Ihsanoglu ist gegen ein Präsidialsystem in der Türkei

 Ihsanoglu ist gegen ein Präsidialsystem

Der gemeinsame Präsidentschaftskandidat der beiden größten türkischen Oppositionsparteien, Ekmeleddin Ihsanoglu, hat sich gegen die Versuche der Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei ausgesprochen. «Die Verfassung definiert die Türkei als ein parlamentarisches System», sagte Ihsanoglu gegenüber der Zeitung «Hürriyet Daily News» am heutigen Montagmorgen.

Der islamisch-konservative Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der sich am 10. August zum Staatsoberhaupt wählen lassen will, strebt dies bezüglich und nicht zum ersten Mal eine Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem an.

Ekmeleddin Ihsanoglu war zuletzt Generalsekretär der Organisation der Islamischen Kooperation (OIC). In dem Gespräch betonte Ihsanoglu ausdrücklich, das Religion und Politik nicht vermischt werden sollten. «Die Katastrophen, denen wir heute in Syrien, im Libanon, im Irak und anderswo gegenüberstehen, kommen vom Missbrauch der Religion in der Politik.»

Er selbst strebe bei der ersten direkten Wahl des Präsidenten durch das Volk 55 Prozent der Stimmen an.

Als ein dritter Kandidat geht der zweite Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, ins das Rennen um die Wahl zum Präsidenten. Demirtas kann sich zwar keinerlei Chancen auf das Präsidentenamt erhoffen, könnte Erdogan, der in Umfragen deutlich vorne liegt, allerdings um die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang bringen. Dann ist für den 24. August eine Stichwahl geplant.

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Zum Thema Präsidentenwahlen sagt der Politologe Stanislaw Tarassow: Erdogan wird entweder Präsident oder Angeklagter!

Die Parteigenossen des islamischen Ministerpräsidenten der AKP haben keine Zweifel, dass ihr Premier die Wahlen bereits im ersten Wahlgang gewinnen wird. Ernste Analytiker sind jedoch davon überzeugt, dass Erdogan beim ersten Wahlgang nur auf max. 51 Prozent der Stimmen kommen wird und deshalb ein zweiter Wahlgang am 24. August abgehalten werden muss.

Es werden enorme weitere Anstrengungen notwendig sein, um die Präsidentenwahlen zu gewinnen, sagt Tarassow. Nach den Korruptionsskandalen der vergangenen Monate, in die Mitglieder der regierenden Partei und gar drei Regierungsminister verstrickt waren, sieht es jetzt so aus, dass Erdogan entweder gewinnt und Präsident wird oder verliert und sich vor Gericht verantworten muss.

Die Opposition ist mehr denn je überzeugt, genügend Hinweise über die aktive Rolle des amtierenden Ministerpräsidenten während des Korruptionsvorgangs zu haben, sagt der bekannte russische Politologe Stanislaw Tarassow.

„Als Präsident wird Erdogan unantastbar sein. Ohne diesen Status wird es ihm sehr schlecht ergehen. Denn der Korruptionsskandal, der im vorigen Dezember begann, dauert immer noch an.“

Die im März stattgefundenen Gemeindewahlen haben gezeigt, dass die Positionen der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung längst nicht so stark ist, wie Erdogan es sich wünschen würde. Statt der erhofften 57 Prozent der Stimmen kamen die Abgeordneten seiner Partei lediglich auf 47 Prozent der Stimmen.

Mittlerweile schätzt Erdogan die Situation um die türkischen Grenzen sehr viel vorsichtiger ein als noch vor wenigen Wochen, nicht zuletzt aufgrund des militärischen Vorrückens der Isis-Terrorristen. Gerade erst wurden weitere Vorwürfe publik, die eine Unterstützung der Isis im Falle von verwundeten Kämpfern durch die Türkei unterstellten. Erdogan wolle anscheinend zur Zeit keine weiteren regionalen Probleme für Ankara, meint Stanislaw Tarassow.

Der russische Experte erinnert auch daran, dass die Türkei unter Erdogan zweifellos zu einer führenden Wirtschaftsmacht geworden ist. Selbst seine Gegner geben das zu. Die Türkei gehört jetzt zu den 20 wirtschaftlich höchstentwickelten Ländern der Erde.

In diesem Hinblick kann Erdogan dem Westen und insbesondere der Europäischen Union alle vorherigen Verletzungen und Erniedrigungen, die die Türkei erfahren hat, vorhalten. Vor allem handelt es sich um die, in seinen Augen, grundsätzlich fehlende Bereitschaft der EU, die Türkei in die Europäische Union aufzunehmen, so Tarassow. Die „Eurogeschichte“ der Türkei ist so leicht zu durchschauen, dass die Ukraine eine Lehre daraus ziehen müsse, um ihre „Euro-Täuschungen“ loszuwerden, kritisiert Stanislaw Tarassow: "Brüssel fühle jetzt „die Abkühlung“ Erdogans und setze alles daran, um seinen Gegnern bei den Wahlen zu helfen."

„Der Westen möchte die Türkei nach wie vor in „seinem Joch“ sehen und tut sein Bestes, um den Sieg Erdogans zu verhindern. Die EU hat alle Verhandlungen über die Eurointegration der Türkei abgebrochen. Auch die militärtechnische Kooperation zwischen den USA und der Türkei nimmt ab.“

Sollte Erdogan gewinnen, wird der Westen ganz neue Beziehungen zur Türkei aufbauen müssen. Allerdings wird Ankara auch dann politisch unabhängig handeln, wenn Erdogans Hauptgegner Ekmeleddin Ihsanoglu gewinnt.

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