Kurz nach unserer Rückkehr in die Türkei, nach einer doch ausgedehnten Rundreise durch Deutschland, meldete sich unser Freund Detlef aus Halle auf einen Besuch für das kommende Wochenende an.
Detlef verbringt seinen Urlaub in Gazipasa und wie schon so oft wollten wir uns am Abend einen Kurztrip für den folgenden Tag überlegen, was bei der Vielzahl der Möglichkeiten an der türkischen Riviera meist kein großes Problem ist. So saßen wir denn am Freitagnachmittag bereits über die Karte gebeugt und beratschlagten einen Zielort für den kommenden Tag. Da auch Detlef kein Neuling an der Riviera ist und wir schon etliche gemeinsame Touren gemacht hatten, war ich überrascht, das Detlef das Viadukt von Aspendos noch nicht kannte. Ein Bild im Reiseführer von Allan Huglstadt, den wir ihm bei der Gelegenheit auch vorstellen konnten, hatte uns auf die Idee gebracht.
Aspendos Theater und Aspendos Viadukt
So machten wir uns am folgenden Samstagmorgen auf den Weg in Richtung Antalya, wo wir kurz vor Serik rechtsabbiegend den Hinweisschildern nach Aspendos folgten. Mehrfach schon hatten wir das Theater von Aspendos und auch das Viadukt von Aspendos besucht, es ist jedoch immer wieder faszinierend, diese so mächtigen und dabei sehr gut erhaltenen Römer Bauten aus unmittelbarer Nähe zu betrachten. Vielen Türkeibesuchern wird das Theater von Aspendos spätestens seit der Showveranstaltung mit Thomas Gottschalk „Wetten das“ vor einigen Jahren sicherlich bekannt sein. Wir hatten das Glück dort einmal der Tanzshow „Fire of Anatolya“ beizuwohnen. Trotz der vielen Besucher im Theater von Aspendos ist die oberhalb auf dem gleichen Hügel liegende antike Stadt nur wenig bekannt, man trifft dort nicht oft auf Besucher. Die Reiseleitungen bringen die Touristen eher nach Perge.
Das Viadukt von Aspendos - mächtige Mauerreste
Auch wenig bekannt ist das Viadukt der Römer, das zur Versorgung der auf dem Hügel liegenden Stadt mit Frischwasser gebaut werden musste. Eigentlich kaum verständlich, denn es gilt als absolutes „Highlight“ der Römischen Wasserbaukunst. Noch dazu sind große Teile des Viadukts in erstaunlich gutem Zustand. Frischwasser gab es zu Zeiten der Römer ausreichend aus der dem Stadthügel gegenüber liegenden Quelle im Vorgebirge des Taurus etwa 17 Kilometer entfernt in Gökcepinar. Noch heute sprudelt die Quelle, allerdings nicht mehr ausreichend zur Versorgung einer ganzen Stadt.
Die hohe Lage der Stadt Aspendos auf dem Hügel hatte zwar den Vorteil etwa 60 Meter über dem Geländeniveau zu liegen, was den Bau der Stadtverteidigung erleichterte, allerdings die Versorgung der Stadt mit Frischwasser erheblich problematisierte. Dank der Baukunst der Römer, besonders in Hinsicht auf Wasserbauten, war aber auch dazu eine Lösung möglich. Ähnlich wie in anderen Städten hätte man zur Überquerung des Tales, das hier mehr als einen Kilometer breit ist, auch einen Viadukt Bau von etwa 30 Meter Höhe, das gesamte Tal bis zum Taurus überbrückend, bauen können, was aber wohl ganz erhebliche Kosten und statische Probleme verursacht hätte. Warum also nicht den natürlich vorhandenen Wasserdruck und die physikalischen Grundgesetze der kommunizierenden Wassersäulen parallel nutzen und eine Druckleitung bauen, die auf dem Prinzip des Druckausgleichs in Röhrensystemen basiert.
Wasserturm als schiefe Ebene
Diese Kenntnis war bei den Römern vorhanden und wurde in Aspendos baulich umgesetzt. Das Wasser wurde direkt an der Quelle aufgefangen und durch ein Leitungssystem auf wenig fallendem Niveau in Richtung der Stadt Aspendos bis zu einem „Wasserturm“ am Rande des Tales geführt. Über eine schiefe Ebene, die zur Wasserführung aus Stein gefertigte, sehr massive Rohrstücke trug, floss das Wasser nun in das Tal hinab. Um den Druck des Wassers aufnehmen zu können, fertigten die Römer diese Rohre aus Kubikmeter großen Kalksteinen, wobei der Innenrohrdurchmesser 26 Zentimeter betrug. Heute noch liegen einzelne Rohstücke verstreut auf dem Boden entlang des Viadukts. Jedes Zweite dieser Rohrstücke hat ein Handloch an der Seite, in dem ein Pfropfen gesessen hat. Diese Öffnungen dienten einerseits der Reinigung und andererseits dem Abbau von Druckstößen, die ansonsten die Kalksteine hätten zerstören können, so immens war der Wasserdruck. Mit dem Wasser gelangte immer auch Luft in das Leitungssystem, so dass es zu plötzlichen Veränderungen in der Fließgeschwindigkeit kommen kann, womit in der Regel die gefürchteten Druckstöße durch das Leitungssystem wanderten. Um Zerstörungen zu vermeiden, musste möglichst alle Luft aus dem geschlossenen System entfernt werden. Die Römer bauten deshalb Druckausgleichstürme mit offenen Wassertanks, an die dann die Druckleitung angeschlossen war. Das physikalische Grundgesetz der kommunizierenden Röhren nutzte das Wasser dann, um seinen ursprünglichen Ausgangsspiegel wieder zu erreichen. So konnte auch die Luft entweichen.
Das Tal selbst wurde auf etwa 100 Säulenbögen überbrückt, die heute noch in gerader Linie gut erkennbar das gesamte Tal überqueren. Leider sind davon nur noch etwa 40 Bögen erhalten. Auf der Stadtseite zu Aspendos stieg nun das Wasser in dem Röhrensystem wieder auf, so dass die Höhe auf einer Ebene mit dem zur Stadtversorgung notwendigen Niveau erreicht wurde. Über dieses Drucksystem gelangte kontinuierlich Wasser nach Aspendos hinein, so dass sogar ein riesiges Nymphaion, eine riesige Stadtbrunnenanlage, gebaut werden konnte, von der aus die Verteilung des Wassers in der Stadt vorgenommen wurde. Die Ruinen dieser Brunnenanlage sind ebenfalls noch recht gut erhalten. Berechnungen der Durchflussmengen haben ergeben, dass durch dieses Aquädukt etwa 65 Liter Wasser pro Sekunde in die Stadt verbracht wurden. Diese Menge entspricht etwa 5.600 Kubikmeter Wasser pro Tag. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 15.000 in Aspendos lässt das auf einen Wasserverbrauch von etwa 370 Litern pro Person und pro Tag schließen, dreimal so viel wie heute in Deutschland üblich. Allerdings hatten die Römer noch keine Möglichkeit, den Wasserlauf zu stoppen. Allerdings war so auch die gesamte Stadt ständig von Frischwasser durchflossen.
Antikes Aspendos auf dem Hügel
Wenn man zunächst Richtung Theater Aspendos fährt, gelangt man an den Hügel, auf dem die antike Stadt liegt. Bitte biegen Sie hier links ab und umfahren Sie den Stadthügel. An der rechten Hügelseite sind bereits einige antike Bauten zu sehen, so auch eine Treppenanlage. Die antike Stadt selbst ist noch wenig erforscht, Ausgrabungen hat es bislang wohl nicht gegeben. Nachdem der Hügel fast umfahren ist, sehen sie schon den mächtigen Bau des Viadukts, das zum Anstieg des Wassers auf das Niveau der Stadt verantwortlich ist. Zwischen 25 und 30 Meter ragen die überwiegend aus Ziegelstein errichteten Segmentbögen noch in den Himmel. Auch die Rampe der Rohrleitung ist noch gut zu erkennen.
Etwas nervig sind allerdings am Viadukt wartende „Verkäufer“, die penetrant auf zu unserer Überraschung tatsächlich anwesende Besucher einreden und ihre Verkaufsartikel an den Mann oder die Frau bringen wollen. Wir sind etwas genervt, da auch der Busfahrer sein Fahrzeug direkt am Viadukt geparkt hatte, was das Fotografieren unmöglich machte. Dabei ist überall genügend Platz vorhanden.
Treppenhaus im Wasserturm von Aspendos
Kurz entschlossen setzten wir den Weg fort und gelangten so zu den Viadukt Bögen die das Tal überqueren. Entlang eines modernen Bewässerungskanals waren wir an einem Punkt angelangt, von wo aus die Gesamtanlage in ihrer Größe gut zu erkennen war. Welch eine meisterliche Bauleistung zur Wasserversorgung einer Stadt. Von hier war es auch nicht mehr weit bis zum Wasserturm an der Taurus Seite. Wir parkten das Fahrzeug am Rande des Dorfes und gingen zunächst an den Bauwerken entlang bis zum Taleinschnitt. Der Blick bis hinüber zur antiken Stadt war allein schon faszinierend, konnte doch auch das gesamte Viadukt nur überblickt werden. Ein etwa 10 jähriger Junge aus dem Dorf gesellte sich zu uns und wusste eine Menge Dinge zu erzählen.
Wir wandten uns dann dem auch hier noch mächtigen Bauwerk des Wasserturms zu und entdeckten so auch den Einstieg zum Treppenhaus im Turm, der bis zur Einbruchstelle auf etwa 15 Meter Höhe führt. Auch hier war eine Mischbauweise zu erkennen, die aus teilweisem Ziegelmauerwerk und aus Naturstein bestand, das durch römischen „Beton“ verklebt war. Allein die zum Erstellen des Viadukts notwendigen Ziegelmengen zu produzieren, kaum vorstellbar ohne maschinelle Fertigung. Das allein zum Brennen notwendige Heizmaterial muss ganze Wälder verschlungen haben.
Es ist einfach faszinierend, diese technischen Meisterleistungen zu sehen, die bereits fast 2.000 Jahre alt sind. Als Baumeister gilt der Römer Tiberius Claudius Italicus, der das Aquädukt dann an die Stadt verschenkte. Sollten Sie an dem Aquädukt entlang in Richtung der antiken Stadt wandern wollen, bitte verlassen Sie nicht die ausgetretenen Ziegenpfade, da eine Vielzahl von unterirdischen Zisternen leicht übersehen werden. Das sich am Ende befindliche Nymphaion hatte einen Durchmesser von knapp 33 Metern und eine Höhe von etwa 15 Metern. Einst komplett mit Marmor verkleidet, gab es Nischen, in denen Statuen gestanden haben müssen, was auf den Wohlstand in der Stadt Rückschlüsse zulässt.
Wir verließen dann das Aquädukt und fanden ein idyllisches Plätzchen am Köprü Fluss, wo wir uns für ein kleines mitgebrachtes Picknick niederließen. Das Aquädukt stand dabei noch lange im Mittelpunkt unserer Gespräche.
Koordinaten: 36° 56′ N, 31° 10′ O (Karte)
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