Von Edessa bis Sanli-Urfa - eine Zeitreise
Es wird vermutet, dass Urfa identisch ist mit dem hurritischen Urschu, das um 2000 vor Christus in sumerischen, akkadischen und später in hethitischen Keilschrifttexten erwähnt wird.
1370 wurde Urschu von den Hethitern unter Šuppiluliuma I. erobert. Nach dem Ende des Hethiterreiches gehörte Urschu zu Karkemisch.
Seleukiden und Partheer
Aus machtpolitischen Gründen nahm Seleukos I. eine Neugründung unter dem makedonischen Namen Edessa vor. Das Gründungsdatum wird gewöhnlich als 303 angegeben. Die Stadt hatte ein rechtwinkliges Straßennetz mit viereckigen Mauern und Toren, die nach den Himmelsrichtungen orientiert waren. Der Burgberg lag nur teilweise innerhalb der Stadtmauern.
Unter den Partheern entstand um Urfa das Königreich Osrhoene. Die Liste der Könige findet sich in der Chronik des syrischen Erzbischofs Dionysius von Tellmahre.
Urfa hatte anfänglich mit dem Kult des Mondgottes Sin im nahen Harran konkurriert. Bedeutend war auch die Verehrung der Göttin Taratha. In einem Gesetzbuch aus der Schule von Bar Daisan (Bardesanes) aus dem frühen 3. Jahrhundert wird berichtet, dass sich in Syrien und Urhâi die Männer zu Ehren von Taratha kastrierten.
Edessa wurde früh christianisiert. Nach der - historisch nicht sicher nachzuweisenden - Taufe des ersten christlichen Königs Abgar V. Ukama und vieler Bewohner seiner Reiches wurden im Jahre 190 unter König Abgar IX. (179-214) die ersten christlichen Kirchen gebaut. Abgar V. soll auch angeordnet haben, dass jedem, der sich zu Ehren von Taratha kastrierte, die Hand abgeschnitten wurde, worauf diese Sitte erlosch. Im 3. Jahrhundert wurden ebenfalls zahlreiche Klöster und Kirchen erbaut. Die Gebeine des heiligen Thomas (Mar Tuma) wurden um 233 n. Chr. in die Stadt gebracht und in der Hauptkirche bestattet.
Römer und Byzanz
Unter römische Herrschaft behielt die Stadt ihre Unabhängigkeit. Pompeius bestätigte Abgar von Edessa in seinem Amt. Dieser scheint dann nach Plutarch eine wichtige Rolle in der Niederlage des Crassus gespielt zu haben, Segal (1970) bezweifelt die Darstellung allerdings.
Danach wurde Urfa/Edessa mitsamt der Osrhoene parthisch. Als Trajan 114 in Antiochia weilte, brachte ihm Abgar, der König von Edessa Geschenke, darunter über 200 Pferde. Aber schon 116 fiel Abgar von den Römern ab und die Stadt wurde zerstört. Hadrian setzte einen parthischen Prinzen als Herrscher über Edessa ein. 165 rebellierte die Stadt gegen die Parther und öffnete römischen Truppen die Tore, der Herrscher wurde römischer Klient. 194 rebellierte Edessa erneut und wurde von Septimius Severus unterworfen. Schließlich erhielt der König jedoch seinen Thron zurück. Kaiser Caracalla ließ den König von Osrhoene in Rom absetzen und töten und machte die Stadt 214 zur römischen colonia. Es scheint jedoch auch weiter Könige gegeben zu haben; so siedelte ein König (Phylarch) Abgar 243 mit seiner Familie nach Rom über.
Im Jahre 259/260 wurden die Römer unter Valerian durch die Perser unter Schapur I. in der Nähe von Edessa besiegt, der Kaiser geriet in Gefangenschaft.
Die Stadt besaß eine Münzprägestätte, hatte eine weltoffene Oberschicht und war ein Zentrum für den Karawanenfernhandel mit Luxusgütern. So gab es seit alter Zeit Handelsbeziehungen zwischen Edessa und Indien. Hier kam es daher in besonderem Maße zu Kulturkontakten zwischen Orient und Okzident.
Während der Spätantike war Edessa ein wichtiges religiöses und intellektuelles Zentrum, auch wenn die „Perserschule von Edessa“ 489 auf Druck des Kaisers Zenon geschlossen wurde (die Dozenten wanderten ins persische Sassanidenreich (zurück nach Nisibis) aus). Vor allem im 6. Jahrhundert war die Stadt zwischen Byzantinern und Persern schwer umkämpft; 543 oder 544 scheiterte eine großangelegte Belagerung durch den persischen Sassaniden Chosrau I. Schon 525 waren weite Teile der Stadt zerstört worden, als der Fluss Daisan über die Ufer trat. Kaiser Justinian I. ließ daraufhin umfangreiche Baumaßnahmen durchführen.
Im Jahre 638 fiel die Stadt ungeachtet der Abgar-Legende in die Hände der arabischen Muslime; damit endete dieantike Geschichte des Ortes. 1052 fiel Edessa wieder an Byzanz. Dann ergriff der armenische Abenteurer Abu-Kab die Herrschaft, ihm folgte sein Sohn Vasil. Nach dessen Tode konnte der ehemalige byzantinische Kuropalates Philaretus Brachamius die Stadt einnehmen. 1097 im Handstreich von den Kreuzfahrern erobert, kam Edessa unter fränkische Herrschaft und war bis 1144 die Hauptstadt der Grafschaft Edessa. Im Jahre 1147 wurde Edessa von den Seldschuken erobert und geplündert.
In den folgenden Jahrhunderten wechselte die Herrschaft häufig.
Neuzeit
1637 wurde Edessa in das Osmanische Reich eingegliedert und in Urfa umbenannt. Zu dieser Zeit war die Stadt ein Handelszentrum für Baumwolle, Leder und Juwelen.
1830 geriet die Stadt kurzzeitig unter die Kontrolle des ägyptischen Gouverneurs Muhammad Ali Pascha.
1895, nach den Pogromen gegen Armenier und Aramäer durch spezielle Einheiten des Sultans, den sogenannten Hamidiye, im Süden und Osten Anatoliens, baute Johannes Lepsius in der Stadt mehrere karitative Einrichtungen für die Überlebenden der Pogrome auf, die ab 1903 von der dänischen Missionarin Karen Jeppe geleitet wurden, die sich während des Ersten Weltkrieges einen Namen als Retterin zahlreicher armenischer Flüchtlingskinder vor dem Genozid machte. 1917 verließ Jeppe krankheitsbedingt die Türkei und setzte ihre Arbeit 1921 als offizielle Beauftragte des Völkerbundes im benachbarten Syrien fort.
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