Wer erinnert sich noch an das Politkabarett und spätere Rockmusik von „Floh de Cologne“? Lang, lang ist es her und dabei gab es so viele Besonderheiten, die so manch einem Künstler von heute auch gut zu Gesicht stehen würde.
So gehörte zu jedem Bühnenprogramm von Floh de Cologne immer ein programmatisches Plakat, oftmals selbst für die Plattencover. Die Rückseite des Plakats enthielt den gesamten Text des Programmes und gegebenenfalls „Anweisungen“ zum Handeln und Literaturhinweise für weiterführende „private revolutionäre Tätigkeit“. Die Vorderseite wurde von befreundeten Künstlern wie HR Giger, Dieter Süverkrüp, Stefan Siegert oder Wolfgang Niedecken gestaltet.
Mumien – Plattencover von HR Giger weckt Erinnerungen
Während unseres Besuchs in der Ausstellung „Metamorphoses“ in der Ales South Bohemian Gallery in Tschechien zum Lebenswerk des Schweizers HR Giger waren wir auf das Plattencover der uns noch gut in Erinnerung verbliebenen Polit-Rockband Floh de Cologne gestoßen, das seiner Zeit auch als Werbeplakat für die Konzertreihe verwendet wurde. Wie immer bei den Werken Giger zunächst nur düster und teilweise grausam, so sind es die Details, die bei näherer Betrachtung die große Kunst entdecken lassen. Diese Plakate und die LPs wurden nach den Veranstaltungen von der Gruppe persönlich verkauft, so wie sie im Übrigen alles selber machten; professionelle Aufbauhelfer, die so genannten Roadies, gab es nicht. Es gehörte zum Ehrenkodex der Gruppe, die eigene Arbeit, so es möglich war, selber zu machen und dadurch die Eintrittspreise so niedrig zu halten, dass die Zielgruppen (Lehrlinge, junge Arbeiter, Studenten, Schüler) möglichst problemlos Zugang fanden. Zitat aus einem Programmheft von 1978:
„Floh de Cologne, das ist keine Goldene Schallplatte und keine goldene Nase, kein Platz in der Hitparade und dem Abendprogramm des Fernsehens, kein Kunst- oder Kulturpreis und keine Subvention. Das ist Pech“.
SimSAlabimbambaSAladUSAladim – typisch Floh de Cologne
Als die ursprünglich konventionelle Kabarettgruppe bei den Essener Songtagen 1968 Undergroundbands wie die Mothers of Invention, die Fugs und die Edgar Broughton Band erlebt hatte, orientierte sie sich mit ihrem dritten Programm SimSAlabimbambaSAladUSAladim stilistisch um und verbanden agitatorische Texte mit Beatmusik und einer Bühnenshow zu sogenannten „Agitations-Revuen“ und entwickelte sich damit zu einer der führenden Politrock-Bands.
Am 6. September 1970 trat die Gruppe beim Fehmarn-Festival nach Jimi Hendrix auf; dies war übrigens dessen letzter Auftritt. 1971 schuf Floh de Cologne mit Profitgeier die erste deutschsprachige Rockoper.
In der dreisätzigen Geyer-Symphonie von 1973 arbeitete die Band in ihre Musik Originalausschnitte aus Politikerreden anlässlich des Begräbnisses des deutschen Großindustriellen Friedrich Flick ein. 1973 trat Floh de Cologne als musikalischer Teil einer westdeutschen Abordnung bei den X. Weltfestspielen der Jugend in Ost-Berlin auf.
Mit der Kantate für Rockband „Mumien“ reagierte die Band 1974 auf den Putsch in Chile 1973, unter anderem mit einer Vertonung der letzten Rede des gestürzten Präsidenten Salvador Allende. Im selben Jahr erarbeitete die Gruppe zusammen mit Hans Werner Henze alternative Vertonungen des Chilelieds (Dieser chilenische Sommer war süß; 1974), Text: Rudi Bergmann (* 1950), Uraufführung war am 31. Mai 1974 in Essen (Grugahalle: Gedenkkonzert für Víctor Jara, zugleich Solidaritätsveranstaltung für den Widerstand in Chile).
Rock gegen Rechts - heute dringender denn je
Grenzüberschreitend war ebenfalls die Zusammenarbeit mit Mauricio Kagel bei den „Kölner Kursen für Politische Musik“ (1975). In der Rockoper Koslowsky, für die die Band ein Jahr lang vor Ort recherchiert hatte, zeichnete Floh de Cologne 1980 das Schicksal eines Arbeiters aus dem Ruhrgebiet nach, der nach Bayern zur Maxhütte kommt.
Ab 1980 waren Teile der Band (Vridolin Enxing als Vorsitzender) aktiv bei Rock gegen Rechts; im selben Jahr erhielt die Gruppe den Deutschen Kleinkunstpreis zusammen mit Gerhard Polt.
Nach über 3000 Konzerten in Deutschland und Europa löste Floh de Cologne sich im Mai 1983 nach einer Abschiedstournee auf. Das Abschiedskonzert in der Kölner Sporthalle hatte 6000 Zuschauer und dauerte 14 Stunden unter der Beteiligung zahlreicher Musiker wie Hannes Wader, Dieter Süverkrüp, Franz-Josef Degenhardt, Hanns-Dieter Hüsch, Die 3 Tornados, BAP und Ina Deter.
Floh de Cologne produzierte seine LPs bei Dieter Dierks, wo auch Wallenstein, Embryo, Tangerine Dream, Witthüser & Westrupp, Ash Ra Tempel, Hoelderlin, Jeronimo und andere der späteren Größen des Deutschrock ihre Aufnahmen machten. Nach dem Umzug zum Pläne-Verlag machten sie ihre Aufnahmen in einem der wichtigsten Tonstudios für deutsche, später auch internationale Pop-Avantgarde-Musik von Conny Plank, der als „Geburtshelfer“ des so genannten Krautrocks gilt. Dort trafen sie u. a. auf Holger Czukay, Can, Grobschnitt, Kraan, Zupfgeigenhansel, Gianna Nannini und andere.
Übrigens: Die Ausstellung „Metamorphoses“ ist noch bis zum 19. November in der Gallerie Ales South Bohemian zu sehen, es lohnt sich!
Aleš South Bohemian Gallery bis zum 19.11.2023 (Link zur Karte)
Hluboká nad Vltavou 144, 373 41 Hluboká nad Vltavou, Tschechien
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