Die illyrischen Gräber von Selca e Poshtme bei Pogradec
- Geschrieben von Portal Editor
Erneut waren wir vom Camping Rino in Struga in Richtung Pogradec auf der albanischen Seite des Ohrid Sees aufgebrochen, auch um diesmal die so genannten Königsgräber Selcë e Poshtëme (so die korrekte albanische Schreibweise) zu besichtigen, die unterhalb der Akropolis in den Fels gehauen sind.
Wissenschaftlichen Untersuchungen entsprechend entstanden sie während der Herrschaft der Illyrischen Könige im 4. bis 3. Jahrhundert v. Chr. Zwar war das Wetter nicht wirklich einladend, immer wieder tief hängende Wolken, die über den Ohrid See heranzogen, so das es teilweise Niederschläge gab.
Pogradec liegt etwa 40 Kilometer von Struga fast exakt auf der gegenüber liegenden, albanischen Seeseite, so das man sowohl über Ohrid als auch über den Grenzübergang Hani e Hotit nach Albanien hinein gelangt. Auch eine Seeumrundung bietet sich an, zumal es weitere Ziele, teilweise wenig bekannt, am Seeufer gibt. Erwähnt sei hier die Ausgrabungsstätte auf der Halbinsel Lin und die Passstraße durch den Nationalpark Galicica bis zum Prespasee, ein herrlicher Blick auf beide Seen ergibt sich vom Gipfel des Magaro aus. Um zu den Illyrischen Gräbern zu gelangen, fahren wir dieses Mal zum Grenzübergang bei Hani e Hotit, dann die Serpentinenstraße hinab in Richtung Elbasan. Nach der letzten scharfen Serpentinenkurve biegen wir nach links in Richtung der Dörfer Kotodesh und Katjel ab, bis wir bei Xhyra das Fahrzeug abstellen und zu Fuß zu den Gräbern wandern müssen. Von Struga bis zu den Königsgräbern Selcë e Poshtëme sind es 36 Kilometer.
Das Grab I – Felskammergrab mit ionischer Fassade
Das so genannte Grab I besitzt eine rechteckige Grabkammer und davor eine Art Vorraum, es stammt aus dem 4. – 3. Jahrhundert v. Chr. Das Grab selbst misst 8,15 Meter mal 4 Meter und hat eine Höhe von 2,40 Metern. Über die Grabkammer wölbt sich ein Tonnengewölbe, dessen Höhe 2,10 Meter beträgt. Die Anlage ist in den Fels hinein gehauen und besitzt zwei Türöffnungen. Außen über der Tür befindet sich eine Regenrinne und Zapfenlöcher. Vier Pilaster mit Kapitellen, die den ionischen Säulenabschlüssen stark ähneln, schmücken die Fassade, an denen noch Spuren von ehemaliger Farbgebung feststellbar sind. Die Grabkammer, mit den Maßen 3 Meter mal 2,80 Meter, ist mit zwei einen Meter breiten Steinliegen ausgestattet, auf der die Toten ruhten. Dieses Grab orientiert sich an den makedonischen Monumentalgräbern aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhundert vor Christus.
Das Grab II – Theatergrab aus der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr.
Das Grab II besitzt eine bouleuteria-artige Anlage mit zwei stufenartig angelegten Sitzreihen, die für etwaige Toten Zeremonien gedient haben könnten. Unter der Ebene der Orchestra befindet sich ein Schachtgrab für Urnen, mit den Maßen 0,80 Meter im Quadrat. Die Deckplatte zur Kammer fehlt. Vielleicht war das Grab einmal mit einer leichten Dachkonstruktion versehen. Es ist in seiner Form einzigartig und wird auf die Mitte des 3. Jahrhunderts datiert.
Das Grab III – Zentralgrab aus der Mitte des. 3. Jahrhunderts v. Chr.
Dieses Grab teilt sich auf zwei Ebenen auf. Die obere Ebene ist ein Scheingrab, dessen Fassade 3 Meter hoch und 6,4 Meter lang ist und einen ionische Porticus imitiert. Acht Pilaster, deren Kapitelle separat gefertigt wurden, zieren den Eingang. Links davon befindet sich eine Nische, in der ein Relief mit Bucranion und einem Helm vom Typ Pergoma eingemeißelt ist. Auf der rechten Seite befindet sich das Relief eines illyrisch-makedonischen Schildes. Der Fußboden des Scheingrabes war mit einem Bodenmosaik ausgestattet. Die Grabkammer befand sich unter dem Fußboden. Sie hat die Maße 2,72 Meter mal 2,77 Meter und besitzt ein 1,85 Meter hohes Tonnengewölbe. In der Kammer fand man zwei Sarkophage. Einer zweiten Bestattungsperiode gehören die 10 Körper- oder Urnenbestattungen innerhalb der Kammer an. Sie datieren aus den letzten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts und beinhalteten einst wohl verschiedene Grabbeigaben, die heute im Museum von Pogradec ausgestellt werden. Man vermutet hier die Grabstätte einer reichen Familie (Fürstengeschlecht), die innerhalb einer kurzen Zeitspanne verstorben ist. Unter den Grabbeigaben befinden sich goldene Ohrringe, Ketten, Nadeln, Ringe, alle vom hellenistischen Typ, ein Gürtelbeschlag aus Eisen mit Silberverzierung, eine Kampfszene darstellend, Panzerung, Lanzenspitzen, Speerspitzen und 30 Keramikgefäße.
Das Grab IV aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr.
Das Grab IV besteht aus einer 70 Meter langen, in den Stein gearbeiteter Fassade, die 5 Meter hoch ist, und einer Grabkammer auf der Südseite der Fassade. Diese Kammer ziert ein tempelartiger Eingang mit zwei Pilastern. Sie selbst misst 3,50 Meter mal 3,10 Meter und ist mit einem Tonnengewölbe überdeckt. Die Wände waren mit Fresken geschmückt. In der Kammer befindet sich ein Sarkophag aus Steinplatten, die schon in der Antike ausgeraubt worden war. Das Grab stammt aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. In der langen Außenfassade sind sieben Nischen in den Felsen gemeißelt, teilweise mit Inschriften versehen, die laut der Archäologen den Erbauer oder die Aufsichtsperson der Arbeiten nennen könnte. Sie stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
Das Grab V aus dem Ende des 3. Jahrhunderts
Hier handelt es sich um ein wieder aufgerichtetes Grab, zu dessen Errichtung teilweise neue Quader verwendet wurden. Das letzte Grab besitzt die Form eines makedonischen Kammergrabes und besteht aus der Vorkammer und eigentlicher Grabkammer, beide Tonnen gedeckt und in Quaderbauweise errichtet. Eine Steinplatte mit Relief dient als Scheintür zur Grabkammer. In der Kammer selbst befinden sich die Überreste dreier Klinensarkophage, die aus aufrecht stehenden Steinquadern gebaut waren. Sie dienten primär für Körperbestattungen. Später wurden auch Urnen und Grabbeigaben in die Sarkophage gebettet.
In jedem Fall eine interessante Exkursion in die Illyrische Vergangenheit des Ohrid Sees.
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