Nach unserem Zwischenstopp in Wien zur weiteren Vorbereitung unseres Projekts „Verständigungs- und Kulturreise entlang Römischer Straßen“ waren wir über den ehemaligen Autoput durch Kroatien bis nach Morovic (kurz vor Belgrad) gekommen, wo wir zwecks Übernachtung per Internet ein Zimmer angemietet hatten.
Sehr zuvorkommende Wirtsleute hatten darum gebeten, möglichst eine Stunde vor Ankunft noch eine SMS zu schicken, so das Zimmer und Bad schon vorgeheizt werden konnten. Somit war es bei unserer Ankunft kuschelig warm, selbst das Duschwasser war vorgeheizt. Perfekter Service in Serbien.
Fahrtroute von Wien nach Alexandroupolis
Früh am nächsten Morgen ging es weiter an Belgrad und Nis vorbei in Richtung Skopje. Wir bevorzugen die Weiterfahrt, trotz der etwas längeren Fahrtstrecke mit einem kurzen Teilstück Landstraße durchs Gebirge, über Thessaloniki in Griechenland, um dort noch etwas einzukaufen bevor es dann weiter in die Türkei geht. Auch für die kommende Nacht hatten wir wieder online ein Zimmer gebucht, so dass wir früh am Abend unsere Unterkunftbeziehen konnten. Erstaunlicherweise waren die Zimmer kurz vor der türkischen Grenze in Griechenland günstiger als kurz nach der Grenze in der Türkei. Gleiches gilt auch für die Dieselpreise! So werden wir also die kommende Nacht in Alexandroupoli, einer aufstrebenden griechischen Hafenstadt in Westthrakien nahe des Evros Flusses, verbringen.
Alexandroupolis - nahe der Grenze bei Kosan
Die Hafenstadt Alexandroupoli liegt direkt am Thrakischen Meer, einem Nebenmeer der Ägäis. Das Meer bildet gleichzeitig die Südgrenze der Stadt. Im Westen grenzt Alexandroupoli an die Gemeinden Arriana und Maronia-Sapes im Regionalbezirk Rodopi, im Norden an die Gemeinde Soufli und im Osten an die türkische Provinz Edirne, bis zur Grenzstation bei Kozan sind es nur wenige Kilometer.
Die Stadt Alexandroupoli wurde erst im Jahr 1871 unter dem Namen Dedeağaç als Teil des osmanischen Vilâyet Edirne gegründet. Der Name der Stadt setzte sich entsprechend aus den türkischen Wörtern, Dede - einer Ehrenbezeichnung - und Ağaç für Baum, zusammen. 1870 wurde mit dem Bau der rumelischen Eisenbahn entlang der Strecke Edirne – Selanik – Istanbul (Konstantinopel) begonnen, welcher auch die Entwicklung der Stadt Dedeağaç einleitete.
Als Hauptgrund der raschen Entwicklung der Stadt kann zweifelsohne die Fertigstellung des Teilstücks der Eisenbahnlinie im Jahr 1872 gesehen werden. Der Handel in der Stadt florierte, so dass Dedeağaç bereits 1883 Dimetokas Bedeutung als Zentrum des Sandschak des Vilâyet Edirne verdrängte.
Im Ersten Balkankrieg wurde die Stadt Ende 1912 von Bulgarien besetzt und war fortan als Dedeagatsch wichtigster Ägäishafen des Landes. Zu dieser Zeit lebten in Westthrakien 185.000 Türken, 25.500 Bulgaren, 22.000 Griechen und 2.200 Bewohner anderer Ethnien. Wegen des drohenden Anschlusses an Bulgarien formte sich Widerstand in der muslimisch-türkischen Bevölkerung, der in die Provisorische Regierung Westthrakien mündete. Griechenland unterstützte die Etablierung einer solchen Republik mit dem Ziel, die zur selben Zeit in Konstantinopel laufenden Verhandlungen zwischen dem Osmanischen Reich und Bulgarien dahingehend zu beeinflussen, dass es zu keinem Frieden zwischen beiden Ländern kommen sollte.
Soweit ein wenig zur Geschichte unseres Gastortes
Im Frieden von Neuilly vom 27. November 1919 musste Bulgarien die Stadt an die Entente abtreten. Laut der Volkszählung, die von dem französischer Verwalter Anfang 1920 durchgeführt wurde, hatte die Stadt damals 7.222 Einwohner, davon 3.900 Bulgaren, 2.500 Griechen, 512 Armenier, 165 Juden, 195 Türken. Im Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920 wurde die Stadt Griechenland zugesprochen und in Alexandroupolis - nach König Alexander I. - umbenannt. Anschließend mussten gemäß dem im Vertrag von Neuilly-sur-Seine vereinbarten Bevölkerungsaustausch die Bulgaren die Stadt verlassen. Aus Gesamtgriechenland wurden nach 1920 53.000 Bulgaren vertrieben, 46.000 Griechen wurden aus Bulgarien vertrieben. Soweit ein wenig zur Geschichte unseres Gastortes.
Nur kurze Zeit nach dem Bezug unseres Zimmers machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt um noch einige Einkäufe zu erledigen und auch zu Abend zu essen. Recht überrascht waren wir dann im Stadtzentrum, als wir auf eine Art griechischen Weihnachtsmarkt trafen, der zwar einige Parallelen zu typisch deutschen Weihnachtsmärkten aufweisen konnte, aber dann doch so völlig anders war. Es gab einige geschmückte Tannenbäume, eine, wenn auch farblich etwas sonderbare Krippendarstellung, auch ein aufblasbarer Schneemann war zu sehen, selbst einige Buden, wo diverse Dinge zum Verkauf angeboten wurden gab es auf dem Gelände. Absolut anders dagegen die doch laute Musik und der Bühnenaufbau wo nach moderner Musik eine Ballettgruppe ihre tänzerische Kunst zum Besten gab.
Wir waren noch in Richtung Bühne unterwegs, als unerwartet drei junge Damen auf uns zu stürmten, die Schilder vor sich her trugen. Bevor überhaupt entziffert werden konnte, was denn nun auf den Schildern vermerkt war, wiederholten sie die textlichen Botschaften mündlich: “Free Xmas Hugs, Christmas time is coming“! Und schon gab es innige Umarmungen mit den jungen Damen. Eine nette, wenn auch etwas überraschende Geste. Wie wir später noch beobachten konnten, war die Überraschung allerdings auch bei den Einheimischen ähnlich groß. Leider hatten wir unsere Fototechnik jetzt am Abend nicht dabei, so dass wir lediglich mit dem Handy noch einige Aufnahmen machen konnten. Überall auf dem Fest herrschte ausgelassene Stimmung und uns blieb nur zu bemerken, wie unterschiedlich doch die Weihnachtszeit gelebt wird. Eine völlig neue Erkenntnis.
Die Idee der Free Hugs (Kostenlose Umarmung) wurde erstmals 2001 mit dem Musik-Video Everyday der Dave Matthews Band einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Nach seiner Rückkehr nach Australien 2004 begann Juan Mann in der Pitt Street Mall in Sydney mit Free Hugs, indem er sich mit einem Schild in die Fußgängerzone stellte, auf dem „Free Hugs“ stand. Nachdem sich die ersten Leute dazu überwanden, den Fremden zu umarmen, erreichte seine Idee in der Umgebung schnell nahezu Kult-Status – bis sie von der Polizei gestoppt wurde. Als Grund für das polizeiliche Einschreiten gegen die „Freien Umarmungen“ wurde erklärt, dass die Stadt Sydney von ihm eine Versicherung für mögliche Schäden an den Umarmten forderte, für die sonst die Stadt Sydney aufzukommen hätte.
Durch eine Unterschriftenaktion und den Weg an die Öffentlichkeit gelang es Mann aber, Free Hugs offiziell zu legalisieren und gleichzeitig sogar publik zu machen. Shimon Moore, der Sänger der Band Sick Puppies, produzierte ein Video zur Aktion für ihn, in dem er die Anfänge, Ausbreitung und auch die Verbote samt dazugehöriger Unterschriftensammlung thematisierte. Dieses Video wurde später von Shimon Moore auch auf YouTube ins Internet gestellt. Das Video fand großen Anklang unter den Usern des Portals (über 74 Millionen Aufrufe, Stand Mai 2013), wodurch die Idee Juan Manns zu einer weltweiten Bewegung wurde.
Free Hugs trägt zwar den Namen Kampagne, ist aber keine Organisation mit festen Bestandteilen. Das Prinzip besteht darin, dass jeder mitmacht, wann und wo er selbst es möchte. Es besteht auch nicht die Pflicht, eigene Aktionen zu filmen oder anderweitig zu dokumentieren. Trotzdem bietet Juan Mann mit der Homepage von Free Hugs eine offizielle Plattform für alle, die eigene Videos von ihren Aktionen hochladen wollen oder ihre Meinung dazu in irgendeiner Form kundtun möchten.
Nach dieser, auch für uns unerwarteten neuen Erkenntnis erledigten wir noch einige Einkäufe und machten uns dann auf den Weg ins Hotel. Nach erholsamer Nacht ging es am Morgen dann über die Grenze in die Türkei, wo wir von Gelibolu mit der Fähre zum anatolischen Festland in Richtung Bursa, Kühtaya und Antalya zurück nach Hause fuhren.
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