Archäologen haben in der Türkei neben den unterirdischen Städten in Kappadokien vor kurzem eine weitere riesige unterirdische Stadt entdeckt von der die Forscher annehmen, dass sie die bislang größte unterirdische Stadtanlage auf der Welt sein könnte.
Die eher zufällige Entdeckung wurde bei Reinigungs- und Konservierungsarbeiten in der historische Stadt Mardin gemacht, als Arbeiter einen unterirdischen Gang im Stadtteil Midyat in Mardin entdeckten.
UNESCO Weltkulturerbestadt Mardin
Das Gebiet um Mardin in Südostanatolien gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und bietet schon oberirdisch etliche imposante Bauten und antike Bauruinen zur Besichtigung. Bauarbeiter legten jetzt eine Kalksteinhöhle frei, die zu einem Tunnel und von dort in andere Höhlen führte. Schnell begannen große Ausgrabungsarbeiten und so konnten bis Ende 2022 bereits 49 Räume Besuchern zur Besichtigung freigegeben werden. Die unterirdische Stadt wurde nach dem alten assyrischen Namen der Stadt Midyat, Matiate genannt, was „Stadt der Höhlen“ bedeutet.Hinter der ersten Höhle folgten weitere Höhlen, die durch ein weitläufiges Netz aus Korridoren verbunden waren. Insgesamt sind 49 Räume unter der Stadt freigelegt, darunter Vorratskammern und Zimmer mit Altären, Wandgemälden und unterirdischen Quellen.
Die vor Ort arbeitenden Archäologen vermuten jedoch, dass die bisher bekannten Höhlen erst drei Prozent der gesamten Anlage ausmachen. Anhand darin gefundener Artefakte ließ sich die Nutzung der unterirdischen Stadt auf das 2. und 3. Jahrhundert datieren. Die Archäologen nehmen weiterhin an, dass die unterirdische Stadt für etwa 1.900 Jahren genutzt wurde, während ihres Höhepunktes sogar von bis zu 70.000 Menschen bewohnt wurde und als das größte bislang gefundene Höhlensystem der Welt gelten kann. Die Ursprünge der Stadt reichen bis ins 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. Zurück. Die Ausgrabungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultur und Tourismus, der Gemeinde Midyat und dem Museum von Mardin durchgeführt und erstreckten sich auf den gesamten Bezirk Midyat.
Ausübung des Christentums war – teils bei Todesstrafe – verboten
Vermutlich bauten frühe Christen das Höhlennetz immer weiter aus, um hier leben und ungestört ihren Glauben praktizieren zu können. Denn während der entsprechenden Jahrhunderte gehörte die Gegend zur römischen Provinz Mesopotamia, und die Ausübung des Christentums war – teils bei Todesstrafe – verboten. Aus der Größe der Anlage folgert der Ausgrabungsleiter und Direktor des örtlichen Museums, Gani Tarkan, dass sie von etwa 60 000 bis 70 000 Menschen bewohnt wurde. Damit ist Matiate deutlich größer als bisher bekannte unterirdische Städte. Derinkuyu in Kappadokien beispielsweise beherbergte „nur“ rund 20 000 Menschen, die Bewohner dort bauten ihre Stadt bis zu acht Stockwerke tief in die Erde.
Gani Tarkan geht davon aus, dass das Höhlensystem als Versteck für Verfolgte diente. Während der Römerzeit wurde die christliche Religion verfolgt und ihre Anhänger lebten bekanntermaßen in ähnlichen Untergrundstädten in ganz Anatolien. Im Höhlensystem gibt es eine christliche Kirche und einen Raum mit einem Davidstern, bei dem es sich vermutlich um eine jüdische Synagoge handelt. Forscher gehen davon aus, dass es zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert als Versteck genutzt wurde. Nachdem die Bevölkerung wieder an die Oberfläche kam, wurden die Räumlichkeiten weiterhin als Weinkeller und Katakombe genutzt.
Tarkan: In unterirdischer Stadt in der Türkei lebten 60-70.000 Menschen
„Diese unterirdische Stadt wurde 1.900 Jahre lang ununterbrochen genutzt“, so Gani Tarkan, Direktor des Museums von Mardin und Leiter der Ausgrabungen in Matiate. „Sie wurde zunächst als Versteck oder Fluchtort gebaut. Wie bekannt ist, war das Christentum im zweiten Jahrhundert keine offizielle Religion. Familien und Gruppen, die das Christentum annahmen, suchten im Allgemeinen Schutz in unterirdischen Städten, um der Verfolgung durch Rom zu entgehen, oder gründeten diese unterirdische Stadt. Möglicherweise war die unterirdische Stadt in Midyat einer der zu diesem Zweck errichteten Lebensräume. Wir schätzen, dass dort mindestens 60-70.000 Menschen im Untergrund lebten.“, so Tarkan. Die Forscher schätzen, dass Sie bisher nur 3 % der Gesamtgröße der unterirdischen Stadt zutage fördern konnten. Damit wäre Matiate die größte bisher entdeckte Höhlenstadt. Und das will etwas heißen. In der Türkei wurden bereits über 40 solcher ausgeklügelten unterirdischen Städte gefunden.
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