Das hellenistische Magnesia am Mäander
Unsere Reise führt uns über die Landstraße zwischen Selcuk und Söke bei Izmir, wo man schon von weitem die Ruinen der alten hellenistischen Siedlungsstadt Magnesia erkennen kann.
In der weitläufigen Ebene des Flusses Mäander, der im türkischen Büyük Menderes genannt wird, sind die riesigen Reste der Tempelfundamente und Säulenreihe noch als gewaltige Trümmerhaufen zu erkennen. Auch Reste der ehemaligen Stadtmauer sind noch vorhanden.
Wann genau die Stadtgründung erfolgte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, einer Legende nach soll vor dem Trojanischen Krieg durch eine Gruppe von Magneten, die aus Thessalien stammten, hier eine erste Ansiedlung gegründet worden sein. Bereits um 700 vor Christus wurde Magnesia dem lydischen König Gyges zugeordnet, der zwischen 716 und 678 vor Christus in der Region regierte. Nach der Eroberung durch die Kimmerer um 657 vor Christus gelang dem Königreich von Ephesos die Einnahme Magnesias, die allerdings durch den Perser Kyros schon bald wieder beendet war. Unter Alexander dem Großen wurde Magnesia dem Großreich Makedonien zugeordnet, dann aber nach andauernden Streitigkeiten zwischen den Diadochen im Jahr 221 vor Christus wurde Magnesia seleukidisch und erlebte im 2. Jahrhundert seine Blütezeit zusammen mit dem Königreich Pergamon bis es 196 vor Christus durch einen Krieg mit Milet, der allerdings mit einem Friedensvertrag beendet werden konnte, erneut zu Streitereien mit großen Zerstörungen kam. Das Auf und Ab der Geschichte der Stadt wird auch von den Historikern Herodot, Diodorus Siculus und Pausanias ausführlich geschildert.
Im Jahr 133 vor Christus gelangte Magnesia durch Vererbung schließlich an die Römer. Da die Bewohner Magnesias Rom auch im Kampf gegen den König Mithridates VI von Pontus tatkräftig unterstützt hatten, belohnte und akzeptierte der römische Herrscher Sula die Bewohner der Stadt mit dem Status einer freien Stadt Magnesia. In seiner Blütezeit entstanden hier ein Tempel der Artemis Leukophryne, den Hermogenes um 130 v. Chr. schuf, sowie ein weiterer Tempel des Zeus Sosipolis. Im Berliner Pergamonmuseum sind Kopien eines Säulenjochs des Artemistempels sowie des Pronaos des Zeustempels nachgebaut worden.
Einer der berühmtesten Baumeister und Architekten der Zeit war Hermogenes, der Teile seines Lebens in Magnesia am Mäander, neben seiner Zeit in Priene, verbrachte. Ihm wird nachgesagt, das er der „Erfinder“ des „Pseudodipteros“ sei, eines neuartigen Tempeltyps, der erstmals in Magnesia gebaut worden ist und dann als Vorbild für andere Städte galt. Im Band drei der Buchreihe des Geschichtsgelehrten Vitruv wird dies mehrfach erwähnt. Die Ausführungen Vitruvs bildeten auch die Grundlage vieler Forscher, die fast in Vergessenheit geratene Stadt zu suchen. Im Rahmen verschiedener Ausgrabungsprojekte durch französische, englische und deutsche Archäologen konnte letztendlich auch der Standort der Stadt ermittelt und die Reste der Stadt entdeckt werden. In den Jahren 1891 bis 1893 war das Berliner Museum für Ausgrabungen vor Ort verantwortlich, wodurch auch die Reste des Artemistempels des Baumeisters Hermogenes freigelegt werden konnten.
Im Jahre 17 nach Christus wurde Magnesia aufgrund eines heftigen Erdbebens stark zerstört, allerdings vom römischen Kaiser Tiberius aufgrund seiner für den Handel wichtigen Funktionen schnell wieder aufgebaut.
Sehr früh gab es in Magnesia bereits erste christliche Gemeinden, frühe Aufzeichnungen nennen das Jahr 114 nach Christus, die auch in den kommenden Jahren stetig an Bedeutung zunahmen, was sich durch die hohe Zahl an Bischöfen belegen lässt, die zu den Konzilen geschickt wurden. Die nächsten 150 Jahre erblühte die Stadt noch einmal zu vollem Leben, bis im Jahr 262 die Goten in das Land einfielen und durch Plünderungen und Eroberungen einen Großteil der Stadt zerstörten. Ähnlich wie die Städte Milet und Ephesos konnte sich auch Magnesia nie wieder von diesen Schädigungen erholen. Um Widerstand gegen die Perser und später die Seldschuken leisten zu können, wurden zwar die Stadtbefestigungen noch einmal verbessert, aber nach und nach verließen die Einwohner doch die Stadt vor allem, da es in der Zeit starke Überschwemmungen des Mäanders, Seuchen und andere Krankheiten gab. Um das Jahr 1300 herum übernahm die Fürstenfamilie Aydınoğulları die Herrschaft über die Reste der Stadt, konnte den weiteren Zerfall allerdings auch nicht mehr stoppen.
Leider gab es zum Ende des vergangenen 19. Jahrhunderts unter der Herrschaft der Osmanen die unter der Bevölkerung weit verbreitete Praxis der Kalkbrennerei, wozu riesige Mengen Marmor benötigt werden, die man natürlich am einfachsten aus den Ruinen zerfallener Städte bekommen konnte. Wenn man heute die Überreste der Ruinen von Magnesia mit den Bildern vergleicht, wie es der Archäologe Humann noch um 1893 vorgefunden hatte, weiß man um die Mengen an Material, die seiner Zeit abtransportiert und zerstört wurden. So fielen auch die Überreste des Zeus Tempels leider der Kalkbrennerei zum Opfer. In dieser Hinsicht sollte man heute auch so manches Mal froh sein, das bestimmte Stücke der Tempelfriese und Altarreliefs in die Museen von Berlin, London oder Paris gewandert sind, denn nur dadurch konnten sie erhalten werden.
Dank der herausragenden Arbeiten, Photographien und Aufzeichnungen von Archäologen wie Humann konnten bei der Rekonstruktion der Pronaos Fassade des Zeus Tempels im Berliner Pergamon Museum viele Details original getreu wiederhergestellt werden.
Bis 1984 gab es keine weiteren Aktivitäten mehr in Magnesia, trotz vieler Forschungsarbeiten über Hermogenes in den Jahren, wodurch angeschwemmte Sedimente aus Lehm und anderen Schwemmstoffen die Ruinenreste bis zu vier Meter stark wieder zugedeckt hatten. Flächen und Bauwerke mussten in mühevoller Arbeit erneut freigelegt werden, was seitdem im Auftrag der Universität Ankara unter Leitung von Professor Orhan Bingöl vorgenommen wird.
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