Aus der Ägyptischen Mythologie ist die Göttin Sachmet wohl aufgrund ihrer Löwengestalt in Verbindung mit ihrem Attribut "Die Mächtige" durch eine Vielzahl verschiedenartiger Darstellungen recht bekannt.
Sie war einst die Göttin des Krieges aber auch des Schutzes vor Krankheiten und deren Heilung, ihr antiker Beiname lautete "Die Herrin des Zitterns". Häufig wurde diese Göttin als sitzende oder stehende Frau mit einem Löwenkopf dargestellt. In der ägyptischen Mythologie ist sie die Tochter des Sonnengottes Re, die Gemahlin des Ptah und die Mutter des Lotusgottes Nefertem.
Torsoteile der Göttin Sachmet in Bergama
Bei den Ausgrabungsarbeiten durch das Deutsche Archäologische Institut (DAI) an der roten Basilika in Bergama waren in den letzten Jahrzehnten Teile einiger riesiger Marmor Statuen gefunden worden, so auch Torsoteile der Göttin Sachmet. Zur Zeit der Römer war es durchaus üblich, auch die Götter anderer Völker mit zu vereinnahmen auch wenn man ihnen dann häufig neue Namen gab. Dies nur als Anmerkung zur aufkommenden Frage, warum eine ägyptische Göttin an der Basilika von Bergama aufgestellt war, denn Sachmet wurde in Memphis, Letopolis, Bubastis, Karnak, Esna und allen großen Tempeln in Nubien verehrt. In Memphis bildete sie zusammen mit ihrem Gemahl Ptah und dem Sohn Nefertem seit dem Neuen Reich eine Dreiheit. Amenophis III. ließ im Mut-Tempel von Karnak etwa 700 Statuen der Sachmet aufstellen, wo beide Gottheiten in ihrer Verschmelzung zu Mut-Sachmet löwenköpfig dargestellt werden.
Nach Ansicht einiger Forscher dienten die Statuen dem Kult der Göttin im Jahresverlauf: Vor jeder Statue wurden an den einzelnen Tagen des Jahres zur Besänftigung der Göttin Gebete gesprochen; für jeden Tag war dabei mindestens ein Gebet vorgesehen. Andere Forscher sind der Meinung, dass dieser Tempel zur Abwehr großer Gefahren dienten und vermuten dahinter die Pest. Als Beweise für diese Annahme dienen ihnen damals im Lande hastig verscharrte Tote und Pestgebete der Nachbarvölker, in denen kranke Ägypter beschrieben werden.
Von Gebäuden aus der römischen Kaiserzeit bis hin zu osmanischen Wohnhäusern
Deutsche und türkische Archäologen konnten jetzt das Standbild der Göttin Sachmet in Pergamon rekonstruieren und feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Die Akropolis im türkischen Pergamon zieht mit ihren Tempeln, Palästen, Kasernen sowie einem kolossalen Theater und einem gewaltigen Gymnasium inzwischen jährlich rund 450 000 Besucher an. Deutsche Archäologen haben im 19. Jahrhundert zwar den Hauptaltar ausgegraben und in Tausenden von Kisten auf die Museumsinsel nach Berlin gebracht, aber sie ließen an dieser bedeutenden hellenistisch-römischen Ausgrabungsstätte im Nordwesten der Türkei genügend Material zurück, das heute wahre Touristenströme auf den Burgberg und das angegliederte Museum lockt. In die unmittelbar benachbarte türkische Kreisstadt Bergama – die türkische Form von Pergamon – hingegen kommt kaum einer der Archäologietouristen. Wir hatten erst kürzlich aus Anlass eines Konzerts von der Roten Basilika berichtet.
Seit kurzem bemühen sich Archäologen und Restaurateure, das Städtchen Bergama ein wenig aufzuwerten, denn die moderne Stadt Bergama hat einiges zu bieten: von Gebäuden aus der römischen Kaiserzeit bis hin zu osmanischen Wohnhäusern aus fünf Jahrhunderten. Die Rote Halle in Pergamon gehört zu bedeutendsten und größten römischen Kultanlagen im gesamten östlichen Mittelmeerraum. Sie wurde unter Kaiser Hadrian (er regierte 117 bis 138 n. Chr.) um 130 n. Chr. errichtet. Unter ihm entstand am Fuße des Burgbergs eine imposante, mehreren Göttern sowie dem Kaiserkult geweihte Tempelanlage, die zu den bedeutendsten und größten römischen Anlagen im gesamten östlichen Mittelmeerraum gehört. Bei archäologischen Grabungen seit den 1930er Jahren wurden Reste einer einzigartigen Marmorausstattung gefunden, darunter Fragmente kolossaler Statuen in ägyptischen Stil. Sie hatten einst paarweise als Karyatiden und Atlanten die beiden Seitenhöfe der großen Basilika gerahmt. Diese ägyptischen Stützfiguren der Roten Halle können zu den bedeutendsten römischen Großskulpturen im Osten des Imperium Romanum gerechnet werden.
Sphinx Figur aus Hattuscha
Seit 2006 fokussieren sich der Archäologe Felix Pirson und der Bauforscher Martin Bachmann, die gemeinsam sowohl die Ausgrabungen in Pergamon als auch die Außenstelle Istanbul des DAI leiten, auf die Ruinen dieses vorwiegend aus Ziegeln erbauten und daher „Rote Halle“ genannten Heiligtums. Die ersten Ausgrabungen an dieser Stätte fanden bereits in den 1930er Jahren statt – ebenfalls unter Leitung des DAI, das mit kriegsbedingten Unterbrechungen seit über hundert Jahren in Pergamon arbeitet. Damals entdeckten die Archäologen im Inneren der Roten Halle die Fragmente der Marmorskulpturen. Die Forscher schlossen daraus, dass das Heiligtum einer ägyptischen Gottheit geweiht gewesen war, wahrscheinlich Isis oder Serapis. Inzwischen erweiterten die Wissenschaftler die damalige Annahme: „Neben Zeus-Serapis und der anatolischen Muttergottheit Kybele wurde dort wohl auch der römische Kaiser selbst verehrt“, sagt Bachmann.
Zuletzt hatte es erhebliche Misstöne zwischen deutschen Archäologen und den türkischen Behörden gegeben, die u. a. die Sphinx Figur aus Hattuscha zurückgefordert hatten. Die Rückgabeforderungen einiger türkischer Politiker an das Pergamonmuseum, die damit einhergehenden gegenseitigen Anschuldigungen sowie der Abzug der Archäologen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen von der traditionsreichen Ausgrabungsstätte in Troja und aus Göbeklitepe bei Sanliurfa waren die Höhepunkte des Streits, auch darüber hatten wir berichtet.
Prokonnesischen Marmor von der Marmara Adası
In Pergamon läuft die Zusammenarbeit nun anscheinend reibungslos. In Kooperation mit türkischen Kollegen setzen die Wissenschaftler aus Berlin Stück für Stück den gesamten Komplex der Roten Halle wieder instand. Dabei geht es meist um Stützmauern und Kellergewölbe, deren Bewahrung dem Laien und Besucher kaum auffällt. Im Rahmen dieser Restaurierungsarbeiten, die von der Studiosus Foundation großzügig unterstützt wurden, ist es gelungen, eine dieser Figuren aus vielen Fragmenten wiederherzustellen. Die löwenköpfige ägyptische Göttin Sachmet war zum Teil bereits im vergangenen Jahr erstmals probeweise aufgebaut worden. Nun hat sie jedoch ihre endgültige Aufstellung mit dem mächtigen Kopfschmuck in der eindrucksvollen Gesamthöhe von 8.50 m erhalten. Die Figur wird eingebettet in einen Probestreifen der ursprünglichen Boden- und Wandbeläge aus kostbaren Marmorarten, der unter Verwendung von Originalfragmenten aufwendig rekonstruiert wurde. Es handelt sich um weißen prokonnesischen Marmor von der Marmara Adası, rötlich geäderten Pavonazzetto und schwarzgrauen Marmor aus Afyon. Die Belagproben geben eine Vorstellung von der prachtvollen polychromen Ausstattung der Roten Halle, die heute ihrer ursprünglichen Verkleidungen beraubt als reiner Ziegelbau in Erscheinung tritt.
Die Wiederherstellung der Monumentalskulptur und ihres dekorativen Rahmens fußen auf aktuellen archäologischen Forschungsergebnissen. Durch ihre Umsetzung im originalen architektonischen Kontext werden sie der Diskussion um die Wirkungsweise antiker Skulpturen im Raum wichtige neue Anstöße geben. Als Teil eines neuen Besucherkonzepts wird die Göttin Sachmet zukünftig die didaktische Qualität und Attraktivität der Roten Halle auch für touristische Besucher erheblich steigern.
So werden aus Fachkräften Experten
Die Stadtverwaltung will den Tourismus in Pergamon nämlich mit einem neuen Konzept ankurbeln. Der Burgberg mit seinen hellenistisch-römischen Ruinen, die moderne Stadt mit ihren antiken und osmanischen Monumenten sowie das Umland sollen gemeinsam und epochenübergreifend präsentiert werden. Die Idee dahinter: Wer Pergamon besucht, soll möglichst auch nach Bergama kommen. Darüber hinaus will sich die Stadtverwaltung mit den frisch restaurierten Stätten auch bei der UNESCO um einen Platz auf der Welterbeliste bewerben. Neben dem Prestigegewinn verbinden sich mit der Aufnahme in die Liste durchaus auch ökonomische Vorteile – je bekannter Stadt und Stätte, desto mehr Besucher kommen.
Langfristig könnte sich ein zweiter wirtschaftlicher Aspekt der Rekonstruktionsbemühungen sogar als nachhaltiger erweisen: Die Arbeiten in der Roten Halle werden vollständig von lokalen Handwerkern geleistet, die teilweise schon seit Generationen für das DAI tätig sind. So werden aus Fachkräften Experten.
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