Wer kennt sie nicht, die weltweit bekannten weißen Klippen von Dover, von denen die meisten von uns schon in jungen Jahren während der Schulzeit gehört haben.
Dover liegt im äußersten Südosten Englands und bildet als Hafenstadt und ist damit die kürzeste Entfernung zum kontinentalen Festland und nach Calais in Frankreich. Klar also, dass wir mit unserem Auto-Dach Zelt und der sonstigen Camping Ausstattung auch den Weg über die Meerenge nehmen wollten, wo zwischen South Foreland, nordöstlich von Dover, und dem Cap Gris-Nez nahe Calais nur 34 Kilometer gemessen werden. So hatten wir bewusst auch die Tagesüberfahrt mit der Fähre gewählt, um zumindest die weißen Klippen, besser die Kreidefelsen, bei Tageslicht zu sehen.
Kanalschwimmer passieren den Ärmelkanal
Schon die Überfahrt mit der Fähre war ein Erlebnis, so gab es zünftig zunächst eine Portion fish´n chips, dann einen Tee auf dem Außendeck. Den Blick auf die Wellen und den Horizont gerichtet waren die Gedanken plötzlich bei den Kanalschwimmern angelangt, die todesmutig die Fährkosten einsparen möchten. Aber Spaß beiseite: Man muss schon von sich selbst überzeugt und noch dazu ein exzellenter Schwimmer sein, die Distanz über den Ärmelkanal bei den wechselnden Gezeiten zu überqueren wobei der tatsächlich zurückgelegte Weg oft weitaus länger ist, da die Schwimmer im Ärmelkanal starken Strömungen ausgesetzt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass auch im Sommer die Wassertemperatur kaum über 17 °C ansteigt und den Schwimmern dadurch Unterkühlung droht. Wetter, Wind und Strömung unterliegen oft unvorhersehbaren Änderungen.
Erfolgreiche Kanalschwimmer aus aller Welt
Als erster erfolgreicher Ärmelkanalschwimmer gilt der englische Kapitän Matthew Webb, der im August 1875 damals 27-jährig den Kanal von Dover nach Calais durchschwamm. Da er Seegang und Strömung falsch berechnet hatte, legte er weit über 70 km zurück und benötigte dafür mehr als 21 Stunden. Als erste Frau, die eine Kanalquerung schwimmend schaffte, wird die Sportschwimmerin, mehrfache Weltrekordlerin und Olympiasiegerin Gertrude Ederle in den Annalen geführt. Im Jahr 1926 benötigte sie nur 14:31 Stunden, das waren fast zwei Stunden weniger als die bisherige Bestzeit der Männer. Am 9. September 2010 bewältigt die mit 16 Jahren bisher jüngste Kanalschwimmerin Lenka Štěrbová die Strecke von Dover zur Halbinsel Cap Gris-Nez – nach einem Start kurz nach 3:30 Uhr frühmorgens bei 17 °C Wassertemperatur in nur 9:22 Stunden. Eltern und Geschwister hatten sie mit lustigen Zeichnungen, die sie vom Begleitboot aus zeigten bei Laune gehalten.
Neben der Solostrecke Dover-Calais wird auch die Doppeldistanz Dover-Calais-Dover geschwommen. Auch Dreifach-Durchquerungen hat es mehrfach gegeben. Jährlich versuchen inzwischen über 100 Menschen, den Ärmelkanal schwimmend solo und auf „konventionelle Weise“, d. h. ohne Neoprenanzug und Schwimmhilfe zu durchqueren, hinzu kommen zunehmend Staffeln.
Die Kreidefelsen kommen in Sicht
Ganz in der Ferne waren mittlerweile die Kreidefelsen in Sicht gekommen, womit auch die Zahl der Schaulustigen an Deck zunahm. Die Kreidefelsen von Dover, im englischen White Cliffs of Dover genannt, sind tatsächlich hellweiße Klippen, die als Teil des North-Downs-Hügelzuges einen Teil der britischen Küstenlinie bilden. Die bis zu 106 Meter hohe Front der Klippen verdankt ihr Erscheinungsbild ihrer Zusammensetzung aus Kalk (purem weißem Kalziumkarbonat), durchsetzt mit schwarzem Feuerstein.
Die Kreidefelsen haben einen großen Symbolwert für Großbritannien, da sie am schmalsten Teil des Ärmelkanals Kontinentaleuropa zugewandt sind, und daher in der Vergangenheit gegen drohende Invasionen einen symbolischen Schutz darstellten. Da die Überquerung des Kanals bei Dover den meistgenutzten Seeweg zwischen dem Festland und den Britischen Inseln darstellt, bietet die weiße Linie der Klippen zahlreichen Reisenden auch die erste bzw. letzte Ansicht auf das Vereinigte Königreich.
Kreidefelsen – Ursprung und Entstehungsgeschichte
Die Kreidefelsen setzten sich hauptsächlich aus Coccolithen zusammen und führen ihre Ursprünge auf die Kreide vor etwa 136 Millionen Jahren zurück, als sich das Gebiet zwischen Großbritannien im Westen und Schweden und Polen im Osten tief in tropischen Gewässern befand. Die Skelette von Korallen, Schwämmen und anderem kleinen Meeresgetier sanken als Sediment auf den Meeresgrund und begannen sich dort aufzuhäufen. Bis vor etwa 70 Millionen Jahren hatte dieser Prozess eine Masse von siliciumdioxidgeflecktem Kalk gebildet, der riesige Gebiete zwischen Großbritannien und der Ostsee bedeckte – weiße Felsen wie die von Dover, wenn auch kleiner, können auch auf den dänischen Inseln Møn und Langeland oder der Küste von Rügen in Deutschland gefunden werden.
Die Kreideschicht befand sich während der Eiszeiten hoch über dem Meeresspiegel und war an manchen Stellen zusätzlich von Gletschern überzogen. Nach den Eiszeiten wurden sie dann dem steigenden Meer ausgesetzt. Durch die außergewöhnliche Weichheit des Kalks konnten die Gezeiten diese Landmasse seitdem in bedeutendem Ausmaß erodieren, unter anderem, um den Ärmelkanal zu bilden.
Die Abbruchkante der Felsen wird weiterhin erodiert, pro Jahr geht etwa ein Zentimeter der Felsen verloren, wenn auch gelegentlich große Brocken mit wenig Vorwarnung in den Kanal fallen. Besucher sind deshalb angehalten, wenigstens fünf Meter vom Rand entfernt zu bleiben. Wir waren auf der Fähre weit genug entfernt, so blieb uns der imposante Anblick auf die Felsen bis der Blick auf die Burganlage oberhalb des Hafens fiel. Aber dazu später mehr.
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