Eskalation - Türkei verschärft Twitter-Blockade

Eskalation - Türkei verschärft Twitter-Blockade

Am gestrigen Samstag hat die Regierung der Türkei auch eine häufig genutzte Umgehung der Twitter-Sperre blockieren lassen, wie die Hürriyet Daily News berichtete. Aufgrund parallel verlaufender Verhandlungen mit der türkischen Regierung hatte man bei Twitter gehofft, eine Aufhebung der Sperre zu erreichen.

Stattdessen lies die türkische Regierung seit gestern morgen nun auch den Zugang zu Googles öffentlichem DNS-Dienst, einer der populärsten Umgehungen der Twitter-Sperre blockieren. Viele türkische Twitter-Nutzer hatten seit gestern direkt Googles DNS-Adressen 8.8.8.8 und 8.8.4.4 aufgerufen. Andere DNS-Dienste wie Open DNS sollen zur Zeit noch nutzbar sein.

Laut der Zeitung Hürriyet gibt es eine Erklärung der türkischen Regierung, dass es hunderte von richterlichen Anordnungen an Twitter hinsichtlich der Entfernung von bestimmten  Inhalte gegeben hätte, die von dem Social-Media-Unternehmen aber ignoriert worden seien. Dieser Aussage der türkischen Regierung widerspricht ein türkisches Gericht mit der Behauptung, dass es keine richterlichen Anordnungen als Grundlage für die Twitter-Sperren gegeben habe.

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Ein Zitat von Norbert Wallet, Stuttgarter Nachrichten:

"Soziale Netzwerke sind stark und lassen sich nicht durch die Mechanismen althergebrachter Unterdrückungspolitik einschränken. Sie sind eine Macht, keine Mode.

Woran liegt das? Im Idealfall funktionieren sie nach dem klassischen Ideal des herrschaftsfreien Dialogs: Sie sind egalitär, offen, leicht zugänglich und kommen ohne ideologische Vorgaben aus. Und sie sind schnell. Darin steckt eine gewaltige demokratische Wucht.

Das immerhin scheint Erdogan begriffen zu haben. Aber er hat, anders als er glauben machen will, kein „Medium“, keine Kommunikationstechnik eingeschränkt – er hat den freien Meinungsaustausch in seiner modernen Form, er hat die Demokratie selbst angegriffen. Wer das tut, stellt sich weit außerhalb aller demokratischer Standards. Das sollte man festhalten, schließlich ist Erdogan Premier eines Landes, das seit einem knappen Jahrzehnt über einen Beitritt zur EU verhandelt.

Der wäre wohl aus vielen geostrategischen Gründen erwägenswert, aber unter den gegenwärtigen Umständen unvorstellbar. Nur darf der Westen an diesem Punkt nicht das Nachdenken einstellen. Ein weiteres Abdriften der Türkei in Nationalismus und Fundamentalismus wäre ein Verhängnis, gegen das nur ein kluger Kurs der Partnerschaft hilft."

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments:

Martin Schulz empfindet die Twitter Blockaden als äußerst problematisch, denn sie seien eine extreme Belastung für kommende EU-Beitrittsgespräche: "

„Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind nicht verhandelbar. Sie sind das Fundament der EU. Jedes Land, das der EU beitreten will, muss beides garantieren. Hier gibt es keine Kompromisse.“ In der "Passauer Neuen Presse" führt Schulz fort: „Wir haben leider in den vergangenen Monaten in einigen Bereichen Rückschritte in der Türkei zur Kenntnis nehmen müssen. Die Abschaltung von Twitter gehört dazu.“

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