Längst sind sie aus dem Norden Europas verschwunden, die Langstreckensegler aus der Familie der Schreiadler, denn sie überwintern im südlichen Afrika.
Als ausgesprochene Kenner und Nutzer von Thermiken und Luftverwirbelungen ziehen die Schreiadler entlang der Küstenlinien des östlichen Mittelmeers um mit möglichst geringem Energieaufwand die unendlich lang erscheinende Strecke bis nach Südafrika zu bewältigen. Das Zuggeschehen konzentriert sich daher auf die bekannten Schwerpunkte des Vogelzuges in Südosteuropa und im Nahen Osten. Fast die gesamte europäische Population passiert im Herbst Israel.
Vogelzugzählungen, einen weiteren Standort gibt es bei Silifke am Göksu Fluß
Zunächst allerdings erfolgt die Passage über die Meerenge des Bosporus bei Istanbul, kein Wunder also, das es gerade dort beste Möglichkeiten zur zahlenmäßigen Erfassung der Zugvögel gibt. Auch bei Izmir in Sasali gibt es einen weiteren Standort für Vogelzugzählungen, einen weiteren Standort gibt es bei Silifke am Göksu Fluß. Der weitere Zug verläuft dann entlang der östlichen Mittelmeerküste über die östliche Türkei, Syrien, den Libanon und Israel nach Afrika hinein. Ein Teil der osteuropäischen Schreiadler zieht auch an der Ostküste des Schwarzen Meeres entlang nach Süden, dann durch den Osten der Türkei und ebenfalls über Syrien, den Libanon und Israel nach Afrika. An dem Vogelbeobachtungsposten in Kefar Kassem, nördlich von Tel Aviv, wurden im Herbst im Mittel 104.000 Durchzügler erfasst, in den weiter nördlich gelegenen „Northern Valleys“ wurden im Mittel 71.500 Durchzügler pro Herbst gezählt. Bei Kefar Kassem beginnt der Zug frühestens Ende August oder Mitte September. Die Hauptmasse zieht zwischen dem 20. September und dem 5. Oktober, der Median des Wegzuges liegt zwischen dem 26. und dem 30. September. Mitte Oktober endet der Zug hier.
Der weitere Zug durch Afrika konnte erst ab Mitte der 1990er Jahre durch die Satellitentelemetrie genauer geklärt werden, einer Technik, die es erlaubt, exakte Standortbestimmungen der Tiere vorzunehmen. 1994 wurden dann vier erwachsene Männchen in Deutschland und der Slowakei eingefangen und mit Satellitensendern versehen. Sie verließen zwischen dem 1. und dem 21. September die Brutgebiete und überquerten zwischen dem 14. September und dem 9. Oktober den Bosporus und Israel. Südlich von Sues flogen alle Vögel fast gerade nach Süden bis zum Tanganjika-See in Tansania, wo sie Ende Oktober eintrafen. Von dort zogen die Vögel in verschiedene südliche Richtungen in die Winterquartiere vom mittleren Tansania nach Süden bis in den Nordosten Südafrikas. Der größte Teil der Population hält sich während des Winters in einem Kerngebiet auf, das die Länder Simbabwe, Sambia, Mosambik, den Norden Namibias sowie den o. g. Nordosten Südafrikas umfasst.
Der Heimzug begann dort mit einzelnen Individuen Mitte Februar
Die Winterhabitate bestehen in erster Linie aus feuchten, offenen oder nur gering bewaldeten Savannen. Soweit bekannt, folgen Schreiadler dort den Regenfronten, die jeweils für ein gutes Nahrungsangebot sorgen. Auch in den Winterquartieren ziehen Schreiadler daher großräumig umher. Das Winterareal eines mit einem Satellitensender versehenen deutschen Schreiadlers umfasste ein ca. 25.000 km² großes Gebiet in Sambia, ein über mehrere Jahre untersuchter slowakischer Adler suchte in jedem Winter andere Gebiete in den Ländern Simbabwe, Mosambik und Südafrika auf und legte dabei in zwei Wintern Entfernungen von mindestens 2269 km bzw. 1919 km zurück.
Der Abzug aus dem Winterquartier ist bisher nur von drei mit Satellitensendern ausgerüsteten Tieren bekannt, diese begannen den Heimzug am 26. Februar, am 28. Februar sowie am 2. März und 19. Februar (die letzten beiden Daten betrafen dasselbe Individuum in aufeinander folgenden Jahren). Zwei dieser Adler trafen am 22. April in der Slowakei bzw. am 19. April in Deutschland wieder am Brutplatz ein.
In Israel wird der Frühjahrszug kaum registriert, da der Hauptdurchzug östlich und nördlich der bekannten Beobachtungspunkte verläuft. In Eilat wurden so nur zwischen 40 und 74 Heimzügler registriert. Der Heimzug begann dort mit einzelnen Individuen Mitte Februar, erreichte Ende März bis Anfang April seinen Höhepunkt und war bis zum 10. Mai beendet. In den mitteleuropäischen Brutgebieten treffen die Vögel ausnahmsweise schon Ende März, meist aber in der ersten Aprilhälfte am Brutplatz ein, die Ankunftstermine der beiden oben genannten Adler waren demnach vergleichsweise recht spät.
Jedes Jahr zählen die Experten weniger Brutpaare
Schreiadler legen in der Regel zwei Eier, aus denen zwei Jungen schlüpfen. Überleben wird von ihnen nur der Stärkere. Das zweite Küken stirbt nach wenigen Tagen. Es verhungert, weil es mehrere Tage nach dem Ersten schlüpft. Es ist zu ungeschickt bei der Nahrungsaufnahme und wird vom ersten Jungen bekämpft, meistens gar gezielt getötet. Dieses Verhalten wird Kainismus genannt. Tierschutzorganisationen, wie zum Beispiel die NABU Bundesarbeitsgruppe Greifvogelschutz, nimmt deshalb in einigen Nestern den zweiten Jungvogel (den so genannten „Abel“) behutsam aus dem Nest und zieht ihn in einer Auswilderungsstation groß.
Schon lange ist der Schreiadler ein Sorgenkind des Naturschutzes. Jedes Jahr zählen die Experten weniger Brutpaare. Mittlerweile leben nur noch etwa 90 Paare des seltenen Adlers in Deutschland. Seit Jahren kämpft der NABU um die letzten Lebensräume des scheuen Greifvogels, kauft Flächen in den Brutrevieren und kümmert sich um den Schutz seiner Nahrungsgebiete. Trotzdem nehmen die Bestände weiter ab, denn auf dem Zugweg lauern oftmals Jäger auf sie und viele Jungvögel sterben, bevor sie Erwachsen sind und zu uns ins Brutrevier zurückkommen.
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