Demonstrationen gegen verschärfte Internetzensur

Demonstrationen gegen verschärfte Internetzensur

In Istanbul hat die türkische Polizei am Samstagabend eine Kundgebung von Gegnern der Regierung mit Wasserwerfern und Tränengas auseinander getrieben, die gegen ein geplantes Gesetz, das strengere Regeln für das Internet vorsieht, demonstrierten.

Entsprechend dem Gesetzentwurf soll die Regierung künftig einfacher Internetseiten sperren können, ohne das dazu eine gerichtliche Anordnung erfolgen muss. Auch die massenhafte Überwachung von Nutzern soll ermöglicht werden, Datenspeicherung im großen Stil.

Der Entwurf ist in den kommenden Tagen Thema im Parlament. Die Regierung behauptet, das Gesetz diene dem Schutz von Kindern und der Privatsphäre.
Zu der Kundgebung in Istanbul wie auch in Ankara hatten mehrere Parteien und Vereinigungen aufgerufen. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seiner Regierung, der sie Korruption vorwerfen. Während der Kundgebung riefen sie die Abgeordneten auf, das Gesetz abzulehnen.

Ich protestiere dagegen. Zensur ist ein Verbrechen

demonstration 1Nachdem Barrikaden errichtet und diese teilweise in Brand gesetzt worden waren, griff die Polizei rigoros durch. Beamte in Zivil nahmen einige Demonstranten fest und führten sie zu Polizeifahrzeugen. Einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP entsprechend, hatten sich einige Demonstranten mit Steinen zur Wehr gesetzt. Mehrere von ihnen wurden festgenommen. Ein junger Demonstrant sagte: “Ich bin hier, um meine Rechte auf Internetzugang zu verteidigen. Niemand sollte das verbieten können, während ich dafür zahle. Ich protestiere dagegen. Zensur ist ein Verbrechen.”

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte zu dem Gesetzentwurf bereits erklärt, dass die bestehenden türkischen Internetregulierungen gegen die Meinungsfreiheit gerichtet seien. An die 40.000 Web-Seiten – darunter viele pornografische – werden in der Türkei nach Angaben von Engelli Web blockiert, eine Seite, die sich mit Internetzensur befasst.

Hintergrund ist eine Korruptionsaffäre bislang unbekannten Ausmaßes in der Türkei: Istanbuler Staatsanwälte hatten am 17. Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter Geschäftsleute, Erdogan nahe stehende Politiker und die Söhne von drei Ministern, woraufhin auch die Staatsanwälte versetzt wurden. Bei dem Korruptionsskandal geht es unter anderem um bestochene Politiker, verheimlichte illegale Goldgeschäfte der staatlichen Halkbank mit dem Iran und um rechtswidrige Bauvorhaben.

Im Zuge der Affäre wurden bereits hunderte Polizisten und Beamte strafversetzt und das halbe Kabinett ausgetauscht. Erdogan betrachtet die Ermittlungen als Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte im Staatsapparat mit dem Ziel, der AKP vor den Kommunalwahlen Ende März zu schaden.

Jetzt feuert Ministerpräsident Erdogan Manager und TV-Redakteure

demonstration 3Der Korruptionsskandal in der Türkei zieht weitere Kreise: Die Regierung hat nach Massenentlassungen bei Polizei und Justiz nun auch Funktionsträger bei staatlichen Aufsichtsbehörden und Medien gefeuert.

Türkische Medien berichten von drei Spitzenbeamte der Bankenaufsicht BDDK, die ihrer Ämter enthoben worden sind. Bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TIB) mussten fünf Abteilungsleiter gehen, beim staatlichen Fernsehsender TRT sind ein Dutzend leitende Redakteure und Abteilungsleiter vor die Tür gesetzt worden.

In der Zeitung «Hürriyet» wird berichtete, das man vor den Entlassungen der drei Bankenaufseher bei der BDDK Tonbandaufnahmen der Gülen Bewegung gefunden habe, wo eine Stimme erklärt: «Wir haben Leute bei der BDDK.»

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