Yavuz Sultan Selim Brücke - Namensgebung = Proteste!
- Geschrieben von Portal Editor
Auch wenn aufgrund rigider Polizeimaßnahmen die Massenproteste in Istanbul, Ankara oder Izmir kaum noch vernehmbar sind, so zeigen doch viele kleinere Einzelaktionen von Protestgruppen in der Türkei, das man sich längst nicht mehr mit all den angeordneten oder von "oben" entschiedenen, teilweise willkürlichen Maßnahmen, abfindet.
Sind auf der einen Seite Schritte hin zur Demokratisierung angekündigt, die sich dann doch als recht fadenscheinig erweisen, sind es auf der anderen Seite oft auch Schritte, die zwangsläufig für Missstimmung und Protest sorgen. So jetzt auch bei der Namensgebung der im Bau befindlichen dritten Bosporusbrücke.
Nicht genug, das sich Umweltverbände gegen die Rodung großer Waldgebiete, die zur Trinkwassergewinnung Istanbuls dienen, berechtigterweise mit Nachdruck einschalten, sind jetzt auch Gruppen der Aleviten auf den Plan gerufen, die sich, ebenfalls nicht grundlos, über die geplante Namensgebung brüskieren: "Yavuz Sultan Selim Brücke" soll das neue, monströse Bauwerk heißen. Kein Grund zur Aufregung?
Sultan Selim I regierte mit eiserner Hand!
Wer sich ein wenig in der Geschichte des Osmanischen Reiches auskennt, der wird gerade Sultan Selim I als einen mit eiserner Hand herrschenden Sultan beschrieben finden. Nicht ohne Grund wurde der neunte osmanischeSultan, der von 1512 bis 1520 das Reich regierte, als "Der Gestrenge" bezeichnet. Im 16. Jahrhundert kam es sowohl in Persien als auch im Osten Anatoliens zu mehreren Aufständen schiitischer und alevitischer Gruppierungen. Schon in seiner Zeit als Wali (Provinz-Gouverneur) von Trabzon bekämpfte Selim I. diese Aufständischen mit eiserner Hand. Nachdem er seinen Vater vom Thron gestürzt hatte, da dieser die drohende safawidische Gefahr nicht einsehen und entsprechend handeln wollte, führt Selim I ein osmanisches Heer gegen die Safawiden und schlug deren Führer Şah İsmail samt Truppen in die Flucht. In der Folge ließ er die alevitischen Rädelsführer (Kızılbaş) in ganz Anatolien ermitteln und bestrafte diese mit Hinrichtung oder Verbannung. Genaue Opferzahlen der Politik Selims I. sind historisch bis heute umstritten.
Durch die Betitelung der neuen Brücke mit Namen "Yavuz Sultan Selim Brücke" seien die Gefühle der Aleviten tief verletzt, so es denn bei der gewählten Namensgebung bleiben wird. Für die Wortführer der alevitischen Verbände sei es unverständlich, warum man gerade den Namen dieses Sultans ausgewählt habe.
„Wir protestieren entschlossen gegen die geplante Benennung nach Yavuz SultanSelim – der in der Vergangenheit viel Leid und Schmerz über die Aleviten gebracht hat – und fordern, dass der Name der Brücke umgehend geändert wird“, sagte Hüsniye Takmaz, Vorsitzende der „Föderation alevitischer Verbände“ am Sonntag in Garipçe, wo laut der türkischen Regierung der linksseitige Pfeiler der derzeit im Baustadium befindlichen dritten Bosporusbrücke stehen soll. Die Gefühle der Aleviten seien tief verletzt, sagte sie vor etwa 500 Teilnehmern, darunter auch zahlreichen Vertretern alevitischer Verbände.
Die türkischen Aleviten beklagen seit Jahren die Diskriminierung von Seiten des Staates, sowohl zur osmanischen als auch jetzt in moderner türkischer Zeit. In der Türkei leben schätzungsweise 12,5 Millionen Aleviten und stellen damit rund 15 Prozent der Bevölkerung – obwohl die offiziell-staatliche Statistik die türkische Bevölkerung zu 99,8 % als Muslime ausweist. Die statische Erhebung macht keinen Unterschied zwischen sunnitischen Muslimen und Aleviten.
Bitte lesen Sie auch: