Seit langer Zeit mal wieder so viel Schnee wie selten, brachte die dicke Lage auch das Leben vieler Tiere durcheinander, so auch „unserer“ fast zum Hof zugehörigen Amsel, die uns mittlerweile wieder mit viel Gesang erfreut, kaum dass der Schnee weniger wurde.
Grundsätzlich sind Amseln flexible und anpassungsfähige Allesfresser, aber während des ganzen Jahres zumindest auf geringe Mengen auch tierischer Nahrung angewiesen, also keine wirklichen Vegetarier.
Die Amsel ist dabei wohl der vielseitigste Früchtefresser unter den Drosselarten; sie meidet allerdings rigoros die Früchte der Weißbeerigen Mistel mit ihrem zähschleimigen Inhalt. Der Anteil an Beeren und Früchten von Ziergehölzen ist vergleichsweise hoch. Die Früchte werden vorwiegend nach der Reihenfolge des Heranreifens und nach dem Zuckergehalt gewählt. Der Anteil fleischiger Früchte erreicht von Oktober bis November seinen Höhepunkt, in Weinbergen und Obstplantagen kann es während dieser Zeit zu größeren Ansammlungen von Amseln kommen.
Wenn die tierische Nahrung aber knapp oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand zu beschaffen ist, spielen Beeren und Früchte eine größere Rolle. So hatten wir bereits während der kalten Jahreszeit immer wieder beobachten können, wie sich „unsere“ Amsel an unseren Ligusterbeeren verköstigte. Die Beeren des Liguster sind giftig, der Verzehr kann bei Menschen zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Leibschmerzen führen, unserer Amsel schienen sie zu schmecken. Ob diese Wirkung auch bei Vögeln eintritt, wenn eine größere Menge gefressen wurde, können wir nicht bestätigen. Unsere Erfahrung bezieht sich eher nur auf das Schneiden der als Hecke angelegten Liguster, denn der Hautkontakt beim Schneiden der Pflanze kann zu Hautreizungen, dem sogenannten Liguster-Ekzem, führen.
Aber nun zurück zu unserer Amsel
Hauptbestandteile der tierischen Nahrung der Amsel sind Regenwürmer und Käfer bis zur Größe des Maikäfers, regelmäßig werden auch Schnecken, Blutegel, Tausendfüßer, Spinnen sowie verschiedene Insektenstadien verwertet. Neben zahlreichen weiteren Wirbellosen zählen auch kleinere Wirbeltiere zum Nahrungsspektrum, darunter Eidechsen, Schwanz- und Froschlurche, Mäuse und Spitzmäuse sowie in Ausnahmefällen auch Schlangen. Auch fischende Amseln konnten schon beobachtet worden. Bei Nahrungsmangel werden als Ersatznahrung auch kleinere Insekten wie beispielsweise Blattläuse verwertet.
Was aber tun, wenn alle Flächen in der Umgebung mit 60 – 80 Zentimeter Schnee bedeckt sind und selbst die Beeren der Ligusterhecke kaum noch zu finden sind?
Wir hatten einige Meisen Ringe und Knödel aufgehängt, um den Tieren bei der Schneehöhe zumindest mit etwas Nahrung über die Tage zu helfen. Zunächst keine Chance für unsere Amsel, denn bei Nahrungsmangel nutzen Amseln im Siedlungsgebiet das Angebot der Winterfütterung, auch werden Sämereien in größeren Mengen aufgenommen, aber diese werden wie die Samen aufgenommener Früchte kaum verdaut. Amseln suchen dann auch in Abfällen nach Nahrung.
Das außergewöhnliche Fress- und Flugverhalten unserer Amsel
Es gibt viele Beobachtungen von ungewöhnlich erscheinenden Ernährungsgewohnheiten bei Amseln, besonders interessant aber waren die ersten Anflugversuche an die Meisen Ringe bzw. Knödel und an die mit Vogelfutter geführte Kokosnuss, ein sehr beliebter Anflugort für die Kohl- und Blaumeisen, aber auch für den Zaunkönig, der es aber mehr auf die Samen im Rosenbusch abgesehen hatte. So konnten wir beobachten, dass sich unsere Amsel für die Nahrungssuche am Boden unterhalb der Meisen Ringe aufhielt, dann durch Hüpfen einer kurzen Strecke bewegte und ein anschließendes regungsloses Verharren, wobei die Amsel den Kopf schief hält und eine bestimmte Stelle fixiert, um dann blitzschnell mit dem Schnabel zuzustoßen.
Immer wieder auch die Versuche, es den Meisen gleich zu tun und direkt die Futterquelle anzufliegen. Und tatsächlich.
Nachdem die Meisen zumindest eine gewisse Plattform abgefressen hatte, klappte dann der nächste Anflug unserer Amsel fast schon perfekt. Die Landung noch etwas holprig, auch das Auslösen der Körner auf schwankender Plattform noch gewöhnungsbedürftig, aber es machte Spaß, dem Lernprozess zu folgen und dabei festzustellen, dass es besser und besser klappte. Eine wahre Freude, die auch zu den Fotos führte.
Amselgesang – der musikalisch beste Singvogel Mitteleuropas
Vielfach wurde beobachtet, dass der Amselgesang unserem Verständnis von Musik sehr nahe kommt. So überrascht es nicht, dass der Amselgesang sich im Gegensatz zu vielen anderen Lautäußerungen von Vögeln recht gut im Notensystem wiedergeben lässt. Es gibt einige Betrachtungen des Gesangs unter musikwissenschaftlichen Gesichtspunkten, besonders intensiv damit auseinandergesetzt hat sich der Komponist und Dirigent Heinz Tiessen. Für ihn war die Amsel „der musikalisch höchststehende Singvogel Mitteleuropas“. Der Umfang der Amselstimme betrage erheblich mehr als eine Oktave. Die häufig wegen ihres Gesangs gelobte Nachtigall mache dagegen musikalisch weniger aus ihren größeren Möglichkeiten, die Amsel sei die talentiertere Komponistin: „Die Spannweite des tonlichen Ausdrucks […] reicht vom Schlichtesten bis zum Differenziertesten, von reinen Dreiklangmotiven und diatonischen Intervallen in ausgeprägten Tonarten bis zur Chromatik und darüber hinaus bis ins tonartlich wie harmonisch unfassbare hinein.“ Eine ähnliche Vorliebe für den Amselgesang hatte Olivier Messiaen (1908–1992), ein französischer Komponist. Er widmete der Amsel sogar das Musikstück „Le Merle noir“, ein Kammermusikstück für Flöte und Klavier.
Amselmotive haben auch Richard Strauss inspiriert, beim Rosenkavalier fing er den Amselgesang recht naturgetreu ein. Zu Beginn des ersten Aktes, während der Vorhang aufgeht, wird er von der ersten Klarinette vorgetragen. Echter Amselgesang wurde bei der Originalaufnahme von Paul McCartneys „Blackbird“ beigemischt, dort dient die Amsel aber lediglich als Stellvertreter und verkörpert eine Frau.
Zum Schluss noch etwas Makabres aus der Vergangenheit
Die Römer mästeten Amseln in großen Vogelhäusern, denn Amselfleisch galt als sehr schmackhaft. Zur traditionellen korsischen Küche gehört Pâté de Merle, eine Amselpastete. Sehr beliebt waren Amseln wegen ihres Gesangs auch als Stubenvögel. Es galt als vorteilhaft, ältere Amseln einzufangen, um in den Genuss des Gesangs „in seiner ganzen Reinheit“ zu kommen. Von Hand aufgezogenen Amseln wiederum brachte man Melodien bei. Auch als Lockvögel auf dem Vogelherd wurden Amseln gerne eingesetzt. Eingefangene Amseln werden, im Gegensatz zu handaufgezogenen Exemplaren, nie vollständig zahm und verhalten sich überdies sehr aggressiv gegenüber anderen Vögeln, besonders Artgenossen gegenüber, fast wie wir Menschen leider zu oft!
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