
• 2009: Wohin steuert die Türkei? Schlüsselland zwischen Okzident und Orient. NZZ Podium vom 2. April 2009.Volltext
• 2008: Bittersüße Heimat. Bericht aus dem Inneren der Türkei. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 978-3-462-04042-5
• 2007: Türkische Karriere. Allein unter Männern. In Anatolien. In: Ulrike Ackermann (Hg.): Welche Freiheit. Plädoyers für eine offene Gesellschaft. Matthes & Seitz
Berlin, Berlin, ISBN 978-3-88221-885-5[22]
• 2007: Erziehungsauftrag und Integration: Eine Auseinandersetzung mit Integrationshemmnissen, in: Deutsche Jugend, Vol. 55, No. 2, S. 53–59.
• 2006: Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-03686-6[23]
• 2005: Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-03469-3[24][25][26]
• 2002: Islam im Alltag. Islamische Religiosität und ihre Bedeutung in der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern türkischer Herkunft. Waxmann, Münster, ISBN
3-8309-1169-6 (Dissertation)