Großprojekte - Die Bosporus Brücke ist bereits fertig!
- Geschrieben von Portal Editor
Mittlerweile fertiggestellt - trotz vielschichtiger, langanhaltender Proteste: Seit einigen Wochen wird am Bosporus mit schweren Maschinen an den Fundamenten der neuen Brücke gearbeitet, denn trotz der zwischenzeitigen Proteste gegen die Willkür der Regierung, riesige Bauprojekte ohne Zustimmung und Befragung der Bürger umzusetzen, ist mit dem Bau des Megaprojekts dritte Bosporus Brücke begonnen worden.
Geschätzte Kosten des Bauwerks belaufen sich auf 3,5 Milliarden Euro.
Bislang gibt es zwei Brücken (Bogazici Köprüsü und die Fatih-Sultan-Mehmet-Köprüsü), die den Bosporus zwischen Europa und Asien überqueren und die das immense Verkehrsaufkommen der Metropole Istanbul meistern müssen. Einen wirtschaftlichen Schaden von jährlich rund zwei Milliarden Dollar an verschwendetem Sprit und an verpasster Arbeitszeit verursachen die Dauerstaus, sagt die Regierung. Oft genug gibt es Stauungen und Probleme - folglich ist doch wohl der Bedarf einer weiteren Brücke nicht in Frage zu stellen, oder? Warum also Proteste der Bürger und Umweltschützer gegen das Projekt?
Hängebrücke von Garipce in Europa aus nach Poyrazköy
Den Termin für die offizielle Grundsteinlegung der dritten Bosporusbrücke wählte die islamisch-konservative AKP-Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan einmal mehr mit Bedacht aus der osmanische Vergangenheit des Landes: Genau vor 560 Jahren hatte Sultan Mehmet II mit seinem Heer das seiner Zeit byzantinisch-christliche Konstantinopel erobert. Um einen Bezug zwischen dem historischen Ereignis und der Grundsteinlegung der Brücke herzustellen, hat man zur musikalischen Untermalung des Ereignisses eine Janitscharenkapelle geordert. Die Janitscharen gehörten seiner Zeit zu den Elitetruppen des Sultans. In seiner Laudatio während der Feier sagte Erdoğan entsprechend, dass die Eroberung Konstantinopels den Lauf der Geschichte verändert hätte, ein "dunkles" Kapitel der Geschichte sei zu Ende gegangen. Danach folgte die Auflistung einer Reihe berühmter Bauwerke der Osmanen, ein Schelm, der jetzt Bezüge zu den monströsen Großprojekten der Regierung Erdoğan herstellt.
Während der laufenden Fernsehübertragung verhandelt Erdoğan mit den beiden anwesenden Firmenvertretern der ausländischen Baukonzerne, ob die Brücke nicht bereits 5 Monate früher als bisher geplant fertig gestellt werden könnte. Damit könnte auch der Einweihungstermin wieder auf den 29. Mai fallen, dem Tag der Eroberung Konstantinopels. Bislang war als Fertigstellungstermin der Tag der Republikgründung 2015 als Eröffnungstermin geplant.
Auf die Frage nach dem geplanten Namen für das Brückenbauwerk sagte Staatspräsident Abdullah Gül: "Wie Sie wissen, trägt die erste Bosporusbrücke den Namen unseres Staatsgründers und ersten Präsidenten der Republik, Kemal Atatürk. Die zweite Bosporusbrücke wurde auf den Namen des Eroberers der Stadt Istanbul, SultanMehmet, getauft. Die dritte Brücke nun soll Yavuz Sultan Selim heißen."
Ob dies vor dem Hintergrund der osmanischen Geschichte eine gute Überlegung ist, bleibt noch zu prüfen, denn diesem Sultan wurde einst der Beiname "Der Grausame" verliehen, unter anderem weil er seine Brüder und seine Neffen hinrichten ließ. Yavuz Sultan Selim I. herrschte von 1512 bis 1520 über das Osmanische Reich und unterwarf praktisch die gesamte arabische Halbinsel.
Dabei ist doch eine Brücke im übertragenen Sinne immer etwas Verbindendes, warum das der historisch-verklärten Dramaturgie der Regierung nicht klar ist, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
Neben dem geplanten neuen Flughafen und dem Kanal zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmarameer soll die dritte Bosporusbrücke zu den spektakulären Großbauten Erdoğans zählen, wohl nicht ganz ohne politisches Kalkül in Hinsicht auf die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen der kommenden Jahre.
Den Umweltschützern zum Trotz - Großprojekte
Besonders von Seiten der Umweltschützer gibt es erhebliche Zweifel an den Plänen Erdoğans, weshalb es schon früh zu Protesten gegen den Bau der Brücke gegeben hat. Ausgedehnte Waldflächen, die der Wasserversorgung Istanbuls dienen, werden zerschnitten, wenn nicht gar zerstört.
"Die Regierung behauptet, der ganze Transitverkehr durch Istanbul werde dann über die dritte Brücke geleitet und die Stadt entlastet. Statistisch betrachtet, besteht Istanbuls Verkehr allerdings nur zu drei Prozent aus Transitverkehr. Das Projekt dritte Bosporus Brücke wird Istanbuls Verkehr also nicht entlasten," so lassen Kritiker des Projekts.
"Der Norden, das ist die Lunge der Stadt Istanbul. Dieses Gebiet wird nun zu neuem Bauland werden", sagt ein Passant. "Die Autobahnen werden durch Wälder führen und alles Grün dort vernichten."
Nach den Protesten der Umweltschützer war eine Umplanung vorgenommen worden und man will jetzt die Anschlussautobahnen zumindest teilweise auf Stelzen bauen und Brücken für Tiere zum Überqueren der Strecken errichten. Ob dies allerdings tatsächlich vor den Ereignissen der letzten Wochen umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Kammern der Architekten und Ingenieure, die maßgeblich auch an den Protesten im Gezi Park beteiligt waren, sind zukünftig von der Mitsprache bei öffentlichen Großprojekten ausgeschlossen. Eine weitere Fragestellung ergibt sich aus der Problematik der Finanzierung dieser Großprojekte. Seit der Gezi Park Proteste gibt es allerdings auch erhebliche Zweifel, ob die türkischen Banken weiterhin bereit sind, Kapital zur Verfügung zu stellen. Bislang wurden alle Großprojekte durch die Banken getragen, allein sieben türkische Banken sagten bisher die Finanzierung der Bosporus Brücke zu. Gebaut wird die Brücke von einem türkisch-italienischen Konsortium, das in den ersten zehn Jahren des Betriebs mit den Mautgebühren Geld verdienen darf.
Für Erdoğan und seine Regierungspartei AKP sind alle Einwände gegen die dritte Brücke ohnehin nur weltfremdes Geschwätz genau wie auch alle Demonstranten nach wie vor kontinuierlich beschimpft werden, denn gerade erst verglich er die Demonstranten an den regierungsfeindlichen Protesten Medienberichten zufolge mit "erbärmlichen Nagetieren". "Diese versuchten, Löcher in das Schiff zu nagen, das alle 76 Millionen Türken trage," sagte Erdoğan aktuell in Ankara. Der islamisch-konservative Regierungschef bezog sich dabei auf seine Vorwürfe, die Demonstranten wollten die türkische Wirtschaft zerstören.
Bitte lesen Sie auch:
Die Selimiye Moschee in Edirne - Mimar Sinan
Rottweil - Kinzigtalstrasse und Dominikaner Kloster