Ludwigsburg - am Reißbrett geplante und gebaute Stadt
- Geschrieben von Portal Editor
Tief beeindruckt von der riesigen Parkanlage des Ludwigsburger Schlossgartens, den wir im Rahmen des Straßenmusikfestivals kennen lernten, waren wir mit Heidi und Rainer zu einem Stadtrundgang aufgebrochen, der uns weitere Besonderheiten dieser am Reißbrett geplanten Stadt vom Beginn des 18. Jahrhunderts näher bringen sollte.
Schon auf dem Weg zur Schlossanlage am ersten Abend des Musikfestivals waren uns die schnurgrade verlaufenden Zuwegungen zum Schloss aufgefallen, eines der typischen Merkmale einer künstlichen Stadt (wie auch sonst sollte die Umsetzung solch riesiger Straßen- und Platzeinfügungen möglich sein).
Nach dem Vorbild von Versailles bauten viele absolutistische Souveräne des 18. Jahrhunderts neue Residenzen vor den Toren ihrer alten Hauptstädte (Potsdam, Ludwigslust, Karlsruhe und Wolfenbüttel sind weitere Beispiele). Um der Jagd, damals einem Privileg des Adels, nachzugehen, ließ der Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg im Jahr 1704 ein Schloss außerhalb der alten Hauptstadt Stuttgart errichten. Das Ludwigsburger Schloss war zunächst nur als "einfacher" Jagdsitz vorgesehen, hatte aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Alten Schloss, seiner Hauptresidenz in Stuttgart. Wegen der engen mittelalterlichen Bebauung in Stuttgart wirkte die Residenz wenig beeindruckend auf die Untertanen.
Ludwigsburg mit seinem Schlosspark, den Exerzierplätzen und breiten Straßen kann als genauer Gegenentwurf zum Stuttgart des 18. Jahrhunderts angesehen werden. Der Ludwigsburger Jagdsitz wurde zu einem repräsentativen Residenzschloss ausgebaut, das sich heute als größtes unzerstörtes Barockschloss Deutschlands rühmen kann.
Herzog Eberhard Ludwig Entwürfe der Planstadt sahen vor, dass das Residenzschloss in der Hauptachse der zu beplanenden Fläche lag. Westlich ans Schloss angrenzend sollte die städtische Wohnbebauung entstehen. Das rechtwinklige, um einen zentralen Marktplatz angelegte Straßenraster teilte die Stadt in regelmäßige Blöcke. Die zweigeschossigen Wohnhäuser wurden nach dem Entwurf des aus Italien stammenden Schlossbaumeisters Donato Giuseppe Frisoni errichtet. Nach Vorgabe des Herzoges sollten die Wohngebäude ohne Zwischenräume entlang der Straßen aneinander gereiht werden, sodass geschlossene Straßenfluchten entstanden. Das Straßenbild wurde durch Alleen aufgelockert.
Am 3. April 1718 erhielt der Ort die Stadtrechte. Um Bürger für seine Stadt zu gewinnen, warb der Herzog mit weit reichenden Privilegien. Er stellte eine 15-jährige Steuerfreiheit, kostenfreies Land und Baumaterialien in Aussicht. Später kamen noch Zoll- und Religionsfreiheit hinzu. Dennoch wuchs Ludwigsburg nur langsam. Gründe hierfür waren zum einen die fehlenden Möglichkeiten zum Grunderwerb und zum anderen die durch den Herzog gesteuerte Auswahl von Bürgern. Die Bewohner hatten über eine Vermögensgrundlage von mindestens 1000 Talern zu verfügen und durften keine Bauern sein. Auf diese Weise wollte der Herzog eine repräsentative Idealstadt mit wohlhabenden Bürgern aus dem Boden stampfen. Von den ersten 21 Bewerbern erhielten nur zwei die Erlaubnis, sich auch tatsächlich in Ludwigsburg niederlassen zu dürfen.
Allerdings ging das Konzept einer prosperienden Stadt nicht auf. Da auf der Schlossbaustelle hauptsächlich mittellose Handwerker, Knechte, Mägde, Tagelöhner und Hofbedienstete beschäftigt wurden, machten zeitweise die Hälfte der Stadtbevölkerung Geringverdiener aus. Die Einwohner blieben wirtschaftlich vom herzoglichen Hof abhängig.
Im Jahr 1718 ließ Eberhard Ludwig die Hauptstadt Württembergs von Stuttgart nach Ludwigsburg verlegen. Seinen Stuttgarter Beamten drohte der Herzog, sie zu entlassen, sollten sie sich weigern ihm nach Ludwigsburg zu folgen. Durch die erzwungene Umsiedlung sollte eine dem Fürsten gegenüber loyale Bürokratie in Ludwigsburg etabliert werden. Viele der Beamten zogen in "feuchte, erst halb ausgebaute Häuser", wie der Staatsrechtler Johann Jakob Moser klagte. Allerdings zählte Ludwigsburg beim Tode Eberhard Ludwigs 5000 Einwohner, halb so viele wie in Stuttgart.
Die von 1764 bis 1768 schnurgerade erstellte Solitude-Allee, die anfangs vom Südtor des Ludwigsburger Schlossgartens zum Schloss Solitude westlich von Stuttgart führte, wurde 1820 als trigonometrische Basis für die Württembergische Landesvermessung genutzt. Die 13 Kilometer lange Basislinie endete damals vor der Stadtgrenze. Ihr Endpunkt an der Kreuzung mit der Köhlstraße ist mit einem Gedenkstein markiert. Außerhalb Ludwigsburgs, wo sie durch den Bahnbau unterbrochen wurde, hat sich der Verlauf der für den Verkehr unbedeutenden Achse im Wechsel von Feldwegen und Straßen erhalten.
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