Legitimiert Papstbesuch den Präsidentenpalast?
- Geschrieben von Portal Editor
Erst kürzlich hatten wir in einem Artikel über den neuen Präsidentenpalast in der Türkei berichtet, jetzt meldet sich die türkische Architektenkammer diesbezüglich zu Wort.
In einem eindringlichen und offenen Brief, der auch in Teilen der Presse zu lesen war, schreibt die Architektenkammer von Ankara an den Mann, der als erster offizieller Staatsgast den "ungenehmigten Palast" beehren soll: Papst Franziskus. Präsident Erdogan will ihn am 28. November im so genannten Ak Saray, im "Weißen Palast", empfangen.
Die Architekten bitten den Papst in ihrem Brief, den Präsidentenpalast nicht durch den geplanten Besuch "zu legitimieren", da er "nach internationalen Standards illegal" errichtet worden sei. Er möge daher bitte "nicht an der geplanten Zeremonie im ungenehmigten Gebäude teilnehmen".
"Gecekondu", in der Nacht erbaut, so nennt man in der Türkei illegal errichtete Gebäude. Es gibt viele Zehntausende davon, in fast allen größeren Städten und auf dem platten Land. Einmal auf fremdem oder staatlichem Boden, unter Missachtung vieler rechtlicher Bestimmungen errichtet, sind sie kaum wieder zu beseitigen.
Der Errichtung des Präsidentenpalastes stehen gar einige Vorwürfe gegenüber: unter Verletzung der Naturschutzbestimmungen, gegen einschlägige Gerichtsurteile, den Bau sofort zu stoppen, wird das Gebäude in den wenigen verbliebenen kritischen Medien der Türkei auch "der Palast ohne Genehmigung" genannt. Sogar das Oberste Verwaltungsgericht untersagte im vergangenen März die Fortsetzung des Baus. Erdogan hatte dazu süffisant bemerkt: Sollen sie den Prunkbau doch niederreißen, wenn sie die Macht dazu haben.
Erdogans früherer Sprecher Akif Beki verteidigt den Bau jedoch mit dem Hinweis, es gebe eine Baugenehmigung, Besitzurkunden und Aufenthaltsgenehmigungen für die Nutzer, also seien damit alle erforderlichen Papiere vorhanden. Tatsächlich war das Naturschutzgebiet, in dem der Palast errichtet wurde, mit einem klaren politischen Gerichtsurteil 2012 reduziert und das Areal zu Bauland erklärt worden. Aber das spätere höchstrichterliche Urteil im März 2014 gegen den Bau, wiegt rechtlich gesehen wesentlich schwerer.
Präsidentenpalast als Symbol für den fehlenden türkischen Rechtsstaat
Sehr viel deutlicher als Erdogan kann man das rechtsstaatliche Prinzip der Türkei also nicht verspotten. Was das für den normalen Bürger bedeutet, kann man nur vermuten. Sicherlich wird bei Vielen der Gedanke vorhanden sein, wenn er, warum nicht auch ich! Damit wird der Staatspräsident selbst und auch dessen Amtssitz zum Symbol für den fehlenden türkischen Rechtsstaat, oder doch zumindest für dessen Mängel.
Die EU scheint momentan durchaus gewillt zu sein, trotzdem oder gerade deshalb das Kapitel "Justizsystem" in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu eröffnen. Eigentlich müsste der Abriss des Palasts oder zumindest dessen Rechtmäßigkeit eine Bedingung vor der Aufnahme neuer Verhandlungen für den erfolgreichen Abschluss dieses Kapitels der Beitrittsverhandlungen sein.
Das eigentlich Selbstverständliche in der EU auszusprechen, das wagt bislang nur die türkische Zivilgesellschaft, nicht die EU. Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates? Wohl kaum, wenn es um die Mitgliedschaft im Staatenbund geht.
Wird der Papst den Palast besuchen oder die Bitte der Architekten zumindest erwägen?
Wenn Staats- und Regierungschefs oder auch nur Politikerdelegationen in offizieller Funktion den Palast Ak Saray besuchen, geben sie natürlich mit ihrer bloßen Anwesenheit ein Statement über den Wert des Rechtsstaates des besuchenden Landes ab. Wer also dorthin geht, dem ist es um die Rechtsstaatlichkeit nicht wert, um jeden Preis geschützt zu werden. Und eigentlich kann die entsprechende Person dann auch im eigenen Land nicht mehr glaubhaft auf die Einhaltung von Regeln und Gesetzen pochen.
Vor diesem Hintergrund sollte sich jeder Volksvertreter, Politiker und Staatsfunktionär im Westen klarmachen, was ein zukünftiger Besuch im Ak Saray auch bedeuten wird. Die türkische Architektenkammer wird an alle zukünftigen Gäste des Palastes ein entsprechendes Schreiben versenden, so zumindest ihre Ankündigung. Tezcan Karakus Candan, Leiter der Kammer in Ankara, bestätigte dies gegenüber der türkischen Zeitung "Hürriyet Daily News" deutlich. Mit den jeweiligen Briefen will er den Adressaten auch jeweils eine ausführliche Dokumentation zur Rechtslage um den Palast zukommen lassen.