Die Zeit vergeht wie im Fluge – es ist manchmal erschreckend, denn wie stark ist noch die Erinnerung an 1969 gegenwärtig und damit unser überhaupt erstes Konzert bei der Progressive-Rock-Band „The Nice“ mit Keith Emerson an den Tasteninstrumenten, Keyboards und ersten Synthesizern vor jetzt über 50 Jahren – gerade so als ob es gestern war.
Im darauffolgenden Jahr tourten „The Nice“ durch Europa und spielten auf dem Prager Beat Festival.
Dann zelebrierte „The Nice“ auf dem dreitägigen Pop & Bluesfestival am Osterwochenende 28./29. März 1970 in der Hamburger Ernst-Merck-Halle noch einmal ihre Musik in einer emphatischen Nacht. Am 30. März 1970 gab die Band ihr Abschiedskonzert im Berliner Sportpalast. Mit dem Ende von „The Nice“ war zunächst die Enttäuschung groß, denn wer sonst sollte so verschiedene Überarbeitungen klassischer Stücke, unter anderem von Bach, Sibelius und Tschaikowski so interpretieren können wie Keith Emerson mit „The Nice“. Zu ihren wohl bekanntesten Interpretationen gehören Werke von Leonard Bernstein (America aus West Side Story), Johann Sebastian Bach (Brandenburgische Konzerte) und Jean Sibelius (Intermezzo from the Karelia Suite).
Doch es kam ganz anders - Emerson, Lake and Palmer
Schon kurz nach dem Ende von „The Nice“ 1970 gründete Keith Emerson und Greg Lake, Bassist und Sänger von King Crimson, zusammen mit Carl Palmer, dem Schlagzeuger von The Crazy World of Arthur Brown und Atomic Rooster die Band Emerson, Lake and Palmer. Ursprünglich war auch Jimi Hendrix als Bandmitglied eingeplant, so dass in britischen Presseartikeln als erwarteter Bandname HELP angegeben wurde – diese Formation kam jedoch, letztlich wegen Hendrix’ Tod im September 1970, nie zustande.Beim Isle of Wight Festival debütierte das Trio, und an diesen Auftritt schloss sich eine Supergroup-Karriere an., von nun an immer mit ELP abgekürzt. Die Musik der Gruppe zeichnet sich durch eine Keyboard-lastige Vermischung unterschiedlichster Musikstile aus.
Neben Jazz- und Blueseinflüssen wurden ELP vor allem für die klassischen Bestandteile in ihrer Musik berühmt. Aus dem umfangreichen Gesamtwerk ragt das Livealbum „Pictures at an Exhibition“ (1971) heraus, auf dem die Band die Bilder einer Ausstellung des russischen Komponisten Mussorgski neu interpretierte. Neben Eigenkompositionen wie der Suite „Tarkus“ wurden auch klassische Vorlagen von Bartók, Janáček, Bach, Ginastera, Copland, Gulda, Sullivan, Orff und Tschaikowski bearbeitet.
Singleauskopplungen wie “Lucky Man” (1970), “I Believe in Father Christmas” (1977) oder “Fanfare for the Common Man” (1977) wurden zu Welthits. Mit den Alben Emerson, Lake & Palmer (1970), Tarkus (1971), Pictures at an Exhibition (1971), Trilogy (1972) und schließlich Brain Salad Surgery (1973), zu dessen Coverdesign der Schweizer Künstler HR Giger das charakteristische ELP-Logo entwarf, das die Band fortan führte.
HR Giger entwirft das charakteristische ELP Logo
HR Giger wurde als Sohn des Apothekers Hans Richard Giger und seiner Frau Melly Giger in Chur geboren, war als Kind eher scheu und zurückhaltend. Er wurde katholisch erzogen, was seine Kunst später beeinflusste. Nach Abschluss des Gymnasiums und einer Bauzeichnerlehre studierte er ab 1962 Innenarchitektur und Industriedesign an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Während seiner Ausbildung entstanden seine ersten Tuschefederzeichnungen («Atomkinder»), woraufhin er seine Werke in den Untergrundzeitungen «Hotcha!», «Clou», «Agitation» und «The Cthulhu News» von Robert A. Fischer veröffentlichte. Mit seinen finsteren Zeichnungen, düsteren Plattencovern und Kreationen prägte er über Jahrzehnte die Ästhetik der Death- und Black-Metal-Szene. Auch das Plattencover KooKoo für Debbie Harry und das Cover Brain Salad Surgery für Emerson, Lake and Palmer gelten als Meilensteine.
Brain Salad Surgery von ELP
Brain Salad Surgery ist das vierte Studioalbum von ELP und das erste, das auf ihrem eigenen Label Manticore veröffentlicht wurde. Der Titel stammt aus dem im selben Jahr erschienenen Lied Right Place, Wrong Time von Dr. John.
Das bekannteste Stück des Albums ist Karn Evil 9: 1st Impression – Part 2 (“Welcome Back My Friends to the Show That Never Ends …”). Unter anderem diente diese erste Textzeile des Stücks seitdem zur Begrüßung der Fans auf Konzerten und wurde zum Titel des folgenden Livealbums. Durch seine Länge und die Tatsache, dass etwa 25 Minuten auf eine LP-Seite passen, wurde das Stück Karn Evil 9 ursprünglich auf der Schallplatte auf zwei LP-Seiten verteilt (1st Impression – Part 1 auf der A-Seite, Rest auf der B-Seite) und als zwei Titel bezeichnet. Bei späteren CD-Veröffentlichungen wurden aber diese beiden Teile zu einem Titel fusioniert. Der Text wurde von Greg Lake und seinem früheren King-Crimson-Mitstreiter Peter Sinfield geschrieben.
Das Stück Toccata ist eine Bearbeitung des vierten Satzes von Ginasteras erstem Klavierkonzert, wobei einige Synthesizereffekte nicht von Keith Emerson, sondern Carl Palmer stammen, der hier einen neuartigen Drum-Synthesizer verwendete. Der Komponist äußerte sich zustimmend zu Emersons Bearbeitung: “Keith Emerson has beautifully caught the mood of my piece.”
ELP-Albumcover von HR Giger
Für das bevorstehende Album stellte Peter Zumsteg, der Manager des Plattenlabels, Emerson dem Künstler HR Giger vor. Im April 1973 spielte die Gruppe im Rahmen ihrer Europatournee in Zürich ein zweitägiges Konzert. Nach dem Konzert besuchte Emerson mit Zumsteg den Künstler in seinem Hause. Zufällig hatte Giger unter dem Einfluss der Musik Emerson, Lake & Palmers gerade ein Triptychon mit dem Titel Work 216: Landschaft XIX geschaffen. Als er seinen Gästen das Triptychon enthüllte, entschied Emerson sofort es für das Albumcover zu nehmen. Giger malte zwei neue Bilder, Work 217: ELP I und Arbeit 218: ELP II, in etwa der tatsächlichen Größe des Vinylplattencovers. Das erste Bild wurde von der Gruppe als Titelbild gewählt. Es zeigt einen in einer Maschine eingespannten menschlichen Schädel in dem für Giger typischen monochromen biomechanischen Stil über dem ebenfalls von Giger entworfenen neuen ELP-Logo, das Emerson, Lake and Palmer seither führt.
Fans der Band ELP und Giger´s jetzt aufgepasst:
Mit der Ausstellung „Metamorphoses“ sind wohl letztmalig und nur noch bis zum 19.11.2023 die Werke von HR Giger in der Aleš South Bohemian Galleryin der ehemaligen, neugotischen Schlossreitschule in Hluboka nad Vltavou in Tschechien zu sehen, was wir unbedingt als Empfehlung aussprechen möchten. Da auch die Umgebung zu einem längeren Aufenthalt beiträgt, bietet sich hier ein Kurzurlaub geradezu an, den wir gerade erleben durften. Und das nicht nur für Liebhaber klassischer Rockgeschichte, denn Giger war auch in der Filmbranche sehr aktiv. Bereits 1968 war er ausschließlich als Künstler und Filmemacher tätig. Als Szenen- und Kostümbildner prägte er mit seinem Stil bekannte Filme wie Alien (1979) oder Species (1995). Für seine Mitwirkung an Alien wurde Giger 1980 ein Oscar in der Kategorie Beste visuelle Effekte verliehen, und sein Stil wurde einem breiteren Publikum bekannt.
Aleš South Bohemian Gallery bis zum 19.11.2023 (Link zur Karte)
Hluboká nad Vltavou 144, 373 41 Hluboká nad Vltavou, Tschechien
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