Kumkuyu, der moderne, türkische Name des uralten Siedlungsgebiets der halbnomadischen Tirtar-Volksgruppe, liegt im Süden des Landkreises Erdemli an der Fernstraße D-400, etwa 15 Kilometer südwestlich der Kreisstadt gleichen Namens und etwa 50 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Mersin.
Die auch mit Tirtar oder Akkale (Weiße Burg) bezeichnete Ansammlung von einem Wohnpalast, einer gut erhaltenen komplexen Zisternenanlage sowie einer Kirchenruine befindet nur etwa 10 Kilometer vor den Toren von Kizkalesi.
Etwa sieben Fahrkilometer nordöstlich der bekannten, römischen Stadt Elaiussa Sebaste, die im Ortszentrum von Ayaş liegt, zweigen wir von der Küstenstraße D-400 in einen beschilderten Fahrweg nach rechts ab, der in das Ruinenfeld von Akkale / Tirtar führt.
Zu den Ruinenfeldern von Akkale
Der Ruinenkomplex liegt auf einem leicht zum Wasser hin abfallendem Gelände etwa 300 Meter vom Meer entfernt. Die kleine Bucht, die einst den Hafen bildete, ist heute zum Teil verlandet. Diese Bucht, die Platz für höchstens zwei Galeeren bot, muss deshalb als zur Domäne gehörender Privathafen gedeutet werden. Bisher touristisch kaum erschlossen, wird der Dämmerschlaf dieser Ruinen hoffentlich bald ein gutes Ende haben. Ein großer Yachthafen ist dort im Bau, der in den nächsten Jahren für reges Leben in dieser Gegend sorgen wird, vielleicht so auch zum Erhalt von Akkale beiträgt.
Der Ruinen von Akkale werden nach architektonischen Gesichtspunkten in die frühbyzantinische Zeit, spätestens ins 5. Jahrhundert n. Chr. datiert. Auch herrscht Einigkeit unter den Archäologen, dass es sich um einen Palast mit dazugehöriger Domäne gehandelt haben muss. Friedrich Hild und Hansgerd Hellenkemper, der deutsche Byzanzforscher und ehemaliger Direktor des Römisch-Germanischen Museums der Stadt Köln, nehmen an, dass der Erbauer ein Byzantiner namens Illos war, dessen Name in einer Inschrift über der Tür der Badeanlage zu lesen ist. Der gleiche Name Illos taucht auch als Stifter der Wiederherstellung der Wasserleitung auf, die einst vom Lamos über Elaiussa Sebaste bis nach Korykos führte. Bei dem Besitzer von Akkale handelte es sich wahrscheinlich um den oströmischen General Illus († 488), einem Rivalen des Kaisers Zenon.
Der Lamos aus dem Rauen Kilikien
Drei Kilometer nordöstlich mündet der in der Antike bedeutsame Fluss Lamos, heute mit Limonlu Çayı bezeichnet, der einst die Grenze zwischen den Ebenen Kilikien (Kilikia Pedias) und dem Rauen Kilikien (Kilikia Tracheia) bildete, ins Meer. Möglicherweise wurde auch der Ruinenkomplex von Akkale über eine Zweigleitung von diesem Aquädukt aus versorgt, allerdings sind bislang davon keine Spuren gefunden worden. Semavi Eyice, ein türkischer Kunsthistoriker, dessen Spezialgebiet die byzantinische Kunst sowie die Kunstgeschichte von Istanbul ist, hält es dagegen für möglich, dass Akkale der Königssitz des römischen Klientelkönigs Archelaos von Kappadokien war. Dieser hatte um Christi Geburt im nahen Elaiussa Sebaste residiert. Die zahlreichen Kreuze und andere byzantinische Merkmale erklärt Eyice durch Weiternutzung und Erweiterungen der Bauten aus christlicher Zeit.
In den Ruinen des Palastes von Akkale
Als Hauptgebäude oder Palast der Akkale-Anlage ist der einst mehrgeschossige Bau von etwa 55 × 65 Metern Grundfläche zu sehen. Er besteht aus zwei im Osten und Westen gelegenen Flügeln, zwischen denen im Erdgeschoss auf einer Breite von etwa 26 Metern mehrere ehemals gewölbte Hallen liegen. Auch die Seitenflügel besitzen verschiedene, tonnengewölbte Räume und an der dem Meer zugewandten Südseite einen hohen, offenen Bogen als Fassade. Das Nordende des östlichen Flügels ist als Treppenhaus mit einer runden Wendeltreppe ausgestattet. Der Westflügel ist leider stärker zerstört. Von der Südfassade zwischen den Seitenflügeln ist wenig erhalten, die Nordfassade steht dagegen noch fast vollständig. Innen sind dort neun Bogennischen zu sehen, von denen vier ein Fenster besitzen. Außen ist im oberen Bereich der Nordwand eine Reihe Konsolen erhalten, die einst eine auf drei Seiten umlaufende Galerie oder einen Balkon getragen haben müssen. Im Obergeschoss, von dem sonst fast nichts erhalten ist, müssen die Wohnräume gelegen haben, das Erdgeschoss war wohl als Horreum (diverse Lagerräume) genutzt. In der Hauptsache wurden hier in der Region Weintrauben gepresst und Wein gekeltert, der neben Olivenöl eine der Grundlagen für den Reichtum in der damaligen Zeit in der Region war. Wie bedeutsam die Weinproduktion einst gewesen sein muss, lässt sich gut auch durch den Besuch des Kloster Alahan belegen, in dessen Mauern eine Vielzahl von Weingravuren und Weindarstellungen eingelassen sind.
Einen ummauerten Platz im Westen des Hauptgebäudes mit mehreren Trögen deutet Semavi Eyice als Presse für Öl oder Trauben. Zwischen Kreuzgebäude und Zisterne liegen unterirdische, von Westen nach Osten tonnengewölbte Räume, wohl ein Unterbau für ein nicht mehr erhaltenes Bauwerk. Weitere Mauerreste sind im Osten und Norden des Komplexes zu sehen, ebenso auf der Meerseite. Alle sind stark zerstört und von Anpflanzungen und Sträuchern überwachsen.
Riesige Zisternenanlage in gut erhaltenem Zustand
Das eigentlich Besondere in Akkale aber ist die riesige, vollständig erhaltene Zisterne, die allein einen Besuch lohnenswert macht. Sie wurde genauso wie die umliegenden Städte über die Aquädukte und Wasserleitungen vom Lamos Fluss gespeist. Ihre Außenmaße betragen 33 × 20 Meter, der Innenraum ist etwa 30 Meter lang, 15 Meter breit und 10 Meter hoch. Das Bauwerk ist zum Teil in den anstehenden Felsen gehauen und zum größten Teil aus sorgfältig bearbeiteten Steinen gemauert. Die Nordwestwand ist erheblich dicker als die anderen Wände, die zum Meer gewandte Südostwand ist außen mit Strebepfeilern verstärkt. Die Schmalseiten sind bis zum Tonnenansatz verstärkt, wodurch außen ein Gang entsteht. Zu diesem führt an der Südwestwand eine Treppe hinauf und von dort wiederum eine Treppe ins Innere. Der Innenraum ist in drei tonnengewölbte Schiffe aufgeteilt, die durch zwei Reihen von je sechs Säulen voneinander getrennt sind. Der untere Teil der Säulen ist aus dem Fels gehauen, der obere gemauert. Die Innenwände sind mit einem wasserdichten Putz versehen. In der Zugangsseite sind zwei Fenster eingebaut, ebenso an der gegenüberliegenden Schmalseite. Nahe der Treppe liegt eine Ausflussöffnung, von dort führen ein Weg und ein 15 Zentimeter breiter Kanal Richtung Ufer, über den eine weitere, kleinere Zisterne versorgt wurde.
Am südwestlichen Eck der Zisterne liegt ein stark verfallener Ruinenkomplex, der allgemein als Badeanlage identifiziert wird. Er hat im Osten eine Tür, auf deren Sturz die allerdings schlecht zu lesende Inschrift "Illos" eingemeißelt ist. Hinter dieser Tür lag ein Raum mit einer Apsis, dahinter zwei kleinere Räume mit Exedren an den Schmalseiten beziehungsweise in den Ecken. Regelmäßig verteilte Dübellöcher in den Wänden legen Anzeichen für eine vergangene Marmorverkleidung als Vermutung nahe.
Etwa zehn Meter nordöstlich des Hauptbaus liegt ein äußerlich fast quadratisches Bauwerk von 9,4 × 10,0 Metern Grundfläche. Der Innenraum hat einen Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes. In den Ecken des Kreuzes befinden sich vier kleine fensterlose Räume mit Tonnengewölbe, die über jeweils einen Zugang von den Kreuzarmen verfügen. Das Kreuz ist von einer Kreuzkuppel mit Pendentifs überwölbt. Der zentrale Teil der Kuppel ragt hoch in das Obergeschoss und ruht auf Eckpfeilern mit korinthischen Kapitellen, die Kreuzarme sind ebenfalls tonnengewölbt. Auf den vier Schlusssteinen dieser Gewölbe am Übergang zur zentralen Kuppel sind Kreuzmedaillons zu sehen. Im westlichen und östlichen Arm ist jeweils ein Fenster vorhanden, der Eingang lag vermutlich in der verfallenen Südfront. Über den Armen des Kreuzes und den Eckräumen sind Reste von weiteren acht Räumen erkennbar. An dem einzigen erhaltenen dieser Räume kann man feststellen, dass er durch Türen mit den anderen verbunden war. Spuren einer Treppe oder eines Aufgangs ins Obergeschoss konnten wir nicht erkennen. Über die Funktion des Bauwerks kann nur spekuliert werden, Hellenkemper und Hill weisen auf Ähnlichkeiten mit verschiedenen Grabbauten aus römisch-byzantinischer Zeit hin.
Zur Forschungsgeschichte von Akkale
Der Araber Ibn Chordadhbeh beschreibt im 9. Jahrhundert in seinem Kitāb al-Masālik wa l-Mamālik einen Ort mit Namen Iskandarīya vier Meilen östlich von Sebaste, der schon in Ruinen lag. Ob dieser mit Akkale gleichzusetzen ist, kann nicht geklärt werden. Evliya Çelebi beschreibt in seinen Reiseberichten im 17. Jahrhundert zwar zahlreiche Ruinen in der Umgebung von Korykos, erwähnt aber Akkale nicht ausdrücklich. Als erster westlicher Ausländer besuchte der britische Kapitän Francis Beaufort, der im Auftrag der Admiralität in den Jahren 1811–12 die kilikische Küste erkundete, den Ort. Er beschreibt Hafen, Zisternen und Gebäude. 1818 bereisten Charles Leonard Irby und James Mangles Kilikien und lieferten eine Beschreibung der Ruinen. Léon de Laborde besuchte 1826 Akkale, das er für ein Kloster hielt. Der deutsche Geograph Carl Ritter nennt 1859 den Komplex von Akkale eine „merkwürdige Anlage“. 1906 besuchte Gertrude Bell das Gelände und untersuchte vor allem das kreuzförmige Gebäude, von dem sie auch Photographien lieferte. Semavi Eyice veröffentlichte 1986 einen Aufsatz über Akkale, 1987 gaben Gilbert Dagron und Denis Feissel eine Lesung der Inschrift über der Tür der Badeanlage. Friedrich Hild und Hansgerd Hellenkemper schließlich bereisten von 1968 bis 1989 Kilikien und Isaurien und beschrieben ebenfalls den Baukomplex von Akkale. Archäologische Grabungen sind noch nicht durchgeführt worden.
Koordinaten: 36° 31′ 44″ N, 34° 13′ 22″ O
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