Präsident Erdogan bezieht seinen 1000-Zimmer-Protzbau
- Geschrieben von Portal Editor
Sein „Weißer Palast“ (türkisch: „Ak Saray“) ist fast dreimal so groß wie der Buckingham Palace, im direkten Vergleich erscheint Buckingham mit seinen nur 77 000 Quadratmetern fast etwas mickrig.
Mit dem Bau des 1000-Zimmer-Palastes der Größe von immerhin 210 000 Quadratmeter bebauter Fläche in der Nähe von Ankara hat sich der türkische Präsident selbst ein Denkmal gesetzt – noch dazu wurde der Palast illegal inmitten eines Naturschutzgebiets errichtet.
Der Hintergrund: Das höchste Verwaltungsgericht hatte den Bau im März für illegal erklärt, weil er in einem Naturschutzgebiet errichtet wurde. Das Grundstück ist Teil eines riesigen Wald- und Agrarlandes, das Republikgründer Atatürk 1937 an die Türkei vererbt hatte, ein Jahr vor seinem Tod. Erdogan, erst im Sommer direkt im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt, fühlt sich jedoch offensichtlich nicht mehr an die Justiz gebunden: „Lasst sie das Gebäude abreißen, wenn sie können. (...) Ich werde es eröffnen, ich werde einziehen, ich werde es nutzen“, verkündete der de-facto-Alleinherrscher, der bei jeder Gelegenheit von seinem Modell einer „Neuen Türkei“ schwärmt. Der neue, türkische Sultan hat sich einen Palast bauen lassen, der eine auch Botschaft hat: "Der Staat bin ich."
Am Mittwoch, dem wichtigsten Nationalfeiertag der Türkei („Tag der Republik“ am 29. Oktober), sollten sich Tore und Türen für Tayyip Erdogan öffnen. Die dreistöckige Residenz, die er nun mit seiner Familie bezieht, sucht man auf den Original-Bauplänen allerdings vergeblich, berichtet das auf Nahost-Themen spezialisierte US-Nachrichtenportal „Al-Monitor“. Der Gebäudekomplex sei „klar überdimensioniert“, lautet das Fazit der Journalisten. Nur ein Protz-Gebäude kann bei den aberwitzigen Dimensionen des Erdogan-Palasts mithalten: Der von Ceausescu gebaute „Palast des Volkes“ in Bukarest (Rumänien). Aber der Mann wurde als Halunke hingerichtet, bevor der Kolossalbau ganz fertig war.
Türkischen Medien zufolge hat der Bau, der auch über einen ABC-Waffen-sicheren Schutzbunker verfügt, umgerechnet mindestens 275 Millionen Euro verschlungen. Für Aufsehen sorgte in türkischen Medien auch die Nachricht, dass abhörsichere und gegen Cyberattacken abgeschirmte Räume zu dem Komplex zählen sollen, die über Tunnel mit einem unterirdischen Kommandozentrum verbunden seien. Zu Baubeginn (2011) war das Gebäude noch als Amtssitz des Ministerpräsidenten konzipiert. Aber schon damals war klar, dass nur er, Erdogan, Hausherr werden sollte. In welcher Funktion auch immer.
Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Türkei liegt bei etwa 8600 Euro – was nicht einmal einem Viertel des deutschen Niveaus entspricht. Manchem Landsmann erscheint deshalb die Summe des Palastes als obszön. Erdogan ficht das nicht an. Er ignoriert auch Kritiker, die seinen Palast den „größten Schwarzbau der Türkei“ nennen. Der ehemalige Premier und jetzige Präsident will, so berichtet der "Spiegel", nicht alle 1.000 Räume für sich privat nutzen. Es sollen diverse Büros eingerichtet werden, von denen aus regiert werden kann. Allerdings räumt die Verfassung in der jetzigen Form dem Präsidenten keinerlei Vollmachten in diese Richtung ein. Vorsorglich hat Erdogan seinem Nachfolger als Ministerpräsident, Ahmet Davutoglu, bereits angeboten, ihm beim Führen des Landes immer und gerne zu helfen.
Vom Stil her soll der Palast nach Erdogans eigenen Worten zeigen, dass Ankara "eine seldschukische Hauptstadt ist". Historisch blanker Unsinn, nie regierten die alten Seldschuken, gewissermaßen die Vorfahren der Osmanen, von Ankara aus – aber was ist schon Historie. Ankaras Geschichte, so betont der Erdogan-treue Bürgermeister der Stadt, Mehli Gökcek, "beginnt mit der AKP". Dann ist es vermutlich das Mindeste, dass die Partei die Geschichte der Stadt umschreiben kann, wie sie will.
Es zeigt jedenfalls, was Erdogan umtreibt – die Seldschuken waren vor den Osmanen da, Erdogan will die türkische Geschichte zu einer tausendjährigen machen. Denn im Jahr 1071 brachen die Seldschuken ins bis dahin byzantinische (griechische) Anatolien ein. In der langen Geschichte der Türken will sich Erdogan als Führer womöglich eine Stelle sichern, die jener der alten Seldschuken gleich käme.
Das Feinste aber ist der Name des Palastes: Ak Saray – weißer, reiner Palast. Ein Hort der Tugend also, trotz aller Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung und gelegentlicher Fiesheiten gegen Kritiker und überharter Polizeigewalt bei Protesten, der berühmten Twitter-Sperre sowie seiner undurchsichtigen Irak- und Syrien-Politik.
Die Opposition hatte bereits angekündigt, vorgesehene Eröffnungsfeiern zu boykottieren, was sich durch die Absage der Eröffnungsfeiern durch Erdogan selbst aufgrund des erneuten Bergwerksunglücks mit noch immer 18 vermissten Bergleuten erledigt hat. Hier wären sicherheitsrelevante Investitionen und strenge Kontrollen, ob Sicherheitsbestimmungen beachtet werden, sicherlich besser angebracht gewesen.