Bei antiken Gebäuden denkt so mancher automatisch an Rom oder Trier mit seinem völlig intakten Pantheon oder den gigantischen Ruinen des Kolosseums oder dem imposanten Stadttor Porta Nigra. Nicht nur die "ewige Stadt", viele Länder des Mittelmeerraums bis hoch hinauf nach Nordeuropa wird durch Reste von Tempeln, Thermen und Tavernen geprägt.
Sie alle wurden von den Römern vor rund 2.000 Jahren erbaut. Trotz diverser kleinerer Beben, Erdabsenkungen, Regengüssen, Stürmen und schließlich den Schadstoff-Belastungen der Neuzeit: Sie stehen immer noch!
Die Römer haben nicht nur den schon bei den alten Griechen bekannten Steinguss zur Praxisreife gebracht, sie konnten damit offensichtlich auch für die Ewigkeit bauen. Angesichts heutiger Neubauten, die – wie zum Beispiel das Kanzleramt – oft schon nach ein paar Jahren rissig und / oder undicht werden stellte sich immer wieder die Frage: Wie haben die Römer das geschafft?
Römischer Zement - der hält und hält und hält
Im Rahmen eines internationalen Projektes wollten Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen das Geheimnis der antiken Bauherren endlich lüften. Berühmte römische Architekten des Altertums, wie Vitruv und Plinius, hatten das Rezept für Opus Caementitium, den Römischen Zement, aufgeschrieben und es wurde sogar bis heute überliefert. Doch Material-Forscher konnten sich die extreme Langlebigkeit und Widerstandskraft des Baustoffes trotzdem lange nicht erklären.
Das Geheimnis wird gelüftet
Also nahmen sie Proben aus Fundamenten altrömischer Bauwerke im gesamten Mittelmeerraum. Bis zu einem Meter lange Bohrkerne aus verschiedenen Jahrhunderten, gegossen aus römischem Zement, groben Steinen, Kieseln und Sand. Diesen untersuchten sie mit verschiedensten modernen Analyse-Methoden. Bei seinen Untersuchungen fand das Team heraus, was den römischen Zement vom modernen unterscheidet: die antike Rezeptur führt beim Abbinden zur Bildung eines speziellen Kristallgefüges, der Aluminium-Tobermorite. Sie füllen die Hohlräume im Material mit einem stabilen Kristallgitter aus und können so das Eindringen von Wasser und die Ausbreitung von Rissen im Baustoff verhindern.
Vulkanausbrüche schenkten den Römern den besonderen Stoff
Die Schlüsselzutat für die Bildung dieser Strukturen ist dabei offenbar die Vulkanasche. Die Römer bauten sie in der Nähe von Neapel ab. Der bekannteste Vulkan dieser Region ist der Vesuv. Rund 20 Kilometer westlich von ihm beginnen die Phlegräischen Felder ("Feuer-Felder"), eine noch heute sehr aktive vulkanische Region entlang der Mittelmeerküste. Vor rund 40.000 Jahren kam es dort zu mehreren großen Vulkanausbrüchen. Das während dieser Eruptionen ausgestoßene Material liegt noch heute in dicken Schichten in den Bergen der Phlegräischen Felder. Es geriet fast zwangsläufig in die Zement-Mixtur und war entscheidend für die Haltbarkeit ihres Zementes, dass ahnten schon die alten Römer – ohne freilich zu wissen warum. Benannt wurde das "Wundermaterial" nach der kleinen Stadt Pozzuoli am Rande der Phlegräischen Felder: Pozzolan.
Pozzolan – das Fundament des Erfolges
In großen Steinbrüchen bauten die Römer das Pozzolan ab. Es kommt in zwei Varianten vor: fein und pulverig oder in leichten, porösen Bimsstein-Klumpen. Das feinere Pozzolan benutzten die Römer direkt als Zutat für ihren Zement, die Brocken mahlten sie zuvor oder gaben sie als "Zuschlagstoff" in den flüssigen Zement. Wegen der vielen Lufteinschlüsse sind die Brocken des vulkanischen Materials so porös, dass sie sogar in Wasser schwimmen. Dank ihrer Verwendung als Zuschlagstoff gelang den Römern der erste Leichtbeton der Menschheitsgeschichte – vor 2.000 Jahren! Aus daraus gegossenen Platten bauten sie zum Beispiel die berühmte Kuppel des Pantheon – mit schwereren Baustoffen wie Natur-Stein oder Ziegel wären so kühne Konstruktionen damals undenkbar gewesen! Es ist also das Pozzolan, das viele römische Bauwerke nicht nur bis heute zusammenhält, sondern manche von ihnen überhaupt erst ermöglichte.
Portland-Zement versus Opus Caementitium
Nachdem die antike Baukunst mit dem Imperium Romanum untergegangen war, hatte die Menschheit lange Zeit vergessen, dass es so etwas wie Zement oder Beton überhaupt gab. Erst im 19. Jahrhundert erfand man den "flüssigen Stein" sozusagen noch einmal neu, diesmal unter dem Namen: Portland-Zement. Die Rezeptur dafür hat sich bis heute kaum geändert: Kalkstein und tonhaltige Erden werden bei 1.500 Grad gesintert, also gebrannt, wobei sie sich zum sogenannten Klinker verbinden. Dabei wird Kohlendioxid (CO2) aus dem Kalkstein freigesetzt. Der Klinker wird zusammen mit Gips zu Zement gemahlen. Fügt man dem Zement Wasser, Sand und Zuschlagstoffe wie Kiesel bei, erhält man Beton.
Antike Lösungen für neuzeitliche Probleme
Bei ihren Untersuchungen stießen die Materialforscher noch auf einen weiteren Vorteil des römischen Zementes. Seine Herstellung kommt mit viel weniger Energie aus als die von modernem Zement und setzt zudem weit weniger CO2 frei. Auch das liegt an der Vulkanasche: Dank des quasi im Vulkan vorgebrannten Pozzolans reichte den Römern eine Temperatur von 1.000 Grad zum Brennen ihres Klinkers. Und weil sie, auch wegen des Pozzolans, weniger Kalkstein brauchten, entstand bei der Herstellung auch weniger CO2. Und gerade in Zeiten des Klimawandels sind reduzierte CO2-Emissionen und Energieeinsparungen natürlich hoch willkommene Nebeneffekte bei der Entwicklung moderner Baustoffe.
Altes Wissen für eine bessere Zukunft
Diese Erkenntnis sorgt heute dafür, dass die moderne Beton- und Zementforschung sich über Alternativen zu den herkömmlichen Verfahren ganz neue Gedanken macht. Da es sich bei natürlicher Vulkanasche um eine endliche Ressource handelt, suchen die Wissenschaftler nach Ersatzstoffen mit ähnlicher Wirkung. Derzeit experimentieren sie mit der Verwendung von Industrieabfällen wie Schlacke und Flugasche, die bereits großer Hitze ausgesetzt waren. Sollte es gelingen, diese Stoffe für die Herstellung von Zement und Beton zu recyceln, hätte das uralte Wissen der Römer dem modernen Menschen gleich doppelt geholfen: langlebiger zu bauen und dabei auch noch die Umwelt zu schonen.
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