Von Dernau kommend hatten wir das Ahrtal passiert, waren dann in das sehenswert lebendige Eifelstädtchen Adenau hinein und auf der Trierer Straße bis zum Parkplatz neben der Brücke direkt an der Einfahrt zur Nordschleife weiter gefahren.
Wie oft hatten wir in der Vergangenheit hier unsere Tickets zum Befahren der Nordschleife gelöst, so manche Runde auf der straßenzugelassenen Ducati und hin und wieder mit dem Alfa Romeo oder dem Renault Turbo gedreht; umgehend waren vielfältige Erlebnisse auf und an der Rennstrecke wieder Kopf.
Formel 1 Pilot Sir John „Jackie“ Stewart
Auch heute herrschte wieder reger Betrieb auf der weltweit bekannten und berühmt berüchtigten Nordschleife des Nürburgrings. Seit der Festlegung der Route und sich anschließender Erbauung in den Jahren 1925 bis 1927 hat die Nordschleife unter allen Rennsportlern den Ruf als Respekt einflößende und unbarmherzige Rennstrecke quer durch die Eifel. Der dreimalige Weltmeister und Formel 1 Pilot Sir John „Jackie“ Stewart, der von der Streckenführung so begeistert war, gilt als der Erfinder des Begriffs „Grüne Hölle“, einem Namen, der auf die in schneller Abfolge erfolgenden Lichtwechsel während der Rundfahrt nur zu deutlich hinweist. Das heute bekannteste Rennen auf dieser historischen Strecke ist das ADAC Zurich 24-Stunden-Rennen, das in einer Verbindung von Grand-Prix-Strecke und alter Nordschleife über drei Tage mit riesigem Rahmenprogramm ausgetragen wird. Teilnehmerzahlen von 800 Fahrern mit mehr als 200 Fahrzeugen sind durchaus obligatorisch.
Fachsimpeln woher denn eigentlich der Begriff „Erlkönig“ kommt
Nach dem Einparken des Autos geht es auch gleich die wenigen Treppenstufen hinauf an die Strecke, wo sich ein fortwährender Wechsel des Publikums den Weg am Absperrzaun entlang versammelt hat.
Es ist kein Rennbetrieb auf der Strecke, trotzdem sind einige Hundert Zuschauer anwesend. Bereits wenig später sind wir mit einem Zuschauer im Gespräch, der uns auf einige „getarnte“ Fahrzeuge aufmerksam macht, die sich unter die ansonsten bunte Fahrzeugvielfalt an Modellen gemischt haben. Schnell sind wir am Fachsimpeln woher denn eigentlich der Begriff „Erlkönig“ kommt, der für diese getarnten Fahrzeuge als heute gängige Bezeichnung der Prototypen so oft verwendet wird. Schon aus reinem Eigeninteresse versuchen viele Fahrzeughersteller das genaue Aussehen ihrer neuesten Modelle bis zur Präsentation möglichst geheim zu halten. Einige, nicht nur deutsche Automobilkonzerne gehen soweit, dass es ein komplettes Fahrverbot für Prototypen in der Öffentlichkeit gibt. Andere sehen das etwas lockerer und präsentieren ihre Erlkönige trotzdem schon vorab zu Testzwecken in der Öffentlichkeit. Und wie nicht anders zu erwarten, gibt es entsprechend unter den Journalisten Leute, die sich auf die Jagd nach „Erlkönigen“ spezialisiert haben. Sie versuchen möglichst Detailaufnahmen dieser Fahrzeuge zu erhalten, um sie dann Gewinn bringend an die Fachpresse zu verkaufen.
„Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe
Erstmals tauchte der Begriff „Erlkönig“ in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts auf, als die beiden Motorjournalisten Heinz-Ulrich Wieselmann und Werner Oswald von neuen Fahrzeugmodellen berichteten, die getarnt auf den Teststrecken zu sehen waren und mit recht einfachem „Bildmaterial“ dokumentiert wurden. Passender Weise nutzten sie die berühmte Ballade „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe „ Wer reitet so spät durch Nacht und Wind. Es ist der Vater mit seinem Kind“ zur Umschreibung dieser Modelle:
„Diese nach heutigen Maßstäben lächerlich harmlosen Bildchen galten damals als nie dagewesene Provokation der Automobilindustrie. Deshalb hatten wir zuvor wochen-, ja vielleicht monatelang überlegt, ob und in welcher Form wir uns den Abdruck dieser Amateurfotos erlauben konnten“.
Prototyp des Mercedes Benz 180
So entstand die Idee, Bilder mit kleinen, sich reimenden Versen zu hinterlegen, so dass die Automobilbranche nicht ganz so hart mit dieser Provokation durch die Medien umging. Dies war die offizielle Geburtsstunde des Begriffs „Erlkönig“ für die Prototypen gleich welcher Herkunft. Erster Erlkönig war der damals mit Spannung erwartete Prototyp des Mercedes Benz 180, dessen Bildunterschrift wie folgt, lautete:
Erlkönig
Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind?
Ist es ein Straßenkreuzer von drüben,
der nur im Umfang zurückgeblieben
oder gar Daimlers jüngstes Kind?
Der stille Betrachter wär gar nicht verwundert,
wenn jenes durchgreifend neue Modell,
das selbst dem Fotografen zu schnell,
nichts anderes wär als der Sohn vom »Dreihundert«.
Ein ständiger Kampf zwischen Geheimhaltungspolitik
In der Automobilbranche ist die Neu- und Weiterentwicklung der Fahrzeugtypen ein ganz wichtiges Verkaufskriterium, denn wer möchte sich schon mit einem altbackenen Design umgeben. So spielt es natürlich eine ganz entscheidende Rolle, möglichst bis zur Neueinführung eines Modells die Verkaufszahlen des Vorgängermodells hochzuhalten.
Dies wiederum ist nur möglich, wenn es kaum öffentliche Kenntnisse der Änderungen in Technik und Design gibt. Natürlich muss auch das neue Modell ausgiebig getestet und im Alltag erprobt werden. Und genau hier beginnt das Rennen um die Erlkönige, was heute umfangreiche Kenntnisse der entsprechenden Journalisten voraussetzt, die teilweise weit abgelegene Teststrecken aufsuchen müssen, um ihre Fotos zu erhalten. Ein ständiger Kampf zwischen Geheimhaltungspolitik der Konzerne und öffentlicher Publikation durch die Medien.
Testzwecken in der Öffentlichkeit, das wird Auto verkleidet
Viele Fahrzeughersteller verändern entsprechend das optische Aussehen ihrer Fahrzeuge, wenn sie zu Testzwecken in die Öffentlichkeit müssen. Dies geschieht oftmals in der Art, dass ein neues Modell eine alte, wenn auch angepasste Karosserie des Vorgängermodells erhält. Manchmal verwendet man auch einfach die Karosserie eines anderen Modells aus gleichem Haus. Diese „Erlkönige“ werden auch mit „Muletto“ bezeichnet, da hier eine Mischung aus neuer Technik und fremder Hülle besteht. Ist das neue Design endgültig bereits festgelegt und man muss zu Testzwecken in die Öffentlichkeit, wird das Auto verkleidet. Mal versteckt man markante Konturen, mal verändert man die Kotflügel und Hauben so, dass sie weit entfernt von der Optik des Neumodells liegen. Manchmal sind es nur Teile die an der Karosserie abgedeckt werden um das tatsächliche Aussehen zu verschleiern. Solche Verkleidungen gibt es natürlich auch für die Innenausstattung.
Ein lohnendes Reiseziel ist Adenau und die Nordschleife des Nürburgrings
Es war interessant zu beobachten, wie unterschiedlich Konstrukteure und Designer hier bei den heutigen Testwagen vorgingen, manches Mal war nicht zu erkennen, um welches Fahrzeug einer Marke es sich überhaupt handeln könnte, so gut war die Tarnung. Dann wiederum waren lediglich Teile abgeklebt, so dass man vermutlich nur Anbaukits testen wollte. Wie dem auch sei, es war wieder ein interessanter Kurzausflug an die Nordschleife, die einige neue Erkenntnisse und auch noch neue Bekanntschaften gebracht haben. Auch wenn man kein Motorsportfan ist, ein lohnendes Reiseziel ist Adenau und die Nordschleife des Nürburgrings allemal.
Nur gut, das man bislang die Möglichkeit, die Nordschleife auch als Privatperson zu befahren, aufrechterhalten konnte. Hier findet man an den Tagen der frei zugänglichen Nutzung dann allerdings neben den Autos auch Motorräder auf der Strecke, so dass immer absolute Aufmerksamkeit gefordert ist. Wer sein eigenes Fahrzeug lieber schonen möchte, hat auch die Möglichkeit, sich ein Leihfahrzeug im Renntrimm zu leihen. Je nach Vorkenntnisstand und Zutrauen sind hier nur leicht veränderte, straßentaugliche Fahrzeuge bis hin zu echten Rennsportfahrzeugen erhältlich. Wem auch dies nicht ganz geheuer erscheint, kann sich mit dem sogenannten „Ringtaxi“ um die Nordschleife „fahren“ lassen. Damit fehlt natürlich das eigene Fahrerlebnis, für das nötige Adrenalin sorgen aber auch hier erfahrene Piloten, die das Ringtaxi fahren.
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