Ebenso interessant wie die seiner Zeit in Dülmen produzierten PS-Boliden Wiesmann Roadster sind deren natürliches Gegenstück: die Dülmener Wildpferde.
Uns war die Pferdeaffinität erstmals aufgefallen, als wir während unseres Stadtrundgangs häufig auf den Begriff „Pferd“ in verschiedenen Namen von Straßen, Gebäuden oder Plätzen gestoßen waren. Denn tatsächlich ist das Dülmener Pferd, auch mit Dülmener Wildpferd bezeichnet, eher eine vom Emscherbrücher abstammende Pony- oder Kleinpferderasse, die überwiegend in Dülmen im Merfelder Bruch, einem rund 350 Hektar großen Naturschutzgebiet, lebt. In dem auch als Wildpferdebahn bezeichneten, eingefriedeten Gebiet leben etwa 300 bis 400 Pferde weitgehend unbeeinflusst vom Menschen.
Herkunft und Zuordnung der Kleinpferde
Das Dülmener Pferd ist eine doch recht ursprünglich aussehende Pferderasse von meist braun- oder graufalber Färbung, die den für Wildpferde typischen Aalstrich von der Mähne bis zum Schweif aufweist. Es kommen Falben in allen Schattierungen, aber gelegentlich auch andere Farben vor, allerdings gibt es kaum einmal Schimmel. Auch Füchse sind sehr selten. Auf Grund der bisherigen „Zucht“ dominieren aber graufalbe und braunfalbe Tiere mit Aalstrich und selten einem Schulterkreuz.
An den Beinen kann es zu dunklen Streifen kommen, die an ein Zebra erinnern. Die sog. Zebrastreifen sind ebenfalls Wildzeichnungen, sie kommen auch oft bei Fjordpferden und anderen falben Pferderassen vor.
Das Stockmaß des Dülmener Pferds liegt zwischen 125 und 135 cm, der Körper ist rechteckig mit wenig ausgeprägtem Widerrist und die Schulter ist schräg. Der Hals sollte nicht zu lang und leicht gebogen sein, wobei ein leichter Unterhals vorhanden sein kann. Die Tiere gelten als ausgesprochen robust und widerstandsfähig, dabei als gutmütig, freundlich und bei entsprechender Behandlung als ausgesprochen lernfähig. Sie sind sehr genügsam und gute Futterverwerter.
Die erste urkundliche Erwähnung der Dülmener Pferde stammt aus dem Jahre 1316, als sich Herrman de Merfeld und Johannes de Lette das Recht auf die Jagd, den Fischfang und die wilden Pferde sicherten.
Alfred von Croÿ sichert Überleben der Pferderasse
Durch fortschreitende landwirtschaftliche Intensivierung bisher kaum genutzter Gegenden im 19. Jahrhundert, beispielsweise durch das Trockenlegen von Niedermooren und Auen, schränkte man den Lebensraum für wilde Pferde immer mehr ein. Vermutlich wären auch die Dülmener Pferde nicht zu erhalten gewesen, wenn nicht Alfred von Croÿ 1847 zwanzig wildlebende Pferde hätte einfangen lassen und auf dem 132 Morgen (33 Hektar) großen Gelände der Wildpferdebahn im Merfelder Bruch für ihre Erhaltung gesorgt hätte. Hinzu kam der gesamte Restbestand von 200 Emscherbrücher Pferden, der nach der Auflösung der dortigen Wildbahn entlang der Emscher zwischen Waltrop und Bottrop eingefangen und nach Dülmen gebracht wurde. Die rasche Vermehrung der Pferdeherde brachte nach und nach eine Ausweitung des Gebiets auf seinen heutigen Stand von rund 350 Hektar mit sich.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Dülmener Pferde weniger einheitlich und kamen in verschiedenen Farben und mit verschiedenen Abzeichen vor. Um die Folgen möglicher Inzucht bei diesem ursprünglich sehr kleinen Bestand zu minimieren und in der Absicht, die Rasse dem Zuchtziel entsprechend als kleine Pferderasse zu erhalten, wurde mit der Einzüchtung von anderen Ponyrassen begonnen. Anfänglich verwendete man Welsh-Ponys, später auch Ponys aus der Mongolei und aus Exmoor sowie Huzulen und, vor allem ab 1957, polnische Koniks. Noch Ende der 1960er Jahre kamen unterschiedliche Farben häufig vor. Auch weiße Abzeichen traten gelegentlich auf. Da seit 1984 nur noch graufalbe Hengste eingekreuzt werden, hat diese Farbe im Bestand stark zugenommen.
Die Dülmener Pferde leben – weitgehend vom Menschen unbeeinflusst – relativ frei und ganzjährig im Merfelder Bruch. Lediglich in strengen Wintern werden sie dort zusätzlich mit Futter aus Heu, Stroh und eventuell auch Grassilage versorgt.
Zucht – Eingriff in die Natur?
Die Zucht ist aber streng geregelt, um diese Rasse möglichst unverändert und stabil zu erhalten. Dazu gehört, dass jeweils am letzten Samstag im Mai jedes Jahres die jungen Hengste bei einer viel besuchten Veranstaltung von Hand gefangen und versteigert werden. Die Deckhengste leben lediglich in der Zeit von Mai bis September bei der Herde, um die Geburtstermine der Fohlen zu steuern. Die Herde selbst ist in Familienverbände aufgeteilt, die aus verwandten Stuten und ihren Fohlen bestehen und jeweils von einer Leitstute geführt werden.
Außerhalb der Wildbahn werden Dülmener als vielfältige Kleinpferde geschätzt, wobei die Verwendung als Reitpferd für Kinder überwiegt. Sie können in ganzjähriger Offenstallhaltung leben und brauchen keinen wertvollen Weidegrund. Während die kleinen Pferde in vergangenen Jahrhunderten oft als Grubenponys unter Tage verwendet wurden, werden die Dülmener heute gern als Reit- und Familienpferd eingesetzt.
Da die Dülmener geschützt vor allen potenziellen Fressfeinden leben, also alte und schwache Tiere nicht durch Jäger getötet werden, ist die häufigste Todesursache das Verhungern, denn alte Tiere können auf Grund der stark abgenutzten Zähne kaum noch Futter aufnehmen.
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