Taksim Platz und der "Tünel" in Istanbul
Nicht aufgrund der bürgerlichen Unruhen im Mai und Juni 2013 gilt der Taksim Platz als das eigentliche Zentrum von Istanbul, denn der Taksim Platz war immer ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt im Zentrum der Metropole Istanbul.
Der Taksim ist trotz entscheidender Umbaumaßnahmen ein wichtiger Ausgangs- oder Haltepunkt verschiedener Bus- und Straßenbahnlinien und bis 2009 auch südlicher Endhaltepunkt der Istanbuler Metro gewesen. Seit Juni 2006 befindet sich hier auch die renovierte Bergstation einer außergewöhnlichen Seilbahn, der unterirdisch verlaufenden Standseilbahn Kabataş—Taksim, die eine schnelle Anbindung zu den Bosporusfähren und den am Bosporusufer verlaufenden Straßenbahnen und Buslinien herstellt.
Es war im Jahr 1867 als der französische Ingenieur Henri Gavand in der damals stark expandierenden aber auch weltoffenen Metropole Istanbul den Bedarf nach einer schnellen Verkehranbindung zwischen dem alten Stadtteil Pera und dem Ufer des Goldenen Horns in Karaköy ermittelte. Mit dem Fortschritt bei der Fertigstellung des Orient-Expresses am Endbahnhof Sirkeci auf der asiatischen Seite Istanbuls war dringend eine Verkehrsanbindung des so genannten Europäer-Viertels notwendig geworden. Um diesen Verkehrsengpass zu lösen, gab es eine Reihe von Überlegungen, die von verschiedenen Arten von Eisenbahn bis hin in einer Art Fahrtreppe reichten. Nach umfangreichen Beratungen und Bitten, die ihn bis zum Sultan Abdülaziz führten, erhielt Henri Gavand am 6. November 1869 vomSultan die Erlaubnis zum Bau eines Tunnels. Die Planungen sahen bereits vor, das es als weiteres Verbindungsverkehrsmittel zum Bahnhof des Orient-Express zum Einsatz der Straßenbahn kommen sollte, die noch heute als nostalgische Tram auf der Flaniermeile Istiklal Caddesi existiert.
Jetzt begann für Ingenieur Gavand die Suche nach Investoren für das geplante Projekt. Erneut ausländische Investoren sorgten dann für den Baubeginn des 573 Meter langen Tunnels durch die "Metropolitan Railway of Constantinople from Galata to Pera" am 30. Juli 1871. Schon am 5. Dezember 1874 konnten die Bauarbeiten am Tunnel Projekt abgeschlossen werden, erste Testfahrten wurden unternommen. Die feierliche Eröffnung der Tünel Bahn, wie das Projekt jetzt genannt wurde, fand am 17 Januar 1875 statt, womit sie als die älteste Standseilbahn Europas und zugleich zweitälteste U-Bahn der Welt gilt. In einer parabolischen Kurve steigt die Bahn 61,55 m in die Höhe und fährt auf einer Entfernung von 606,50 m. U-Bahn ist sie nur in dem Sinne, dass sie unterirdisch geführt wird, die Antriebstechnik ist die einer reinen Standseilbahn. In dieser Hinsicht ist "Tünel" oder auch Füniküler Kabataş–Taksim, kurz F1, auch die kürzeste U-Bahn der Welt.
Zunächst wurde die Bahn mit einer Dampfmaschine, die etwa 110 kW leistete, betrieben. Noch heute ist der alte Schornstein gegenüber der Bergstation zu erkennen. Auch die ursprüngliche Dampfmaschine ist noch vorhanden, wenn gleich auch nicht mehr betriebsbereit. Die Waggons waren so ausgelegt, dass sie Pferde und Gespanne transportieren konnten. Das Standseilbahnsystem stammt von der schweizerischen Firma Garaventa.
1911 wurde die Konzession zum Betrieb des Tünel auf die Gesellschaft Dersaadet Mülhakatindan Galata ve Beyoğlu Beyninde Tahtel' arz Demiryolu übertragen. Die Stadtregierung kaufte am 1. Januar 1939 die Tünel-Betreibergesellschaft und übertrug den Betrieb am 16. Juni 1939 an die neu gegründete İETT (Istanbul Elektrik Tramvay ve Tünel). Während des Zweiten Weltkrieges musste der Betrieb für dreieinhalb Monate eingestellt werden, da einige Ersatzteile nicht besorgt werden konnten.
Nach dieser Zeit wurde Tünel durch die französische Electro Enterprise modernisiert und die Elektrifizierung wurde am 3. November 1971 abgeschlossen. Von nun an konnten durch die elektrisch betriebenen Waggons mit jetzt 257 kW Leistung max. 170 Personen pro Fahrt innerhalb 90 Sekunden zwischen den zwei Haltestellen Karaköy-Pera befördert werden. Heute kommen zwei luftbereifte Fahrzeuge zum Einsatz, die im Abstand von zwei Minuten, in Spitzenzeiten im Abstand von 90 Sekunden verkehren. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30 km/h, die Reisegeschwindigkeit bei 25 km/h. Aus der zweigleisig geführten Strecke wurde eine eingleisige Gegenverkehrs-Strecke mit einer Ausweichmöglichkeit in der Streckenmitte. Die neueste Restaurierung wurde 2007 unternommen, wobei die Wagen mit modernem Design ausgestattet wurden.
In der langen Betriebsgeschichte des Tünels gab es bisher einen Unfall. Am 6. Juli 1943 riss ein Kabel der Standseilbahn, der Waggon konnte damals nicht bremsen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit zu Tal. Insgesamt forderte dieser Unfall ein Todesopfer und sechs schwer verletzte Personen. Insgesamt befördert der Tünel etwa 5,4 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Er legt 37.066 Wagenkilometer im Jahr zurück und fährt pro Jahr insgesamt 64.800 Fahrten zwischen der Talstation Karaköy und der Bergstation Tünel.
An der Station Taksim besteht ein Übergang zur Metro nach 4. Levent, zur historischen Straßenbahn Taksim-Tünel (Nostaljik Tramvay) und zahlreichen Buslinien. An der Station Kabataş besteht Verbindung zur Straßenbahn (Çağdaş Tramvay) Richtung Bahnhof Sirkeci–Aksaray–Zeytinburnu–Bağcılar, zu Bosporusfähren und einigen Buslinien. Da der Verkehr auf den Straßen Istanbuls auch gern als echter Höllenverkehr bezeichnet wird, sollten Sie als Besucher der Stadt immer auf öffentliche Verkehrsmittel zurück greifen. Warum also nicht in der Kombination Bosporus Fährüberfahrt kombiniert mit der Tünel und der historischen Tram durch die Istiklal Caddesi. Wer die Zeit hat und das Fahren mit der Eisenbahn genießen kann, dem sei auch der Orient Express durchaus empfohlen.
Im Norden schließt sich an den Taksim Platz der Gezi-Park an. Auf dem Gelände des Parkes und dem benachbarten Areal namens Talimhane, rechts und links der Straße der Republik gelegen, befand sich früher eine Artillerie-Kaserne der osmanischen Elitetruppe der Janitscharen. Sie wurde im Zuge der Gefechte während der Einnahme Istanbuls durch mazedonische Truppen unter dem Kommando der Jungtürken am 24. April 1909 beschädigt und später verkauft. Auf dem Gelände östlich der Straße der Republik wurde das Taksim-Stadion (Taksim Stadyumu) errichtet, das im Jahre 1940 abgerissen wurde, damit an derselben Stelle der heutige Park eingerichtet werden konnte. Bis 2002 gab es umstrittene Pläne, auf dem Parkgelände eine Moschee zu errichten, Pläne die letztendlich in 2012 wieder hervorgekramt wurden und so mit zu den Protestaktionen geführt haben.
Das benachbarte Talimhane Gelände wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Geschäftshäusern und Hotels bebaut. Ab 1551 befand sich hier der armenische Pangaltı-Friedhof. Nach dessen Abriss 1930 wurden die Hotels Divan, Hilton, Hyatt sowie das TRT-Gebäude errichtet. Im Jahre 1919 errichtete man zum 4. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern das Taksim-Völkermord Mahnmal, welches jedoch im Jahre 1922 unter bislang ungeklärten Umständen verschwand. Südlich des Platzes steht das Hochhaus des Marmara-Hotels. Das 26 Etagen umfassende und 96 Meter hohe Gebäude wurde 1969 fertig gestellt und ist auch hinsichtlich der Massenproteste in die Schlagzeilen geraten. Am östlichen Ende des Taksim-Platzes liegt das Atatürk-Kulturzentrum (Atatürk Kültür Merkezi, kurz AKM). In dem Mehrzweckveranstaltungszentrum mit mehreren Bühnen finden unter anderem Opern- und Ballettaufführungen statt.
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Städteführer Istanbul MM-City / Michael Bussmann, Gabriele Tröger
Die Stadt ist der türkische Schmelztiegel an Innovation, moderner Lebensfreude und jugendlicher Aufmüpfigkeit. Am Bosporus boomt die Wirtschaft, herrscht reger Handel und Wandel und werden die neuesten Trends des Landes zwischen Orient und Okzident, zwischen Kommerz und Koran vorgegeben. Gleichzeitig pflegt man liebevoll sämtliche Klischees aus 1001 Nacht: mit illuminierten Kuppeln und Minaretten, orientalischen Basaren und glitzernd-rasselnden Bauchtänzerinnen.
Michael Bussmann, Gabriele Tröger
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