Mehr Entgegenkommen von der EU - Forderung der Türkei!
Gerade jährt sich die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens vom 12. September 1963 in Ankara zum 50. Mal, da "twittert" die türkische Botschaft bei der EU den folgenden Satz: "Wir brauchen nur jemanden, der uns auf halber Strecke entgegen kommt."
Es sind große Anstrengungen nötig, um Fortschritte in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei zu erreichen, hieß es in der entsprechenden Erklärung. Die Türkeisetze aber ihre Bemühungen auf allen Ebenen fort. Das Assoziierungsabkommen hatte der Türkei eine Beitrittsperspektive zugestanden. Seit 2005 verhandelt die Türkei über einen Beitritt zur EU, kommt dabei aber kaum voran. Aus Sicht der EU liegt dies unter anderem an der Weigerung der Türkei, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen. Ankarabeklagt dagegen, grundsätzlich Widerstände gegen eine türkische Mitgliedschaft in EU-Ländern wie Deutschlandverhinderten raschere Fortschritte.
Allerdings gibt es seitens der türkischen Regierung auch immer wieder neue Hindernisse, die hausgemacht erscheinen. So hat sich die massive Vorgehensweise gegen friedliche Demonstranten nicht verändert, wie die Proteste der letzten Tage gerade wieder deutlich gemacht haben. Und auch die seit langem geforderte Justizreform erweist sich nicht wirklich als Reform im Sinne von Bürgernähe und Demokratisierung. So soll die Polizei in Zukunft eine Untersuchungshaft auch ohne Einschalten und Erlaubnis des Staatsanwalts veranlassen dürfen. Ob diese verschärften Maßnahmen aufgrund der Gezi-Proteste eingefügt wurden, bleibt zunächst unklar.
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In dem von Premierminister Erdogan angekündigten Reformpaket zur Demokratisierung wird zwar auch eine unabhängige Kommission zur Kontrolle der Polizei angekündigt, doch ist auch vorgesehen, das die Polizei das Recht erhält, ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft eine Untersuchungshaft bis zu 48 Stunden veranlassen zu dürfen. Auch das Strafmaß für den Widerstand gegen Polizeibeamte wird erhöht. Nach Angaben der Zeitung Taraf versucht die Regierung Erdogan, die Kontrolle der Polizei durch die Justiz eben dieser Justiz zu entziehen. Ob sich diese Verschiebung im Rahmen der Gewaltenteilung, dem im Prinzip ja auch die bürgerlichen Gesetze der Türkeizustimmen, als Angleichung an EU-Standards zu sehen ist, bleibt mehr als fraglich. Denn wenn die Polizei nach eigenen Kriterien entscheiden darf, wer wofür in Untersuchungshaft kommt, übernimmt sie die Aufgabe der Justiz.
„Dieser Schritt wird die Macht der Polizei außerordentlich vergrößern. Das ist eine Entwicklung zum Polizeistaat“, sagt Ahmet Faruk Ünsal, Präsident der Organisation für Menschenrechte und Solidarität mit den Unterdrückten, auf Nachfrage der Zeitung Zaman. Wenn dann auch noch, wie geplant, die unabhängige Kommission, die die Polizei überwachen soll, von der Regierung besetzt werden wird, lässt das ihre Unabhängigkeit mehr als nur fragwürdig erscheinen.
Aus gesetzlichen Regelungen wie diesen ist klar zu entnehmen, das die Regierung Erdogan versucht eine gesetzliche Grundlage für weitgehende polizeiliche Befugnisse zu schaffen, um potentiellen weiteren Demonstrationen wie den Gezi-Protesten mit der uneingeschränkten Härte der Gesetze begegnen zu können. Damit wäre es weitaus einfacher, Demonstranten zu kriminalisieren und sie als Unruhestifter darzustellen.