Der Olivenbaum - eine geschichtliche Betrachtung
- Geschrieben von Portal Editor
Während unserer Rückfahrt von Istanbul über die Dardanellen in Richtung Izmir passierten wir auch die Region um das Touristenstädtchen Ayvalik.
Wie fast überall in der Türkei boomt auch hier die Baubranche und häufig kommt es gerade deshalb zu gravierenden Kahlschlägen in der Natur, auch wenn diese "nur" aus riesigen Hainen tausender Olivenbäume besteht. Ayvalik ist eines der Zentren türkischer Olivenplantagen, berühmt für exzellente Qualität nativen Olivenöls, das aufgrund seiner Inhaltstoffe so gesund ist. Noch bestehen die meisten der Haine, die Flächen bis zum Horizont bedecken und im Vorbeifahren das Auge immer wieder auf die immer grünen, teilweise uralten Bäume lenken.
Olivenbäume, die weit über 9.000 Jahre alt sind
„Doch der Atreid’, ausziehend das Schwert voll silberner Buckeln, sprang auf Peisandros hinan. Der hob die schimmernde Streitaxt unter dem Schild, die ehrne, geschmückt mit dem Stiele von Ölbaum, schön geglättet und lang; und sie drangen zugleich aneinander.“ (Homer: Ilias, 13. Gesang, 610–613).
„Innerhalb des Gehegs war ein weit umschattender Ölbaum, stark und blühenden Wuchses; der Stamm glich Säulen an Dicke. Rings um diesen erbaut’ ich von dicht geordneten Steinen unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke und verschloss die Pforte mit fest einfugenden Flügeln. Hierauf kappt’ ich die Äste des weit umschattenden Ölbaums und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet’ ihn ringsum künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtschnur; schnitzt’ ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt’ ihn rings mit dem Bohrer, fügte Bohlen daran, und baute das zierliche Bette, welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.“ (Odyssee, 23. Gesang, 190–201).
Auch die Erwähnungen in der Bibel deuten auf die große Bedeutung des Olivenbaumes hin:
„Einst machten sich die Bäume auf, um sich einen König zu salben, und sie sagten zum Ölbaum: ‚Sei du unser König.‘ Der Ölbaum sagte zu ihnen: ‚Soll ich mein Fett aufgeben, mit dem man Götter und Menschen ehrt und hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?‘“ (Buch der Richter, 9, 8-9).
„Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück, und siehe da: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Olivenzweig. Jetzt wusste Noah, dass nur noch wenig Wasser auf der Erde stand.“ (Genesis, 8, 11).
Vergleichbare deutbare Aufzeichnungen zur Bedeutung des Ölbaums gibt es auch im Koran:
„Und "ER" ist es, der aus dem Himmel Wasser nieder sendet; damit bringen wir alle Arten von Pflanzen hervor; … und Oliven- und Granatapfel-(Bäume) …“ (Die ungefähre Bedeutung des Al-Qur’an Al-Karim, Sure 6:99 „Das Vieh“).
„Allah ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht ist gleich einer Nische, in der sich eine Lampe befindet: Die Lampe … Angezündet (wird die Lampe) von einem gesegneten Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist, dessen Öl beinahe leuchten würde, auch wenn das Feuer es nicht berührte.“ (Die ungefähre Bedeutung des Al-Qur’an Al-Karim, Sure 24:35 „Das Licht“).
Schon diese wenigen Textauszügen zeigen die Bedeutung des Olivenbaums in aller Deutlichkeit auf. Im trockenen Klima des Nahen Ostens stellte das Öl der Olive bald ein wichtiges und gesundes Grundnahrungsmittel dar, war damit auch zum wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Die Ölfrucht bildete einen bedeutenden Teil des Reichtums und war neben dem Feigenbaum und Rebstock damit zum Bild des Wohlstandes und bürgerlichen Glückes geworden.
Im 6. Jahrhundert v. Chr. kam der Olivenbaum auch nach Italien. Wie schon in Griechenland war ein Kranz aus Ölzweigen die höchste Auszeichnung des um das Vaterland hoch verdienten Bürgers, sowie der höchste Siegespreis (Kranz aus Zweigen vom kotinos kallistephanos) bei den Olympischen Spielen. Der Ölzweig war das Symbol des Friedens, und Besiegte, die um Frieden baten, trugen Ölzweige in den Händen.
In frühbyzantinischer Zeit bedeutete der Export von Olivenöl die wirtschaftliche Grundlage für ihre Blütezeit ab dem 4. Jahrhundert, denn der Olivenbaum wächst in allen Gebieten um das Mittelmeer und zum Teil auch um das Schwarze Meer, wenn keine extremen Klimabedingungen eintreten. Er kann große Hitze ertragen, leidet aber leicht durch Frost in kalten Wintern, wodurch nicht nur die Ernte einzelner Jahre, sondern der Bestand ganzer Plantagen bedroht ist. Er gilt damit auch als Charakterpflanze der mediterranen Pflanzenwelt.
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