Deutschland ist meine zweite Heimat
- Geschrieben von Portal Editor
Ayhan Kurt gibt unumwunden zu, dass er immer noch Sehnsucht nach Deutschland hat. «Deutschland ist meine zweite Heimat», sagt der 57-Jährige, der davon träumt, seinen inzwischen längst erwachsenen Kindern eines Tages ihren Geburtsort zu zeigen: Hattingen bei Bochum.
13 Jahre lang war er in Deutschland, wollte eigentlich Maschinenbau studieren, landete in einem Walzwerk in Bochum und ließ sich 1983 - zuletzt ohnehin auf Stempelgeld angewiesen - die Rückkehr in die Heimat mit 10 000 Mark Rückkehrprämie «versüßen».
Wie viele Heimkehrer der ersten Generation musste der «Frührentner» bald feststellen, dass die staatliche türkische Rente nicht ausreichte, um im teuren Istanbul Frau und zwei Kinder zu ernähren. Nach mehreren Anläufen bei türkischen Firmen stellte ihn vor mehr als zehn Jahren eine deutsche Stiftung als Finanzsachbearbeiter an - eine Stellung die den inzwischen leicht ermüdeten Wanderer zwischen zwei Welten sichtlich mit Zufriedenheit erfüllt.
Viel und heftig diskutiert werden seit jeher die Probleme, die Deutschland mit der Integration «seiner» Türken hat. Weit weniger Aufmerksamkeit wird der häufig nicht weniger problematischen Reintegration der in die Türkei zurückkehrenden «Almanyalilar» (Deutschländer) geschenkt. Das fängt bei den Zahlen an: Keiner weiß genau, wie viele es eigentlich sind. In Deutschland werden allein die offiziellen Abmeldungen mit Ziel Türkei erfasst - jährlich um die 400 000, wie das Saarbrücker Isoplan-Institut für Entwicklungsforschung in einer Untersuchung feststellte.
Eigentlich möchte man meinen, dass die aus dem führenden Industrieland Europas zurückkehrenden Arbeitnehmer in der Heimat leicht einen neuen Job finden. Weit gefehlt: Der Anteil derer, die im Ausland zusätzliche oder neue berufliche Qualifikationen erworben haben, sei sehr gering, stellte die Friedrich-Ebert-Stiftung in Istanbul in einem Bericht fest. Auf der anderen Seite sei die türkische Wirtschaft wegen der Ansprüche an Bezahlung und soziale Sicherheit nicht gerade auf die Neuankömmlinge erpicht, so diese - nicht zuletzt aus Prestigegründen - überhaupt ein abhängiges Arbeitsverhältnis anstreben.
Besonders die erste Generation der Gastarbeiter hatte bei der Rückkehr ganz anderes im Sinn - entweder vom Ersparten zu leben (endlich ein eigenes Haus, Grundstück, Garten oder Feld) oder aber sich selbstständig zu machen. Was häufig scheiterte. Im ohnehin heiß umkämpften Markt marginaler Dienstleistungen, dem bevorzugten Investitionsbereich, waren die unvorbereiteten Heimkehrer den einheimischen Konkurrenten schnell unterlegen.
Selbst eine nach deutschen Verhältnissen solide Ausbildung ist kein Erfolgsgarant: «Als gelernte Hauswirtschafterin mit Berufserfahrung hatte ich plötzlich keinen Beruf mehr, weil es das hier gar nicht gibt», stellte Nilüfer aus Ankara fest, eine von 30 türkischen Migranten, die Marie-Luise Gries von Isoplan befragte.
Kein Einzelfall: In der Türkei gibt es kaum mehr als 100 anerkannte Berufe. «Wir haben 360», sagt die Sozialreferentin der Deutschen Botschaft in Ankara, Gerhild Pinkvoss-Müller. Sie plädiert dafür, «neue Berufsbilder in die Türkei zu bringen» - nicht nur um türkischen Heimkehrern Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen. Rückkehrer seien ein wichtiges Potenzial für die deutsche Industrie. Unverständlich sei ihr deshalb, dass das Bundesarbeitsministerium die Unterstützung für deutsch-türkische Berufsausbildungsprojekte gestrichen habe.
Experte: Integration der Türken in Deutschland schreitet voran
In einer Bilanz zum 40. Jahrestag des so genannten Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei sagte Aydin, die Integration der Türken schreite trotz einiger Probleme voran. Nach vier Jahrzehnten seien aus den ehemaligen Gastarbeitern längst Einheimische geworden. In Deutschland leben nach Angaben des Zentrums, das an die Universität Essen angegliedert ist, rund zwei Millionen Türken sowie rund 400 000 türkischstämmige Deutsche.
Trotz der langen Zeit erwarte jedoch die deutsche Mehrheit nach wie vor Anpassung von der türkischen Minderheit. Kontakte zwischen Deutschen und Türken bezeichnete der Migrationsforscher als «nach wie vor nicht rege genug». Mangelndes Verständnis auf deutscher Seite sowie der Rückzug der Türken in selbstgeschaffene Ghettos seien dafür verantwortlich. «Die erste Generation begreift sich oftmals immer noch als Gast, der sich zurückhaltend verhalten muss.»
Auch gebe es immer noch ein Sprachproblem. So verbrächten oftmals kleine Kinder berufstätiger Eltern viel Zeit bei ihren Großeltern, die hauptsächlich Türkisch sprechen. Deutsch zu lernen falle diesen Kindern später dann umso schwerer.
Die Bildung der Türken nehme allerdings zu, sagte Aydin weiter. So sei beispielsweise die Zahl der Hochschulabsolventen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile verließen pro Jahr rund 1000 Türken oder Türkischstämmige deutsche Hochschulen mit einem Abschluss.
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