Kayseri - moderne Metropole mit langer Handelstradition
- Geschrieben von Portal Editor
Auf dem Weg zum Erciyes durchfuhren wir auch die etwa 1.6 Millionen Einwohner zählende Stadt Kayseri, die unter den Hethitern mit Mazaka und unter den Römern mit Caesarea bezeichnet wurde.
Heute ist Kayseri die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Region Kappadokien und eine der wenigen Großstätte der Türkei, deren Einwohnerzahl seit vielen Jahrzehnten stabil geblieben ist. Die Bewohner von Kayseri gelten in der Türkei als schlau und geschäftstüchtig, aber dazu gleich mehr.
Kayseri ist eines der wichtigsten Industrie- und Handelszentren in der gesamten Türkei. Die Stadt hat das größte Industriegebiet, noch weitaus größer als das der Megacity Istanbul. Ein falsches Abbiegen brachte uns in das Industriegebiet hinein, aber erst vom Erciyes aus war die gesamte Ausdehnung wirklich zu erfassen. Kayseri ist die einzige Stadt der Türkei, die absolut schuldenfrei ist und zugleich auch noch Anteile an türkischen Banken besitzt. 80 Prozent aller Möbel der Türkei stammen aus Kayseri, aber auch große Anteile der Türen-, Metall-, Hauswaren- und Lebensmittelproduktion kommen von hier und decken damit den größten Teil des Bedarfs des Landes. Sechs von zehn Groß-Industriellen in der Türkei stammen aus Kayseri. Die größten Firmen in und auch außerhalb Kayseri´s gehören Geschäftsleuten aus der Stadt. Darunter auch Sakıp Sabancı, der reichste Unternehmer der Türkei, der in den Jahrzehnten nach seinem Umzug nach Adana auf der "Suche nach Arbeit" ein riesiges Handelsimperium aufbauen konnte. Auch Größen wie Halit Narin (Narin Tekstil), Kadir Has (Has Holding), İzzet Özilhan (Anadolu Grubu), Hacı Boydak (Boydak Holding-İstikbal), Necati Kurmel (Saray Halı) kommen neben anderen aus Kayseri.
Die moderne, an Infrastruktur reiche Stadt heute ist ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt innerhalb der Türkei. Kayseri verfügt über einen wichtigen Flughafen (Erkilet Airport) und über ebenso wichtige Eisenbahnanbindungen. Die Straßenverbindungen in andere Großstädte sind mit Autobahnen und breiten Landstraßen sehr gut ausgebaut, woran der Erfolg der Stadt deutlich erkennbar ist. Die Infrastruktur brachte den Handel und Industrie voran, wie sonst ist eine derartige Erschließung finanzierbar.
Bis in das 4. Jahrhundert vor Christus hinein war die heute Stadtfläche Kayseri´s von Salzseen und Sümpfen durchsetzt, die teilweise erst im letzten Jahrhundert drainiert und entwässert wurden. Erste Ansiedlungen gehen allerdings auf die Hethiter zurück, die den Siedlungsort hier am Erciyes mit Mazaka bezeichneten. In hellenistischer Zeit residierten hier die Könige von Kappadokien und Eusebeia, wie Mazaka damals auch genannt wurde, bildete neben Tyana im Süden eines der beiden Landeszentren. Um 77 v. Chr. wurde die Stadt zum zweiten Mal von Großkönig Tigranes II. erobert, wobei der damals armenische Herrscher zahlreiche Bewohner in seine neue Hauptstadt Tigranokerta im nördlichen Mesopotamien deportieren ließ.
Erst nach der Eroberung Eusebeia durch die Römer unter Pompeius im Jahr 69 v. Chr. konnte die umgesiedelte Bevölkerung wieder zurückkehren. Mit dem Tode seines letzten Königs Archelaos verlor Kappadokien 17 n. Chr. seine Selbstständigkeit und wurde unter Kaiser Tiberius in die römische Provinz Cappadocia umgewandelt. Mazaka/Eusebeia diente nun als Provinzhauptstadt und erhielt den Namen Caesarea (Kaisereia). Nach der Teilung Kappadokiens unter Kaiser Valens war Caesarea die Hauptstadt von Cappadocia prima.
Nach christlichen Überlieferungen fand das Christentum bei den damaligen Bürgern der Stadt recht früh begeisterten Anklang. Christen waren aufgrund ihres Glaubens über zwei Jahrhunderte von den Römern verfolgt worden und auf ihrer Suche nach neuen Siedlungsgebieten nach Kappadokien gekommen. Hier gründeten sie Städte und Orte, die aus Gründen des Eigenschutzes teilweise tief in die Erde gebaut wurden. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts war Caesarea vielleicht deshalb ein Mittelpunkt christlich-theologischer Bildung. Seine Blüte erlebte Caesarea im 4. Jahrhundert. Die Sozialwerke (Spitäler, Altersheime, Armenspeisung), die Basilius von Caesarea in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts in der Stadt einrichtete, waren in der Antike weit über Kappadokien hinaus bekannt. Die neue Stadt Caesarea wuchs rasch, während die alten Viertel allmählich verfielen, noch immer sind Überreste erkennbar.
Nach unruhigen Zeiten während der byzantinischen Epoche ging die Stadt um 1077 dem Byzantinischen Reich verloren. 1082 gelangte sie in den Besitz der Danischmenden, während des 1. Kreuzzuges (1096–1099) vorübergehend auch in den Besitz der Kreuzfahrer unter Gottfried von Bouillon. Im 12./13. Jahrhundert war sie zeitweilig Residenz der Seldschuken und erlebte eine zweite Blütezeit. Nach weiteren Eroberungen wurde sie von den Mongolen regiert. Das anschließend osmanische Kayseri wurde 1401 unter Tamerlan erneut mongolisch, ab 1468 wieder osmanisch. Die folgende lange Friedenszeit ermöglichte eine Aufwärtsentwicklung als Provinzstadt. Um 1900 erfolgte der Bau der Neustadt nördlich der Zitadelle. Aus dieser Zeit sind viele Gebäude erhalten. Hier findet man auch die älteste psychiatrische Klinik der Neuzeit, in der mit Hilfe von Musik therapiert wurde – eine damals revolutionäre Behandlungsmethode. In der Innenstadt finden sich die Mauern der Festung und mehrere seldschukische Moscheen vom Typ der Ulu Cami, einem zentrumslosen Säulensaal.
Hatten wir vor der Durchquerung der Stadt zunächst Respekt und eine vergleichbar chaotische Fahrweise wie in anderen Großstädten (Istanbul / Izmir) vermutet, sahen wir uns gründlich getäuscht. Hier floss der Verkehr ähnlich ruhig und gelassen wie in vielen europäischen Großstädten. Auch ein Zeichen für gebildete und schlaue Bürger. Die Stadt ist, um noch ein "kulinarische" Thema anzusprechen, berühmt für ihren luftgetrockneten Schinken aus Rindfleisch (Pastırma), der mit einer scharfen Paste umhüllt ist, auch für ihre Knoblauchwurst Sucuk und die gefüllten Teigtaschen Manti.